Nach Würzburg
„Islamistischer“ Hintergrund vermutet, bislang aber keine Beweise
Die Ermittler suchen nach der tödlichen Messerattacke von Würzburg weiter nach einem Motiv des 24-jährigen Tatverdächtigen. Ein islamistischer Hintergrund wurde bereits kurz nach der Tat vermutet - Beweise dafür wurden bislang aber keine gefunden. Ermittler halten trotzdem daran fest.
Von Daniel Staffen-Quandt Mittwoch, 30.06.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.06.2021, 13:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach der Messerattacke in Würzburg mit drei Toten und sieben Verletzten suchen die Ermittler weiter nach einem Motiv des 24-jährigen Tatverdächtigen. Zwar liege „ein islamistischer Hintergrund für die Taten“ nahe, teilten die Generalstaatsanwaltschaft München und das Landeskriminalamt am Dienstag gemeinsam mit. Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte wurden bei dem Tatverdächtigen bislang aber nicht gefunden.
Die Ermittler gehen von einem islamistischen Tatmotiv aus, weil der tatverdächtige Somalier nach Aussagen von Augenzeugen während der Tat zweimal „Allahu Akbar“ („Gott ist am Größten“) gerufen haben soll. Im Krankenbett einer Würzburger Klinik soll er die Tat zudem als seinen „Dschihad“, also als „Heiligen Krieg“, bezeichnet haben. Die Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft werde ein gerichtspsychiatrisches Gutachten in Auftrag geben.
Gutachten soll Schuldfähigkeit klären
Mit diesem Gutachten soll unter anderem die Frage der Schuldfähigkeit geklärt werden – und auch die Frage der Unterbringung in einer Psychiatrie. Der tatverdächtige Somalier wirkte nach Angaben von Augenzeugen verwirrt, zugleich aber stach er mit dem 33 Zentimeter langen Küchenmesser gezielt zu. Der Terrorexperte Peter Neumann vom Londoner King’s College sagte dem Bayerischen Rundfunk (BR), die Grenze zwischen psychischer Auffälligkeit und islamistischem Motiv sei schwer zu ziehen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte bereits am Montag vom „eklatanten Verdacht“ eines islamistischen Tatmotivs gesprochen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich erleichtert gezeigt, dass die Messerattacke von Würzburg nicht von Rechten vereinnahmt worden ist. Es sei seine große Sorge gewesen, „dass versucht werden könnte vom politisch rechten Lager, diesen Vorgang wieder für sich zu nutzen“, sagte Schuster am Montagabend bei einem Podiumsgespräch in Leipzig. Dies sei nicht geschehen. Stattdessen sei die Stadtgesellschaft „noch enger zusammengewachsen“, sagte Schuster, der seit Jahrzehnten in Würzburg lebt. Generell glaube er, dass es die Stadt Würzburg sehr gut verstanden habe „zu differenzieren zwischen dem Täter und Migranten generell, als Gruppe“.
Soko-Ermittlungen mit Islamwissenschaftlern
Bereits am vergangenen Samstag hatte die Generalstaatsanwaltschaft München das Ermittlungsverfahren gegen den Mann übernommen, das Landeskriminalamt richtete die Sonderkommission (Soko) „Main“ ein und ermittelt derzeit zusammen mit dem Polizeipräsidium Unterfranken zur Tat. Unterstützung erhalten sie dabei von Experten des Bundeskriminalamtes, von Übersetzern sowie von Islamwissenschaftlern, teilten die Behörden mit.
In der städtischen Obdachlosenunterkunft, in der der Mann zuletzt gewohnt hatte, stellten die Ermittler bereits am Wochenende zahlreiche Gegenstände sicher – darunter zwei Handys. Der Mann reiste laut Landeskriminalamt am 6. Mai 2015 nach Deutschland ein, in Würzburg ist er seit 4. September 2019 ansässig. In seinem Asylantrag gab er an, vor der Terrororganisation Al-Shabaab in Somalia geflohen zu sein. Deshalb hat er sogenannten subsidiären Schutz erhalten.
Keine Ermittlungen trotz Verdacht
Im Januar 2021 sagte ein Zeuge gegen den wegen mehrerer Gewaltdelikte polizeibekannten 24-Jährigen aus, er habe im Jahr 2015 ein Telefonat des Beschuldigten mitgehört. Demnach soll der Somalier in den Jahren 2008/2009 selbst als Elf- oder Zwölfjähriger für die Terrormiliz Al-Shabaab Zivilisten, Journalisten und Polizisten in Somalia getötet haben. Mangels konkreter Tatsachen leitete weder die Generalbundesanwaltschaft noch die bayerische ZET ein Ermittlungsverfahren ein.
In Würzburg hatte am Freitag ein 24 Jahre alter Somalier in einem Kaufhaus ein Messer an sich genommen und drei Frauen im Alter von 82, 49 und 24 Jahren erstochen. Im Anschluss verletzte er in der Innenstadt vier weitere Frauen, ein elf Jahre altes Mädchen und einen 16-Jährigen schwer. Alle befinden sich inzwischen außer Lebensgefahr, teilte das LKA weiter mit. Ein weiterer Mann wurde von dem Somalier leicht verletzt. (epd/mig) Aktuell Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Spurwechsel ermöglichen Migrationsexperte fordert Bleiberecht für arbeitende…
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
Um Menschen zu töten muss man schon psychisch krank sein. Sehr psychisch krank! Bei den NSU-Serienmorden wurde ja auch jahrelang ohne vorliegender Beweise verleumderisch behauptet, dass es sich dabei um Drogen-Kriminalität handelt und die Angehörigen der Opfer wurden wie Täter behandelt. Einen Punkt darf man derzeit auch in keinster Weise außer Acht lassen: Im September sind Bundestagswahlen. Bei jeder Wahl verschlechtert sich das eh sehr schlechte Ausländerfeindlichkeits-Klima zwecks des Buhlens der Wählerstimmen von „Rechts bis Rechtsaußen“. Dabei konkurriert die CDU-CSU mit der AfD. Es ist mitlerweile bei jeder Wahl unübersehbar. Es werden Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt, Migranten und Flüchtlingen werden verleumderische Vorwürfe angedichtet, der Ton wird rauher. Früher mussten solche Wahlkampf-Erscheinungen in Deutschland lebende Türken erdulden, heute sind es die „Gastarbeiter und deren Nachfahren“, Migranten, Asylanten und Flüchtlinge. Der Wahlkampf hat begonnen, die gegen die AfD um Wählerstimmen buhlenden Parteien proklamieren daher aus Sippenhaft, Generalverdacht und schon an Hetze grenzende bestehende Äußerungen. Der AfD hingegen kommt dieses Attentat wahlkampftechnisch sehr gerufen. Mit den üblichen aus rassistischen Anschuldigungen, Hassverbreitungen und Hetze bestehenden Äußerungen macht die bei rechtsextremistisch motivierten Anschlägen (Hanau, Halle, München, Chemnitz etc. etc.) stets schweigende und jegliche Verantwortung bezüglich geistiger Brandstifterei von sich weisende AfD die Regierungsparteien für diesen Amoklauf in Würzburg verantwortlich.