Josef Schuster
Antisemitismus-Import durch Flüchtlinge hat sich nicht bewahrheitet
Zentralratspräsident Schuster zeigt sich erleichtert, dass die Messerattacke von Würzburg nicht von Rechten vereinnahmt worden ist. Auch der befürchtete Antisemitismus-Import im Zuge der Fluchtmigration habe sich nicht bewahrheitet. Der Justiz attestiert er Sehschwäche am rechten Auge.
Freitag, 02.07.2021, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 01.07.2021, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich erleichtert gezeigt, dass die Messerattacke von Würzburg nicht von Rechten vereinnahmt worden ist. Es sei seine große Sorge gewesen, „dass versucht werden könnte vom politisch rechten Lager, diesen Vorgang wieder für sich zu nutzen“, sagte Schuster am Montagabend bei einem Podiumsgespräch in Leipzig. Dies sei nicht geschehen. Stattdessen sei die Stadtgesellschaft „noch enger zusammengewachsen“, sagte Schuster, der seit Jahrzehnten in Würzburg lebt.
Weiter sagte Schuster, bei allem Negativen der Tat habe er auch etwas Positives gesehen: „Das waren couragierte Bürger, die den Täter verfolgt haben.“ Generell glaube er, dass es die Stadt Würzburg sehr gut verstanden habe „zu differenzieren zwischen dem Täter und Migranten generell, als Gruppe“.
Die Messerattacke von Würzburg
In der unterfränkischen Stadt hatte am Freitag ein 24 Jahre alter Somalier in einem Kaufhaus ein Messer an sich genommen und eine Verkäuferin und zwei weitere Frauen erstochen. Im Anschluss verletzte er in der Innenstadt drei weitere Frauen, ein elf Jahre altes Mädchen und einen 16 Jahre alten Jugendlichen schwer, eine weitere Frau und einen Mann leicht.
Der Täter hatte in der Vergangenheit offenbar psychische Probleme. Anzeichen auf eine „islamistische“ Motivation gibt haben die Ermittler bisher nicht gefunden. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hingegen hatte bereits kurz nach der Tat vom „eklatanten Verdacht“ eines islamistischen Tatmotivs gesprochen.
Antisemitismus-Import nicht bewahrheitet
Schuster erklärte, seine Befürchtung, dass während des starken Flüchtlingszuzugs nach Deutschland ab 2015 auch viele Menschen ins Land kommen würden, die sich antisemitisch äußern oder entsprechende Taten begehen könnten, habe sich „Gott sei Dank nicht bewahrheitet“. Einen Grund dafür sehe er darin, dass das Thema in den staatlich organisierten Integrationskursen für Flüchtlinge aufgegriffen worden sei.
In Deutschland habe etwa jeder Fünfte antijüdische Ressentiments, sagte Schuster weiter und erklärte: „Diese Zahl gibt es seit mindestens 20, 25 Jahren kontinuierlich, durchgehend.“ Die Verantwortung dafür sehe er „immer noch in dem tradierten Antisemitismus von kirchlicher Seite“, betonte er. Etwa mit der These, die Juden hätten Jesus Christus ermordet, „wurde über Jahrhunderte Antisemitismus auch von der Kanzel gepredigt“, erklärte er. Das sei heute nicht mehr so, aber was nach dieser langen Geschichte bei vielen Menschen in den Köpfen verankert sei, „das setzt sich fort“, sagte Schuster.
Sehschwäche der Justiz auf dem rechten Auge
Auch von den deutschen Sicherheitsbehörden und der Justiz erwartet Schuster ein klares Einschreiten. „Bei manchen Urteilen beobachte ich eine Sehschwäche der Justiz auf dem rechten Auge – etwa, wenn Angriffe auf Synagogen nur als Sachbeschädigung verurteilt werden statt als antisemitische Tat“, sagte Schuster dem Nachrichtenportal „t-online“ in einem Donnerstag veröffentlichten Interview.
Schuster sagte, dass der Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 aber „zu einem Aufwachen“ geführt habe. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe klare Signale im Kampf gegen Rechtsextremisten gesetzt. Sie dürften nun aber nicht in der Ministerialbürokratie stecken bleiben, mahnte er.
Gesetz scheitert an Union
Das Oberlandesgericht Naumburg hatte den Halle-Attentäter Stephan B. wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes im Dezember 2020 zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. B. hatte am 9. Oktober 2019 versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Der Rechtsterrorist scheiterte jedoch an der Tür zum Gelände. Darüber frustriert, suchte er gezielt einen nahegelegenen Döner-Imbiss auf und schoss dort aus islamfeindlichen Motiven auf Passanten.
Die Bundesregierung hatte nach dem Anschlag einen Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus gegründet. Ergebnis waren Eckpunkte für ein sogenanntes „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“, die Ex-Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundesinnenminister Seehofer federführend ausgehandelt hatten. Doch das Gesetz scheiterte an der mangelnden Zustimmung der Unionsfraktion im Bundestag. (epd/mig) Aktuell Panorama
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