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Ferihan Yesil, MiGAZIN, Kommentar, Meinung, Rassismus, Bildung, Diskriminierung, Muslime, Kopftuch
Ferihan Yeşil © privat, Zeichnung: MiG

Schule

Direkter und indirekter Rassismus

Antimuslimischer Rassismus wird langsam als Problem erkannt. Endlich. Von Veränderungen sind wir aber noch weit entfernt. Beispiele aus bayrischen Schulen.

Von Montag, 13.12.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 11.12.2021, 8:32 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der Leipziger Autoritarismus-Studie zufolge stimmen 46,8 Prozent der Menschen in Deutschland folgender Aussage zu: „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“. Einer Umfrage der Evangelischen Kirche aus 2018 zufolge ist jeder Zweite der Meinung, der Islam passe nicht in die deutsche Gesellschaft.

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Diese Umfrageergebnisse spiegeln sich in Straftaten wider. Allein 2020 wurden bundesweit 1.026 islamfeindliche Straftaten registriert – Angriffe auf Moscheen, Sachbeschädigungen, Volksverhetzungen. Islamische Organisationen kamen auf deutlich höhere Zahlen als offizielle Stellen. Hinzu kommt der alltägliche Rassismus, verbale und physische Angriffe auf Menschen. Trotz dieses dramatischen Lagebildes gibt es kaum Beratungsstellen, die auf antimuslimischen Rassismus spezialisiert sind.

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Durch eine Feldforschung, die ich für meine Dissertation durchgeführt habe, welche ursprünglich kaum Schnittstellen mit antimuslimischem Rassismus hatte, wurde mir bewusst, wie wenig sich im Alltag der Betroffenen seit Jahrzehnten geändert hat und wie sehr muslimische oder muslimisch gelesene Menschen gesellschaftlichem sowie strukturellem Rassismus ausgeliefert sind.

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Nur eins hat sich verändert: Während die ersten Migranten-Generationen noch von Fremdenfeindlichkeit sprechen – die Erklärung für die Feindlichkeit in ihrer Fremdheit suchen und somit das Problem relativieren -, nennen es die jüngeren Familienmitglieder beim Namen: Rassismus. Schwierig wird dies jedoch in Abhängigkeitsverhältnissen, wie zum Beispiel an Schulen, an denen man Rassismus vorerst gar nicht erwarten würde.

Rassismus – indirekt und direkt

„Während andere Religionen in der Schule nüchtern und sachlich durchgenommen werden, wird der Islam mit Stigmatisierungen, medialer Heuristik – Hetzvideos -, Karikaturen und rhetorischen Fragen behandelt.“

Den Rassismus scheint es an Schulen in zweifacher Form zu geben, indirekt und direkt. Indirekte Rassismen sind durch zahlreiche Untersuchungen belegt. Bei einer experimentellen Studie der Universität Mannheim beispielsweise haben 204 Studierende der Pädagogischen Hochschule teilgenommen. Sie erhielten Diktate von Max und Murat mit identischem Inhalt zur Benotung. Ergebnis: Murat erhielt deutlich schlechtere Noten als Max. In einer weiteren Studie hat ein Team von Bildungsforscher:innen zwei Jahre lang 1.500 Gymnasien analysiert. Ergebnis: Trotz gleicher sozialer Herkunft und gleichen Sprach- und Mathekenntnissen wurden Schüler:innen mit Migrationsgeschichte schlechter benotet.

Direkte Rassismen sind demgegenüber sichtbare Handlungen und Aussagen. Dazu ein aktuelles Beispiel, das mich durch die Erzählung eines Schülers zufällig fand. Er musste im Ethikunterricht ein Video ertragen, welches durchsät ist mit Vorurteilen und Stigmatisierungen gegen den Islam. Darin wird immer wieder ein Lied abgespielt mit dem Text: „Ich hab so Angst vor dem Islam“. Während andere Religionen in der Schule nüchtern und sachlich durchgenommen werden, wird der Islam mit Stigmatisierungen, medialer Heuristik – Hetzvideos -, Karikaturen und rhetorischen Fragen behandelt.

