Bundesregierung
Forschung gegen die Feinde der Demokratie
Die Bundesregierung lobt sich für ihre Anti-Extremismus-Programme und investiert Millionen in die Forschung zu Antisemitismus und Rechtsextremismus. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, die Juden in Deutschland und die Demokratie zu schützen.
Donnerstag, 05.08.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.08.2021, 16:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mehr Forschung und mehr Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis sollen Deutschland im Kampf gegen Antisemitismus voranbringen. Wie Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Mittwoch in Berlin mitteilte, nehmen zehn Forschungsverbünde in diesem Jahr ihre Arbeit auf. Dabei geht es beispielsweise um die Entwicklung von Unterrichtsmaterial, um die Rolle der Justiz bei der Bekämpfung von Antisemitismus oder darum, Jugendliche zum kritischen Umgang mit antisemitischen Hassbotschaften in sozialen Medien zu befähigen.
Insgesamt flössen in den kommenden vier bis fünf Jahren Fördermittel im Umfang von 35 Millionen Euro, sagte Karliczek, davon zwölf Millionen Euro in die Antisemitismusforschung. Untersucht werden auch christliche Elemente des historischen und zeitgenössischen Antisemitismus. Partner der universitären Forscher sind die Evangelischen Akademien in Deutschland. 23 Millionen Euro gehen Karliczek zufolge an Forschungsvorhaben, die sich dem Rechtsextremismus und Rassismus widmen, um mehr Erkenntnisse über die Ursachen und Überschneidungen mit dem Antisemitismus zu gewinnen.
Teil eines Maßnahmenkatalogs
Die CDU-Politikerin sagte, die wissenschaftlichen Erkenntnisse sollten dazu beitragen, sich dem Antisemitismus entgegenzustellen. Die deutliche Zunahme antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2019 sei besorgniserregend: „Jüdisches Leben ist in Deutschland so bedroht wie lange nicht mehr“, bilanzierte Karliczek. 2.351 polizeilich registrierte Fälle zeigten, dass Jüdinnen und Juden sich bedroht fühlen müssten. Das sei „mehr als beschämend“.
Die Förderrichtlinie für mehr Forschung zum Antisemitismus war bereits im vorigen Jahr verabschiedet worden. Die Rechtsextremismus-Forschungsprojekte sind Teil des Maßnahmenkatalogs, den der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen hat.
Expertin warnt vor israelbezogenen Antisemitismus
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, begrüßte die Programme. Mit Blick auf das Corona-Jahr 2020 sagte er, Antisemitismus habe in der Bewegung von Corona-Leugnern und „Querdenkern“ wie ideologischer Kitt gewirkt. Verschwörungsmythen aller Art hätten Hochkonjunktur. Er habe im Rahmen der vom Kabinettsausschuss beschlossenen Maßnahmen ein Forschungsprojekt angestoßen, in dem die Überschneidungen von Judenhass und Rechtsextremismus sowie das Einsickern extremer Positionen in die Gesellschaft untersucht werden sollen.
Die Frankfurter Soziologin Julia Bernstein warnte im Gespräch mit dem „Evangelischen Pressedienst“ vor dem israelbezogenen Antisemitismus. Er trete heutzutage viel häufiger auf als rassistischer Antisemitismus, sagte die Professorin an der Frankfurt University of Applied Science. Politiker, Lehrer und Bürger müssten sich darüber im Klaren sein, dass eine pauschale Kritik am israelischen Staat konkrete Auswirkungen auf die Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland habe und für Jüdinnen und Juden gefährlich werden könne. Diese Form des Judenhasses erkenne man daran, dass Politik und Religion vermischt würden. So müssten sich Juden in Deutschland beispielsweise für die israelische Politik rechtfertigen, weil ihnen eine Vertreterrolle zugeschrieben werde, erklärte Bernstein.
„Die größte Bedrohung“
Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) erklärten, Extremismus – vor allem Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus – sei die größte Bedrohung für eine offene und demokratische Gesellschaft. Die Regierung stelle sich dem „nicht nur mit warmen Worten, sondern mit klaren Taten“ entgegen, sagte Scholz. Das Bundeskabinett hatte zuvor den 2. Bericht über die Wirksamkeit der Demokratieförderprogramme des Bundes gebilligt.
Im Zentrum stand das Programm „Demokratie leben!“, das bis 2024 mit 600 Millionen Euro ausgestattet worden ist. Das Familienministerium fördert bundesweit mehr als 500 Präventionsprojekte für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die sich für Demokratie und gegen Extremismus einsetzen. Das Programm war 2020 entfristet worden. Den Sozialdemokraten gelang es aber gegen den Widerstand der Union nicht, die Demokratieförderung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Die Initiativen müssen die Mittel für ihre Arbeit deshalb immer wieder neu beantragen. (epd/mig) Aktuell Politik
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