Einbürgerung, Schreiben, Ablehnung, Amt, Behörde
Ablehnungsschreiben zum Einbürgerungsantrag

„Deutsche Lebensverhältnisse“

Amt lehnt Einbürgerung von Muslimin ab wegen verweigerten Handschlags

Weil eine Muslima einem männlichen Beamten den Handschlag verweigerte, soll sie nicht eingebürgert werden. Der Fall zieht in den sozialen Medien seine Kreise und wirkt gerade in Corona-Zeiten wie aus der Zeit gefallen.

Dienstag, 07.12.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.12.2021, 8:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Seit knapp zwei Jahren ist das Händeschütteln als Begrüßungsakt tabu. Doch genau das wurde einer Muslima aus dem baden-württembergischen Rastatt zum Verhängnis. Sie hatte wenige Monate vor Ausbruch der Corona-Pandemie in der Einbürgerungsbehörde einem Beamten den Handschlag verweigert. Jetzt teilte ihre die Behörde mit, dass sie nicht eingebürgert wird.

Zur Begründung führt das Amt aus: „Ein Einbürgerungsbewerber, der das Händeschütteln mit anderen Personen deshalb ablehnt, weil sie oder er ein anderes Geschlecht hat, gewährleistet nicht seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“, heißt es in dem mit November 2021 datierten Schreiben, das in den sozialen Medien kursiert. „Der Handschlag zur Begrüßung gehört zur deutschen Kultur“, so die Behörde.

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Gerichtsentscheidung zugunsten des Handschlags

In einem Fall aus Stuttgart hatte im August 2020 der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einem libanesischen Staatsangehörigen die Einbürgerung verweigert. Der in einem Krankenhaus tätige Oberarzt hatte zwar den Einbürgerungstest mit der maximal möglichen Punktzahl bestanden, bei der feierlichen Einbürgerungszeremonie jedoch einer Frau den Handschlag verweigert. Seine Einbürgerungsurkunde wurde ihm daraufhin nicht ausgehändigt, die Einbürgerung verweigert.

Die Gerichtsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs löste eine Debatte über Verhaltensregeln aus – auch unter Juristen. Auf Rechtsexpertin Kathrin Strauß von der Universität Münster etwa wirkte die Entscheidung gerade in Corona-Zeiten „wie aus der Zeit gefallen“.

Mehrheit der Deutschen künftig gegen Handschlag

Auch der Fall aus Rastatt löst jetzt im Netz Verwunderung und Empörung aus. Insbesondere im Hinblick auf geänderte Verhaltensnormen seit Ausbruch der Pandemie erntet das amtliche Ablehnungsschreiben Kritik. Khallad Swaid etwa schreibt im Kurznachrichtendienst Twitter: „Das hört sich für mich nach Gleichmacherei an. Wir Menschen sind unterschiedlich und diesen Pluralismus sollten wir respektieren!“

Einer repräsentativen Umfrage aus März dieses Jahres zufolge wollen sich die meisten Deutschen (62 Prozent) auch nach der Corona-Pandemie lieber freundlich grüßen, statt anderen die Hand zu geben. Bei den Frauen liegt der Anteil derer, die künftig an dieser Gewohnheit aus der Pandemie festhalten wollen, sogar bei 70 Prozent. (mig) Aktuell Panorama

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  1. Andrea Varese sagt:

    Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob etwas aus nachvollziehbaren Hygienegründen ablehnt oder aus dubiosen Gründen wie biologischem Geschlecht, Hautfarbe oder Religion. Wir leben im 21. und nicht im 7. Jahrhundert.

  2. J-S sagt:

    Nun – sie haben den Handschlag nicht verweigert um eine Infektion zu reduzieren sonder weil das Gegenüber ein anderes Geschlecht hat.

    Sowas nennt man Diskriminierung.

    Ob wir den Handschlag als Begrüßung nötig ansehen oder er „aus der Zeit gefallen“ ist hat keinen Zusammenhang mit der kausalen Verweigerung.

  3. A.F.B. sagt:

    Den gebrauch des wortes „handschlag“ halte ich in diesem zusammenhang nicht für angebracht, da darunter ein kräftiges aufeinanderschlagen der hände zweier personen zur bekräftigung eines vertragsabschlusses zu verstehen ist. Vielmehr handelt es sich hier um ein händegeben oder hän-deschütteln.
    Die forderung, personen anderen geschlechts die hand geben zu müssen, ist mit dem recht auf freie religionsausübung unvereinbar! Tatsächlich bezieht sich dieses verbot im Islam nicht gene-rell auf weibliche personen, bzw. personen des jeweils anderen geschlechts, sondern nur auf sol-che, mit denen der männliche handgeber in einem verhältnis steht, das sie für ihn zu „fremden“ personen macht. Dagegen ist es dem Muslim erlaubt, seiner eigenen ehefrau, tochter, mutter, großmutter und tante die hand zu geben, letzteren, da diese zu ehelichen ihm zeitlebens untersagt ist. Das gilt auch für jede andere unmittelbare körperliche berührung.
    Es würde mich interessieren, wie jene behörde reagiert hätte, wenn die einzubürgernde nicht Muslima, sondern eine religiöse Jüdin gewesen wäre. Verweigert ein jüdischer Rabbiner einer für ihn fremden frau den händedruck, dann wagt man meist nichts zu sagen. Aber bei Muslimen ist das anders, die haben ja – noch – nicht den opferbonus wie die Juden.
    Mit anderen worten: Diejenigen, die von Muslimischen männern und frauen fordern, für sie fremde personen des jeweils anderen geschlechts – in diesem fall durch händedruck – körperlich zu berühren, fordern damit von ihnen, eine religiös begründete vorschrift zugunsten einer nicht religiös begründeten bloßen gewohnheit aufzugeben, nur weil es sich um einen brauch handelt, der zu einer angeblich „deutschen“ kultur gehört. Der begriff „deutsche kultur“ ist jedoch nicht wirklich definierbar, da diese sich in stetigem wandel befindet. Vor fünfzig jahren z. b. war Hal-loween in Deutschland noch so gut wie unbekannt. Gerechterweise müßte man nun alle hand-lungen, die mit Halloween zu tun haben, verbieten, da Halloween nicht zur deutschen kultur ge-hört!
    Es ist unübersehbar, daß es bei solchen entscheidungen und urteilen den behörden und gerichten nicht um gerechtigkeit geht, sondern darum, die Muslime zu demütigen!!!