„Undankbare Ignoranz“
Patennetzwerk kritisiert Umgang mit afghanischen Helfern
Die Kritik am Umgang der Bundesregierung mit afghanischen Ortskräften reißt nicht ab. Seit dem Vormarsch der Taliban gerät sie zusätzlich in Erklärungsnot. Ihr sei der „moralische Kompass völlig verloren gegangen“, kritisiert das Patennetzwerk Afghanischer Ortskräfte.
Dienstag, 10.08.2021, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.08.2021, 17:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Angesichts der Eskalation der Gewalt in Afghanistan wächst die Kritik am Umgang der Bundesregierung mit ihren Helfern vor Ort. Marcus Grotian, Vorsitzender des Patenschaftsnetzwerkes Afghanischer Ortskräfte, warf der Regierung in der „Süddeutschen Zeitung“ vor, dass ihr der „moralische Kompass völlig verloren gegangen“ sei. Bis zum Ende ihres Einsatzes im Land war vor allem die Bundeswehr auf Unterstützung sogenannter Ortskräfte angewiesen, die durch den Vormarsch der Taliban nun in akute Gefahr geraten.
Im Juli hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehr Unterstützung für die Ortskräfte in Aussicht gestellt und unter anderem Charterflüge ins Gespräch gebracht, um Helfer mit ihren Familien auszufliegen. Bislang hat es keinen solchen Flug gegeben. Die Verfahren für die Ausreise ziehen sich nach Angaben Grotians weiter in die Länge.
Verfahren zu bürokratisch
Ende Juli hatten der Zeitung zufolge nach Angaben des Innenministeriums 471 Ortskräfte mit ihren Angehörigen, insgesamt 2.851 Menschen, fertige Reisedokumente. Hunderte weitere warteten darauf. Mit Stand vom vergangenen Donnerstag seien 1.796 Menschen nach Deutschland gekommen, davon seien 296 ehemalige Ortskräfte.
Der SPD-Politiker Wolfgang Hellmich, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag, sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Was ist denn das für eine irrwitzige Vorstellung, dass sich die Familien auf den Weg machen, das Verfahren bewältigen und sich selbst die Flüge buchen?“ Das gesamte Verfahren sei zu bürokratisch. Enttäuscht äußerte sich auch Agnieszka Brugger, Fraktionsvize der Grünen: „Die Bundesregierung hat dabei versagt, allen Ortskräften in Afghanistan umfassend, sicher und schnell zu helfen. An dieser undankbaren Ignoranz hat auch Angela Merkels Machtwort kaum etwas geändert.“
Kramp-Karrenbauer: Meldungen aus Afghanistan tun sehr weh
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erklärte am Montag in Berlin, Deutschland müsse „weiterhin viel tun“, mit Blick auf „die Aufnahme weiterer ehemaliger Ortskräfte der Bundeswehr und ihrer Familien“. Über den Vormarsch der Taliban zeigte sich die Ministerin bestürzt. Die Meldungen aus Kundus und aus ganz Afghanistan „sind bitter und tun sehr weh“, so die Kramp-Karrenbauer. „Wir haben dort gemeinsam mit den Verbündeten gekämpft.“
Am Sonntag nahmen die Taliban die Stadt Kundus im Norden ein. Nach Sarandsch, Sar-e-Pul, und Scheberghan war es die vierte Provinzhauptstadt des Landes, die in die Hände der Aufständischen fiel. In Kundus war auch die Bundeswehr stationiert. (epd/mig) Aktuell Politik
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