Zeichen des Respekts
Gebetsruf des Muezzin: Kölner OB verteidigt Pilotprojekt
In Köln sollen Moscheen freitags zunächst befristet zum Gebet rufend dürfen. Seit Bekanntwerden des Pilotprojekts steht Oberbürgermeisterin Reker in der Kritik. Muslime begrüßen die Erlaubnis als ein Zeichen des Respekts.
Dienstag, 12.10.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.10.2021, 16:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hat das Kölner Pilotprojekt verteidigt, Gebetsrufe von Moscheen unter Auflagen zuzulassen. Sie reagierte damit am Samstag auf die kontroverse Diskussion in den sozialen Netzwerken über die Entscheidung der Stadt. „Köln ist die Stadt der (religiösen) Freiheit & Vielfalt. Wer am Hbf ankommt, wird vom Dom begrüßt und von Kirchengeläut begleitet“, schrieb sie auf Twitter. Viele Kölnerinnen und Kölner seien Muslime, erklärte die Kommunalpolitikerin und sprach von einem „Zeichen des Respekts“.
Die Stadt Köln startet nach ersten Gesprächen mit ortsansässigen Moscheegemeinden und rechtlicher Prüfung ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Modellprojekt. Auf Antrag und unter Auflagen können die Moscheegemeinden, die dies wünschen, ihre Gläubigen zum mittäglichen Freitagsgebet rufen, wie die Stadt in der vergangenen Woche mitteilte.
Die umliegende Nachbarschaft muss von der Moscheegemeinde im Vorfeld mittels eines Flyers informiert werden. Zudem ist der Stadt zufolge für jede Moscheegemeinde eine Ansprechperson zu benennen, die Fragen beantworten oder Beschwerden entgegennehmen kann. Der Gebetsruf darf freitags nur in der Zeit zwischen 12 bis 15 Uhr und für die Dauer von maximal fünf Minuten erfolgen. Auch die Lautstärke des Rufes wird je nach Lage der Moschee mit einer unterschiedlichen Höchstgrenze festgelegt.
Auswertung nach zwei Jahren
Das Projekt wird durch die Kölner Stadtverwaltung nach eigenen Angaben eng begleitet. Nach Abschluss der zweijährigen Projektlaufzeit findet eine Auswertung statt, um auf dieser Basis über die Zukunft der Regelung zu entscheiden.
„Während in christlichen Kirchen die Glocken geläutet werden, um die Gläubigen zum gemeinsamen Gottesdienst zu rufen, sind es in den Moscheen muslimischer Glaubensgemeinschaften die Rufe des Muezzins, die diesen Zweck erfüllen“, hieß es in der Mitteilung der Stadt. Seit vielen Jahren sei der Islam, wie viele andere Religionen auch, ein fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft, sodass auch die Frage der Erlaubnis der Gebetsrufe an den Moscheen bundesweit immer wieder diskutiert werde.
Muslime begrüßen Gebetsruf-Erlaubnis
Führende Vertreter des Islam in Deutschland haben die Entscheidung der Stadt Köln gelobt, den Muezzinruf zum Freitagsgebet zuzulassen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, hält die Erlaubnis für einen Ausdruck von Respekt. Der „Azzan“, also der Muezzin-Ruf, sei integraler Bestandteil des muslimischen Gebets und eine Selbstverständlichkeit in vielen Ländern Europas und den USA, sagte Mazyek der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
So wie es in vielen muslimischen Ländern Glockengeläut gebe, werde der muslimische Ruf zum Gebet als „Ausdruck des Respekts für unsere im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit in der rheinischen Metropole praktiziert. Köln sendet damit ein Zeichen der Toleranz und der Vielfalt in die Welt.“ Dieser Teil des Glaubens dürfe kein Bestandteil politischer Debatten sein, so Mazyek. „Sonst spielt man mit einer islamfeindlichen Klaviatur den Extremisten in die Hände.“
In Istanbul läuten Kirchenglocken täglich
Der Leiter des Osnabrücker Islaminstituts Bülent Ucar bezeichnete die Kölner Entscheidung als „überfällig“. „Bislang hat man den Islam in Deutschland eher verdrängt – in Hinterhofmoscheen und Wohngebiete.“ sagte Ucar der Zeitung und ergänzte: „Der Muezzin-Ruf am Freitag macht die religiöse Pluralisierung in Deutschland sichtbar. Einer Stadt wie Köln tut das gut. Andere Städte praktizieren es ja auch bereits.“
In Istanbul läuteten die Kirchenglocken täglich. Der Professor für islamische Theologie empfahl allerdings, den Muezzinruf ohne Lautsprecher zu übertragen und es bei einem Ruf am Freitag zu belassen, „um die Nachbarschaft nicht allzu sehr zu stören.“ (epd/mig)
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