Beispiele aus dem Schulalltag

„Eine Schülerin mit Kopftuch musste im Kontext des 9. September vor der Klasse auf Englisch erklären, wie es denn mit den 70 Jungfrauen im Paradies sei, die die Selbstmordattentäter sich versprechen. Währenddessen machten sich die Jungs aus der Klasse lustig mit perversen Bemerkungen.“

Weitere Beispiele: Eine Schülerin mit Kopftuch musste im Kontext des 9. September vor der Klasse auf Englisch erklären, wie es denn mit den 70 Jungfrauen im Paradies sei, die die Selbstmordattentäter sich versprechen. Währenddessen machten sich die Jungs aus der Klasse lustig mit perversen Bemerkungen. Eine andere Schülerin mit Kopftuch wurde wenige Monate vor dem Abitur von ihrem Mathelehrer laut und mitten im Unterricht danach gefragt, warum sie sich denn das Ganze antue, sie werde doch „eh in der Küche landen und Hausfrau werden und Kinder gebären.“

Eine weitere Schülerin monierte, dass im Ethikunterricht Judentum und Christentum durchgenommen wurden, der Islam jedoch nicht. Auf Nachfrage äußerte sich die Lehrperson: „Ach, mit dem Theater kenn ich mich nicht aus, wenn du willst, kannst du ein Referat darüber halten“.

Wieder eine andere Schülerin, die im Rhetorikkurs ein Referat zum Thema Islam vorbereitet hatte, um die Vorurteile zumindest in der eigenen Klasse abzubauen, wurde lautstark von der Klasse applaudiert. Für die Schüler:innen war es ein sehr informativer und ambitioniert vorbereiteter Vortrag. Doch der Lehrer klatschte noch lauter und rief: „Danke, jetzt ist die Märchenstunde zu Ende“.

Plädoyer

„Rassistisch gesinnte Menschen sind ‚Kinder ihrer Zeit‘. Keine Gesellschaftsschicht, keine Sozialisierung, keine Berufsgruppe ist davon ausgenommen, auch Lehrende nicht.“

Rassistisch gesinnte Menschen sind „Kinder ihrer Zeit“. Keine Gesellschaftsschicht, keine Sozialisierung, keine Berufsgruppe ist davon ausgenommen, auch Lehrende nicht. Schließlich sind alle Gesellschaftsschichten mit asymmetrischen Herrschaftsverhältnissen aufgewachsen und sozialisiert worden. Der einzige Weg, der aus dieser Gesinnung heraushilft, ist die Auseinandersetzung mit Rassismus.

Deshalb ist es für Schulen ausgesprochen wichtig, dass bereits im Lehramt-Studium ein rassismuskritischer Blick geschult wird. Zusätzlich bedarf es Fortbildungen zur Sensibilisierung von Lehrern – am besten interaktiv und intensiv. Und schließlich ist es Wichtig, dass es Anlaufstellen an Schulen gibt mit geschultem Personal, die Betroffenen garantieren, dass es für sie keine negativen Auswirkungen geben wird, wenn sie Vorfälle melden. Meinung

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  1. J-S sagt:

    Spannend sowas hier zu lesen während in anderen Medien von Diskriminierung durch fundamentale Muslime an Berliner Schulen schreiben.
    Ich empfehle das Thema nicht nur einseitig zu betrachten. In Stadtteilen in denen Muslime mehrheitlich leben scheinen die Schulen kein Hort für Bildung und Gleichberechtigung zu sein.

    Ein Trauerspiel.

    Insofern gilt für mich ganz einfach – Relgiion gehört aus der Schule verbannt. Alle (!) Religionen haben sich dem Bildungsauftrag unterzuordnen.