Nicht verstanden
Großer Zapfenstreich zu Afghanistan-Einsatz geplant
Im Oktober soll es zum Ende des 20-jährigen Afghanistan-Einsatzes einen Zapfenstreich für die beteiligten Bundeswehrsoldaten geben. Zuvor ist eine kritische Bilanzdebatte geplant. Friedensforscher kritisieren: Westen hat Afghanistan nie verstanden.
Dienstag, 28.09.2021, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.09.2021, 17:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach Ende des 20-jährigen Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr sollen beteiligte Soldaten am 13. Oktober mit einem Großen Zapfenstreich vor dem Berliner Reichstagsgebäude gewürdigt werden. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erklärte am Montag in Berlin, der Einsatz am Hindukusch habe die Bundeswehr „gefordert und geprägt, die Bundeswehr hat sich im Kampf bewährt“.
Angehörige der deutschen Streitkräfte seien dabei auch „an Leib und Seele verletzt worden“. Die Angehörigen aller Kontingente des Einsatzes sollten durch Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsidenten „noch einmal eine besondere Würdigung erfahren“.
Zuvor, für den 6. Oktober, ist der Auftakt einer kritischen Bilanzdebatte zum Einsatz geplant. Es müsse darüber gesprochen werden, „was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben“, teilte die Ministerin mit. Der Afghanistan-Einsatz habe auch das Selbstverständnis deutscher Streitkräfte sowie die Rolle des politischen Westens als globaler Ordnungsfaktor besonders geprägt und verändert.
Friedensforscher: Westen hat Afghanistan nie verstanden
Nach Einschätzung des Friedensforschers Conrad Schetter haben die westlichen Regierungen nie ernsthaft versucht, Afghanistan zu verstehen. „Der grundlegende Fehler war, dass sich der Westen um seine eigenen Interessen gedreht hat“, sagte der Forschungsdirektor des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) dem „Evangelischen Pressedienst“. Es sei nicht wirklich darum gegangen, dem Land auf die Füße zu helfen.
Auch jetzt nach dem Debakel des schnellen Abzugs der internationalen Truppen und seinen Folgen werde sich kaum etwas ändern, vermutet Schetter. „Die westlichen Regierungen setzen mal wieder auf das Kurzzeitgedächtnis der Bevölkerung oder der Wähler.“ Der gleiche Fehler wie in Afghanistan „unterläuft uns gerade in Mali und wird uns noch weiter unterlaufen“. Das liege in der Art und der Logik der Interventionspolitik.
Betroffenenperspektive stärker berücksichtigen
Die reichen Länder müssten in ihrer Entwicklungspolitik weitaus stärker von der Perspektive der Betroffenen ausgehen. Das sei nicht nur in Deutschland so, sondern weltweit. „Man hat in den letzten Jahren Fortschritte erzielt, aber es wird nicht Politik aus den Bedarfen und Vorstellungen der Bevölkerung abgeleitet, sondern es werden politische Vorgaben gemacht und nach unten weitergegeben.“
Ein gutes Beispiel dafür sei das „National Solidarity Program“ (NSP). Es sei das mit mehreren Milliarden Dollar von verschiedenen Gebern größte Programm, das es in Afghanistan gab. „Es soll dazu dienen, die lokale Gesellschaft in Afghanistan aufzubauen“, erläuterte Schetter. Die Gemeinden hätten aber keine Moscheen oder Religionsräume bauen dürfen. „Was natürlich in einer Gesellschaft wie der afghanischen, die tiefreligiös ist, absurd ist.“ Gleichzeitig sei vorgegeben, dass in einer Gemeinde nur eine bestimmte Zahl an Menschen leben darf. „Es wurde also ein Gemeindebegriff entwickelt, den es in Afghanistan gar nicht gab.“
240.000 Tote im Afghanistan-Krieg
Die Diskussion über den Afghanistan-Einsatz sollte ursprünglich schon Ende August beginnen. Sie wurde wegen der militärischen Evakuierungsoperation am Flughafen Kabul jedoch verschoben. Am 27. August wurde auch diese Mission beendet.
Insgesamt haben rund 160.000 deutsche Soldaten Dienst in Afghanistan geleistet, 59 verloren im Zusammenhang mit dem Einsatz ihr Leben. Der Krieg in Afghanistan kostete rund 240.000 Menschen ihr Leben, darunter etwa 50.000 Zivilisten. Die internationale Militärmission am Hindukusch hatte nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 begonnen. (epd/mig) Aktuell Politik
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Meines Erachtens ist Friedensforschung überflüssig, da die Politik sich in der Regel nicht um deren Erkenntnisse schert, und zu den von Conrad Schetter genannten Erkenntnissen bin ich auch ohne ihn gekommen. Wir brauchen nicht Friedensforscher, sondern Friedensmacher. Theoretische Erkenntnisse nützen nichts, solange sie nicht in die Tat umgesetzt werden.
Um der Unverschämtheit die Krone aufzusetzen, sollen die in Afghanistan eingesetzten Bundeswehrsoldaten auch noch auf heuchlerische Weise geehrt werden, anstatt daß die verantwortlichen Politiker sich vor sie hinstellen und offen bekennen: „Wir haben euch belogen, als wir euch mit der Begründung nach Afghanistan schickten, um dort ‚Deutschland am Hindukusch zu verteidigen‘, die afghanischen Frauen zu ‚befreien‘ und das Land aufzubauen. In Wirklichkeit ging es uns um wirtschaftliche Interessen und um der transatlantischen Supermacht unsere Vasallentreue zu zeigen. Euer Einsatz hat die US-Streitkräfte dabei unterstützt, Kriegsverbrechen begehen zu können und das von den USA eingesetzte korrupte afghanische Regime aufrechtzuerhalten.“ Selbstverständlich werden die genannten Politiker das nicht sagen, obwohl es die Wahrheit ist. Das alles ist so schändlich, und da kann man sich wieder einmal richtig schämen, Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu sein und sich von solchen Politikern regieren zu lassen.