Rettungen im Mittelmeer
EU-Abgeordneter: EU-Flüchtlingspolitik „verdorben“
Hilfsorganisationen haben Hunderte Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet. Es sind derzeit vergleichsweise viele Seenotretter im Einsatz. Die EU-Flüchtlingspolitik sei „verdorben“, kritisierte der Grünen-Parlamentarier Marquardt.
Montag, 20.12.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.12.2021, 13:25 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Mittelmeer haben Hilfsorganisationen am Freitag mehr als 300 Menschen aus Seenot gerettet. Zuletzt nahm die Besatzung der „Geo Barents“ 49 Geflüchtete aus einem Schlauchboot an Bord, wie die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“, die das Schiff betreibt, mitteilte. Die Kinder, Frauen und Männer seien seit dem frühen Dienstagmorgen auf dem Meer gewesen. Die Crew sei von der Notfall-Hotline Alarm Phone über das Boot informiert worden. Davor waren die „Rise Above“ des Vereins Mission Lifeline, die „Sea-Eye 4“ der gleichnamigen Organisation sowie die „Ocean Viking“ von „SOS Méditerranée“ ebenfalls in Rettungseinsätzen.
Der Grünen-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Erik Marquardt, warf der EU derweil Panikmache und unwürdige Maßnahmen gegen Flüchtlinge vor. An den EU-Außengrenzen kämen sehr viele Menschen ums Leben, die man retten könnte, weil die Politik aus Angst vor Rechtspopulisten versuche, die Zahl der Aufgenommenen zu drücken.
„Das ist inzwischen einfach verdorben“, sagte Marquardt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei 27 EU-Staaten, die Menschen aufnehmen könnten, dürfe das eigentlich keine relevante Krise erzeugen. „Dann gibt es auch keinen Anlass, sich derart an Menschenrechtsverletzungen und unwürdigen Maßnahmen gegenüber Schutzsuchenden zu beteiligen, wie man das momentan macht“, sagte er in Hinblick auf die europäische Migrationspolitik.
EU in der Kritik
Die EU steht wegen ihrer Flüchtlingspolitik seit Jahren in der Kritik von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen. Kritikpunkte sind unter anderem der Umgang mit Geflüchteten an den Außengrenzen, die Arbeit der Grenzschutzagentur Frontex, die Unterstützung der libyschen Küstenwache und dass die EU keine eigene Seenotrettungsmission im Mittelmeer betreibt.
Derzeit sind verhältnismäßig viele private Seenotrettungsschiffe auf dem Mittelmeer, nachdem zuletzt mehrere von ihnen nach abgeschlossenen Rettungsaktionen nicht mehr über längere Zeit von den italienischen Behörden festgesetzt worden waren. In der Nacht auf Freitag nahm die „Rise Above“ laut Mission Lifeline 66 Geflüchtete südlich der italienischen Insel Lampedusa an Bord, darunter viele Kinder. Auch sie waren demnach bereits mehrere Tage auf dem Mittelmeer.
Seenotretter warnen vor Wetter
Die „Sea-Eye 4“ war kurz nach ihrer Ankunft vor der libyschen Küste am Donnerstag von einem Aufklärungsflugzeug der Organisation Sea Watch über zwei Boote in Seenot informiert worden. Seitdem rettete die Crew demnach in vier Einsätzen 223 Menschen, darunter 29 Frauen, von denen 4 schwanger sind, und 8 Kinder. Einige Gerettete müssten medizinische versorgt werden. Am Donnerstag hatte die „Ocean Viking“ 114 Geflohene gerettet, darunter ein elf Tage altes Baby.
Laut „Sea Eye“ sind weitere Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer. Die Organisation warnte, dass sich das Wetter voraussichtlich bald verschlechtern werde und die Überlebenschancen der Menschen deutlich sänken.
Flucht und Pandemie
Marquardt zufolge sind in diesem Jahr mehr Menschen aus Libyen geflohen als 2020. „Das hängt auch mit der Corona-Pandemie zusammen.“ Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hätten Menschen beispielsweise in Afrika in existenzielle Not gebracht. Zudem seien wegen der Mobilitätseinschränkungen im vergangenen Jahr weniger Menschen geflohen, die sich dann in den vergangenen Monaten auf den Weg gemacht hätten. Nur 14 Prozent von ihnen sei in den vergangenen Jahren von Seenotorganisationen gerettet worden, sagte der Grünen-Politiker. „Der Rest kommt ohne Hilfe nach Europa.“
Die Überfahrt über das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bislang mindestens 1.691 Menschen bei der Überfahrt ums Leben gekommen oder werden vermisst. Die Dunkelziffer könnte weit höher liegen. (epd/mig) Leitartikel Politik
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