Kompromiss
Regensburger „Judensau“ erhält neuen Hinweisschild mit kritischer Einordnung
Über viele Jahre gab es in Regensburg Streit über den richtigen Umgang mit einer jahrhundertalten antisemitischen Schmähplastik am Regensburger Dom: Die „Judensau“ soll nun bleiben, aber mit einer neuen Texttafel deutlicher kommentiert werden.
Dienstag, 11.01.2022, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.01.2022, 15:27 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die antisemitische Darstellung der „Judensau“ am Regensburger Dom soll mit einem neuen Textkommentar versehen und so historisch eingeordnet werden. Darauf haben sich Vertreter des Landes Bayern, der jüdischen Gemeinde und der katholischen Kirche geeinigt, wie der Antisemitismus-Beauftragte der Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU), sowie die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg, Ilse Danzinger, in Regenburg mitteilten.
Spaenle sagte laut Mitteilung, judenfeindliche Darstellungen an historischen Gebäuden dürften „nicht unkommentiert stehen bleiben“, die Gesellschaft als Ganzes müsse „einen grundsätzlich bewussten und verantwortungsvollen Umgang damit finden“. Zugleich dürften diese Darstellungen an Kirchen oder weltlichen Gebäuden „auch nicht in einer Art Bilderstürmerei“ entfernt werden. Denn sie seien „zugleich Erinnerungsorte für dramatische Vorstellungen vergangener Zeiten“, sagte Spaenle.
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Ilse Danziger, sagte, heutzutage sei Antisemitismus „leider wieder überall präsent und auch wieder salonfähig“. Es sei deshalb wichtig, „auf jede Art von Judenfeindlichkeit und Hass hinzuweisen“. Aus diesem Grund sei die Jüdische Gemeinde dagegen, die Schmähplastik einfach zu entfernen. „Sie ist ein Teil der Regensburger Geschichte und soll sichtbar und deutlich gezeigt, aber auch kommentiert werden“, sagte sie.
Jahrelanger Streit um den Umgang
Der neue Textkommentar wurde gemeinsam mit Eva Haverkamp-Rott, Professorin für Mittelalterliche Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München, verfasst. Die Darstellung von an den Zitzen einer Sau saugenden Juden „sollte Ekel und Verachtung“ hervorrufen, heißt es im neuen Text. Die Skulptur sei im 14. Jahrhundert „gegenüber dem jüdischen Wohnviertel angebracht“ worden. Mit dieser Propaganda seien Juden „zu Feinden des Christentums erklärt“ worden.
Jahrelang gab es Streit um den richtigen Umgang mit der „Judensau“ am Regensburger Dom. Eine bereits am Dom angebrachte Hinweistafel hatte selbst für scharfe Kritik gesorgt. Eine wirklich kritische Einordnung sei nicht gegeben. Auch Spaenle bezeichnete den Text Ende 2020 als „verbesserungsbedürftig“.
48 „Judensau“-Darstellungen in Europa
Bekannt sind in Europa 48 solcher Darstellungen, etwa in Wittenberg, am Kölner Dom, am Dom von Brandenburg an der Havel und an der Kathedrale von Metz (Frankreich). In Bayern gibt es neben der in Regensburg noch weitere „Judensau“-Darstellungen, beispielsweise auch an der evangelischen Kirche St. Sebald in Nürnberg oder am Tor der Burg Cadolzburg im Kreis Fürth. Das Schwein gilt den Juden als unrein.
Neben der deutschen soll der Textkommentar auch in einer englischen Fassung am Regensburger Dom angebracht werden. Der Text solle „als Grundlage für ein mögliches Vorgehen an anderen historischen Orten“ dienen, an denen „Judensäue“ oder andere judenfeindliche Darstellungen zu sehen sind, hieß es. (epd/mig) Aktuell Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…