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Kolonialraub

Bremer Museum gibt menschliche Schädel an Hawaii zurück

Vor mehr als 100 Jahren sahen Wissenschaftler aus Europa in den Ureinwohnern ferner Länder meist nur Forschungsobjekte. Der koloniale Hochmut brachte menschliche Überreste auch aus Hawaii nach Bremen. Rückgaben sollen jetzt das Unrecht heilen.

Mittwoch, 09.02.2022, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 08.02.2022, 18:16 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

In einer feierlichen Zeremonie hat das Bremer Übersee-Museum am Dienstag acht menschliche Schädel aus seinem Sammlungsbestand an Nachfahren von Ureinwohnern der Südsee-Inselgruppe Hawaii zurückgegeben. Die Gebeine ihrer Ahnen waren teils mehr als 100 Jahre im Besitz des Hauses. Sie waren entgegen den Gesetzen und Gebräuchen ihrer Heimat nach Bremen gebracht worden. Nun wurden sie in der Ozeanien-Ausstellung des Museums an eine dreiköpfige Delegation des US-Bundesstaates übergeben.

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Bereits im August 2019 war der Staat Hawaii an das Übersee-Museum herangetreten und hatte um eine Rückgabe gebeten. Erst daraufhin wurde die Herkunft der Schädel vom Museum mit Unterstützung des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste umfassend erforscht.

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Reue und Entschuldigung

In der vergangenen Woche hatte der Bremer Senat beschlossen, dass die sterblichen Überreste zurückgegeben werden sollen. Als Repräsentantin des US-Bundesstaates Hawaii erklärte Carmen „Hulu“ Lindsey in einer schriftlichen Stellungnahme: „Heute ermöglichen uns diese Aktionen, nicht nur als Individuen, sondern als lãhui (hawaiische Nation) zu heilen.“ Unter Museumsfachleuten und Anthropologen sei im zurückliegenden Jahrzehnt ein besseres Verständnis für die indigenen Völker und für die an ihnen begangenen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit gewachsen.

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Die Schädel seien in Zeiten des Kolonialismus nach Deutschland gebracht worden, um sie dort zu präsentieren und zu erforschen, sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zurück. Für dieses Unrecht „können wir Sie nur aufrichtig um Verzeihung bitten und Reue zeigen für das, was ihrem Volk und ihren Vorfahren angetan wurde“, sagte er an die Delegation aus Hawaii gerichtet.

Aus ethischen Gründen

Auch die Direktorin des Übersee-Museums, Wiebke Ahrndt, bat um Verzeihung und ergänzte: „Heute ist es aus ethischen Gründen nicht länger gerechtfertigt, die menschlichen Überreste weiterhin in unserer Sammlung zu verwahren.“ Dort befinden sich ihrer Angabe zufolge noch weitere Gebeine, vor allem aus Europa, aber auch aus Ozeanien.

Unter der Leitung von Ahrndt wurden 2013 vom Deutschen Museumsbund Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen verfasst. Das Übersee-Museum gab bereits 2006 und 2017 die Überreste von Maori und Moriori an neuseeländische Ureinwohner zurück. 2018 wurden zwei Schädel aus dem heutigen Namibia übergeben.

Weitere Rückgaben

Die Zeremonie in Bremen ist Teil einer Reise der Hawaiianer, in deren Verlauf 58 menschliche Gebeine aus Institutionen in Deutschland und Österreich in ihre Heimat zurückgebracht werden sollen. Sie wurden den Angaben zufolge vor mehr als einem Jahrhundert aus Hawaii entwendet.

Am Mittwoch (9. Februar) gibt die Universität Göttingen hawaiianische Gebeine aus ihrer Sammlung an die Nachfahren zurück. Weitere Zeremonien sind in Berlin, Jena und Wien geplant. In ihrer Heimat sollen die Gebeine möglichst schnell bei ihren Familien begraben werden. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Maria Muschik sagt:

    Die Rückgabe der Schädel und Gebeine ist wichtig für alle Menschen. Die Menschenwürde zu gewähren ist unverzichtbar und muss als absoluter Wert der Menschheit geachtet werden. Menschenwürde erlischt nicht mit dem Tod eines Menschen.