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Hilfswerke in Afghanistan

Gefährdet, aber entschlossen

Die internationalen Truppen haben mit ihrem Abzug aus Afghanistan begonnen. Für die Entwicklungshilfe könnten sich die Bedingungen radikal ändern. Schon jetzt sind Organisationen regelmäßig Ziel von Gewalt. Aber sie wollen weitermachen.

Von Mittwoch, 26.05.2021, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 25.05.2021, 16:56 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Entwicklungshilfe in Afghanistan blickt unsicheren Zeiten entgegen. Die Nato-Staaten haben nach 20 Jahren Einsatz mit dem Abzug ihrer Truppen begonnen. Fachleute sehen die Gefahr, dass die Gewalt wieder zunimmt, die Regierung und die aufständischen Taliban um die Kontrolle kämpfen und die Radikalen an Einfluss gewinnen werden. „Es steht zu befürchten, dass die Situation der totalen Unsicherheit vergangener Zeiten zurückkehrt“, sagt der Leiter von Caritas International, Oliver Müller. Für Hilfswerke steht nicht nur die Sicherheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Spiel, sondern auch das in den vergangenen Jahren Erreichte.

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Mit einem Totalabzug der Truppen in der Geschwindigkeit habe keiner gerechnet, sagt der Direktor des International Center for Conversion (BICC), Conrad Schetter. Denn die Grundkonflikte hätten sich eher verschärft. „Da hätte sich einiges ändern müssen, damit Afghanistan bessere Chancen hat“, bedauert der Friedensforscher. Für die Entwicklungshilfe stelle sich die Frage: „Was kann man bei der neuen Sicherheitslage noch machen?“ Und obwohl der Bedarf an Nothilfe steige, werde es nach Abzug des Militärs vermutlich weniger Geld für die zivile Hilfe geben. „Die Gefahr ist groß, dass die Industrieländer radikal ihre Aufbauhilfen kürzen werden.“

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Hilfswerke kritisieren schnellen Abzug

Auch Hilfswerke kritisieren, dass der Abzug so schnell erfolgt und ohne, dass die zuvor immer wieder formulierten Bedingungen erfüllt wurden. „Wir sprechen uns nicht für mehr Soldaten und Militär aus, aber der Einsatz hat eine gewisse Stabilität gebracht und in großen Teilen des Landes Fortschritte ermöglicht“, sagt der Leiter von Caritas International, das in Afghanistan zwei internationale und 25 nationale Mitarbeiter beschäftigt. Und die Taliban, die bereits jetzt schon große Gebiete des Landes kontrollieren, hätten keine Zugeständnisse gemacht. „Im Nachhinein kann man die nicht mehr einfordern.“

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Auch wenn Afghanistan immer noch eines der ärmsten Länder der Welt sei, sei in den vergangenen Jahren einiges erreicht worden, so wie der Anstieg der Lebenserwartung um etwa zehn Jahre oder in der Mädchenbildung, betont Müller. „Es ist zu befürchten, dass diese Fortschritte zunichte gemacht werden.“ Zum Beispiel, wenn die Helferinnen und Helfer die Menschen in den Provinzen wegen der Gewalt nicht mehr erreichen können.

18 Millionen auf Hilfe angewiesen

Auch der Landesdirektor der Welthungerhilfe, Thomas ten Boer, fürchtet um die Versorgung der Afghanen, von denen über 18 Millionen schon jetzt zum Überleben auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. „Wegen Kämpfen könnten die Lieferketten unterbrochen werden.“ Die Menschen könnten nicht alle nötigen Lebensmittel kaufen oder ihre Produkte verkaufen.

Hilfswerke wie die Welthungerhilfe und die Caritas arbeiten seit Jahren auch in Gebieten, die die Taliban kontrollieren, und wollen trotz der Unsicherheit nach dem Truppenabzug weitermachen. „Die Taliban wissen unsere Hilfe für die Bevölkerung zu schätzen, und unsere Neutralität schützt uns“, sagt Caritas-Leiter Müller. Auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) werde sich dafür einsetzen, dass die Projektarbeit vor Ort fortgeführt werde, erklärt eine Sprecherin. „Ob einzelne Projekte angepasst werden müssen, wird von der Sicherheitslage und den konkreten Vorgaben der Auftraggeber bestimmt.“ Das ist unter anderem die Bundesregierung. Gegebenenfalls könnten die internationalen Beschäftigten die Arbeit mit Hilfe der Kolleginnen und Kollegen in afghanischen Regionalbüros oder aus Deutschland steuern.

Friedensforscher skeptisch

Landesdirektor ten Boer geht davon aus, dass die Welthungerhilfe mir ihren zwei internationalen und 200 nationalen Beschäftigten womöglich die Arbeit in einigen Regionen für eine Weile aussetzen muss, sollte es zu Kämpfen kommen. „Aber grundsätzlich werden wir akzeptiert.“ Man könne mit den Taliban verhandeln, wenn nicht direkt, dann über die Dorfbevölkerung und die Ältesten. „Man muss sehen, dass die Taliban und die Bevölkerung sich in den vergangenen 20 Jahren verändert haben.“ Die Taliban könnten die Bevölkerung, auch die Frauen, nicht mehr so kontrollieren wie in der Vergangenheit.

Friedensforscher Schetter ist skeptischer. Gerade in den vergangenen Jahren habe die gezielte Gewalt gegen Mitarbeiter von nichtstaatlichen Organisationen zugenommen, besonders gegen Frauen. „Es geht darum, die Zivilgesellschaft einzuschüchtern.“ Es sei also ein sehr wichtiges Thema für die Hilfswerke, wie sie ihre Beschäftigten schützen können. Allein 2020 wurden laut der Welthungerhilfe 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet, verletzt oder entführt. (epd/mig) Aktuell Ausland

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