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„Land mit Migrationshintergrund“

Steinmeiers erste Amtszeit

Frank-Walter Steinmeier kandidiert für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident. Seine erste Amtszeit prägte die Pandemie, und Steinmeier versuchte, den Umgang mit ihr zu prägen. Für den Bürgerkontakt musste das Staatsoberhaupt neue Wege finden.

Von und Mittwoch, 09.02.2022, 21:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.02.2022, 18:52 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Wie sehr seine Worte aus der ersten Rede nach der Wahl zum Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier einholen würden, hat er am 12. Februar 2017 sicher selbst nicht geahnt. „Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen“, sagte er damals: „Wir sind Teil einer Welt mit ihren Risiken, und Risiken gibt es auch bei uns.“ Gemeint hatte er die vielen Krisen auf der Welt und zunehmende Demokratiefeindlichkeit in Deutschland. Vom Coronavirus und seinen Risiken für Gesundheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt wusste er damals noch nichts. Die Pandemie wurde auch für Steinmeier zur größten Herausforderung. Sie zwang das Staatsoberhaupt wie alle zum Zuhausebleiben, forderte ihn als Stifter gesellschaftlichen Zusammenhalts zugleich umso mehr. Um diese Rolle zu füllen und den Kontakt zu den Bürgern zu suchen, musste er neue Wege finden.

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Diplomatie und Reisen – das war die Welt des früheren Außenministers Steinmeier, als er vor fünf Jahren ins höchste Staatsamt gewählt wurde. Der promovierte Jurist, der Anfang der 1990er Jahre an der Seite des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) in den Politikbetrieb kam, dessen Büroleiter und Kanzleramtschef war, hatte sich im Amt des Außenministers weltweit Respekt und Anerkennung erarbeitet.

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„Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund“

Auch als Bundespräsident zog es ihn ab 2017 hinaus. Reisen führten ihn unter anderem nach Australien, Japan, Gambia, Jordanien, Singapur und Russland. In Wanderschuhen und Outdoor-Kleidung ließ er sich gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender über die Galapagos-Inseln führen und über Umweltprobleme aufklären. Mit Reisen nach Israel und Auschwitz zum 75. Jahrestag der Befreiung des dortigen Vernichtungslagers der Nationalsozialisten unterstrich er die deutsche Verantwortung für die Erinnerung an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. „Es gibt kein Recht auf Vergessen“, formulierte er kürzlich.

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Zum 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens würdigte er die Lebensleistung der ersten „Gastarbeiter“-Generation und ihrer Nachkommen. „Sie sind eben nicht ‚Menschen mit Migrationshintergrund‘, sondern Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund geworden. Und es ist höchste Zeit, dass wir uns dazu bekennen“, sagt er im Rahmen eines Festakts. Deutschland müsse mit aller Kraft an einer Gesellschaft der gelebten Chancengleichheit – unabhängig von sozialer Herkunft, Weltanschauung und Religion – arbeiten.

Dann kam die Corona-Pandemie

Dann kam im März 2020 die Corona-Pandemie. Statt Reisen gab es vom Bundespräsidenten Videogrüße, statt Kaffeetafeln digitale Gesprächsrunden, statt repräsentativer Besuche ein gestreamtes Klavierkonzert von Igor Levit im Schloss Bellevue. In den vergangenen zwei Jahren führte Steinmeier Gespräche mit Azubis, Kulturschaffenden, Pflegerinnen, Schülern und Hinterbliebenen, verlieh Verdienstorden an jene, die in der Pandemie besonders leisteten, darunter auch die Impfstoffentwickler Özlem Türeci und Ugur Sahin. Steinmeier rückte diejenigen in den Vordergrund, die das Land am Laufen halten, während er selbst versuchte, es zusammenzuhalten – mithilfe von Zoom, Facebook und Instagram, neue Kanäle für einen Präsidenten.

„Wir sind ein Land“, beschwor er die durch fast zwei Jahre Pandemie strapazierte Bevölkerung in seiner Weihnachtsansprache 2021. Dem Gerede von einer „Corona-Diktatur“ tritt er klar entgegen. „Es gibt keine Demokratie ohne Debatte“, lautet sein Credo. Die Debatte führt er gern mit, soweit es sein überparteiliches Amt erlaubt. Noch vor der Orientierungsdebatte im Bundestag lud der 66-Jährige Experten und Bürgerinnen zu einer Diskussion über die Impfpflicht ein. Selbst positioniert hat er sich wohlweislich dabei nicht.

Bundespräsidentenwahl am 13. Februar

Ein Bundespräsident gebe nicht die politische Richtung vor, aber er könne Brücken in der Gesellschaft bauen, sagte Steinmeier, als er im Mai 2021 selbst ankündigte, für eine weitere Amtszeit als Bundespräsident kandidieren zu wollen. Er musste aber auch der Politik schon Brücken bauen: Als die Verhandlungen über die Bildung einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP nach der Bundestagswahl 2017 nach knapp zwei Monaten scheiterten, ergriff Steinmeier die Initiative und drängte die Parteien, den Wählerauftrag zur Regierungsbildung umzusetzen. Damit machte er noch einmal eine große Koalition möglich und verhinderte Neuwahlen.

Drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger sind mit Steinmeiers Arbeit zufrieden, wie eine Forsa-Umfrage im vergangenen Oktober ergab. Vor der Bundesversammlung am 13. Februar unterstützen SPD, FDP, Grüne und Union seine Wiederwahl. Die dürfte damit so gut wie sicher sein. (epd/mig) Aktuell Politik

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