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Chronik des Mauerbaus

Maßnahmen zum Stopp der Flüchtlingswelle

Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 durch das DDR-Regime erreichte der Kalte Krieg vor 60 Jahren eine neue Stufe der Eskalation. Wer unerlaubt die Sektorengrenze der geteilten Stadt überqueren wollte, tat dies fortan unter Lebensgefahr. Eine Chronologie der Ereignisse vom 7. bis zum 14. August 1961.

Freitag, 13.08.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.08.2021, 16:55 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

7. August 1961

Das SED-Politbüro legt den Zeitpunkt der Grenzschließung auf die Nacht zu Sonntag, 13. August fest. Die US-Armee in der Bundesrepublik erhält Hinweise, wonach die Nationale Volksarmee der DDR bereits vier Divisionen in Marsch gesetzt habe. Gleichzeitig versichert der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow, keine zweite Blockade West-Berlins zu planen. Den USA und ihren Verbündeten droht er bei Auslösung eines Krieges mit einem „vernichtenden Schlag“.

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8. August 1961

Bundesnachrichtendienst und alliierte Geheimdienste registrieren in der DDR laut „Spiegel“ starke Truppenbewegungen. Bei einer Zusammenkunft mit US-Außenminister Dean Rusk lehnt der französische Staatspräsident Charles de Gaulle jegliche Verhandlungen über Berlin mit der Sowjetunion ab.

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9. August 1961

Während die Schikanen von Grenzgängern nochmals verstärkt werden, beginnen im DDR-Innenministerium und bei der Nationalen Volksarmee unter größter Geheimhaltung die Vorbereitungen für den Mauerbau. Im Westteil der Stadt erörtern die dort ansässigen US-Geheimdienste mögliche Maßnahmen der DDR zum Stopp der Flüchtlingswelle. Nach vorherrschender Meinung gilt eine völlige Abriegelung der Sektorengrenze technisch als undurchführbar.

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10. August 1961

Der Bundesnachrichtendienst warnt die Bundesregierung vor baldigen Maßnahmen der DDR gegen die Flüchtlingswelle. Der Oberbefehlshaber der sowjetischen Streitkräfte in der DDR, Marschall Iwan Stepanowitsch Konew, beruhigt seine westalliierten Kollegen: „Was immer in der nächsten Zukunft geschehen mag, Ihre Rechte werden unberührt bleiben, und nichts wird sich gegen West-Berlin richten.“ In Washington äußert sich US-Präsident John F. Kennedy besorgt über die Flüchtlingswelle aus der DDR, beharrt aber nicht auf das Recht auf Freizügigkeit innerhalb ganz Berlins. Bei einem Betriebsbesuch des DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht fordert ein Arbeiter öffentlich freie Wahlen. Nach Verhör und Beschattung durch die Stasi flieht er nach West-Berlin.

11. August 1961

Die DDR-Volkskammer billigt die bereits ergriffenen Maßnahmen zur „Unterbindung der von Westdeutschland und Westberlin aus organisierten Kopfjägerei und des Menschenhandels“. Weiter erteilt sie dem Ministerrat faktisch eine Blanko-Vollmacht. Abends informiert der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, die Führungsspitze der Stasi über den bevorstehenden Mauerbau mit dem Tarnnamen „Aktion Rose“.

12. August 1961

Mit 2.400 Flüchtlingen verdoppeln sich im West-Berliner Lager Marienfelde die Neuzugänge gegenüber den Vortagen. Im Kontakt mit der Bonner US-Botschaft befürchtet US-Außenminister Dean Rusk einen neuen Aufstand in der DDR, wie es ihn am 17. Juni 1953 gegeben hatte. Bei Wahlveranstaltungen für die Bundestagswahl Mitte September warnt Kanzler Konrad Adenauer vor einer Panikstimmung. Sein SPD-Gegenkandidat Willy Brandt wirft hingegen der Sowjetunion vor, „einen Anschlag gegen unser Volk“ vorzubereiten, „über dessen Ernst sich die wenigsten Menschen klar sind“. Die Menschen „in der Zone“ hätten Angst, „in einem gigantischen Gefängnis eingeschlossen“ zu werden. Während der DDR-Ministerrat vom Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu einem gemütlichen Beisammensein in ein abgelegenes Gästehaus eingeladen ist, laufen in Ost-Berlin die letzten Vorbereitungen für den Mauerbau unter der Führung von Ulbrichts späterem Nachfolger, Erich Honecker.

13. August 1961

Um 0.00 Uhr wird die gesamte Nationale Volksarmee in „Erhöhte Gefechtsbereitschaft“ versetzt. 3.150 Soldaten setzen sich in Ost-Berlin mit Kampfpanzern und Schützenpanzerwagen in Richtung Stadtmitte in Bewegung. 4.200 Mann aus Potsdam marschieren an den Außenring um West-Berlin. Mehr als 10.000 Volkspolizisten erhalten den Befehl, Stacheldrahtverhaue entlang der Sektorengrenze zu ziehen.

Um 1.11 Uhr sowie kurze Zeit später verbreitet die DDR-Nachrichtenagentur ADN Erklärungen der Warschauer-Pakt-Staaten sowie des DDR-Ministerrats, wonach die Grenzen nur noch mit besonderer Genehmigung passiert werden können. Die Ost-Berliner Bevölkerung wird durch Rundfunk und Flugblätter über die Abriegelung informiert. Fassungslos stehen sich auf beiden Seiten der Sektorengrenze die Menschen gegenüber. Der Senat fordert die Westalliierten zu energischen Gegenmaßnahmen auf, Bundeskanzler Konrad Adenauer mahnt zur Besonnenheit. Die US-Regierung kritisiert die Verletzung des Viermächteabkommens, hält aber fest, dass weder die Position der Westalliierten noch der freie Zugang zu West-Berlin gefährdet seien.

14. August 1961

Das SED-Politbüro beschließt weitere Sperrmaßnahmen am Brandenburger Tor und stellt klar, dass bis auf weiteres den DDR-Bürgern keine Visa für den Grenzübertritt ausgestellt würden. Der Innenminister wird darüber hinaus angewiesen, die bis dahin provisorischen Stacheldraht-Sperren an den früheren Grenzübergängen nach West-Berlin nunmehr „fest“ auszubauen. Damit ist der Beschluss zur Errichtung der ersten Mauer-Teilstücke gefasst. Befürchtungen, wonach die Abriegelung zu einem neuen Volksaufstand führen könnte, erweisen sich derweil als gegenstandslos. Volkspolizei und Stasi registrieren bei der montäglichen Arbeitsaufnahme in den Betrieben keine größeren „Zusammenrottungen“. Dennoch rollt in der DDR die größte Verhaftungswelle sei 1953 an.

Der Regierende Bürgermeister in West-Berlin, Willy Brandt, fordert die Bundesregierung auf, die Westalliierten zu „fühlbaren Maßnahmen gegenüber den Initiatoren dieser Willkürmaßnahmen“ zu drängen. In Washington entschließt sich allerdings US-Präsident John F. Kennedy, auf Gegenmaßnahmen zu verzichten, da es sonst zum Krieg kommen könnte. In einem offenen Brief fordert der Schriftsteller Günter Grass die Vorsitzende des DDR-Schriftstellerverbandes, Anna Seghers, auf, „gegen die Panzer, gegen den gleichen, immer wieder in Deutschland hergestellten Stacheldraht anzureden, der einst den Konzentrationslagern Stacheldrahtsicherheit gab“. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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