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Rache

Jüdisches Museum Frankfurt erzählt von jüdischem Widerstandsgeist

Über den schillernden Begriff der Rache hat erstmals das Jüdische Museum Frankfurt am Main eine Ausstellung konzipiert. Der Gang durch die jüdische Kulturgeschichte stellt antisemitische Fantasien vor, aber auch den Widerstandsgeist von Juden.

Von Montag, 21.03.2022, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 20.03.2022, 10:52 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Ein abgedunkelter Raum, Lichtblitze zucken, bedrohliche Klänge, ein sausendes Geräusch. In der Mitte steht einzig ein Baseballschläger. Namen in lateinischer und hebräischer Schrift sind darauf geschrieben. Es ist der Schläger von Donny Donowitz aus Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“ (2009). Jüdische Bewohner Bostons haben darauf die Namen ihrer von den Deutschen mutmaßlich ermordeten europäischen Verwandten geschrieben. Mit dem Schläger wird Donowitz an einem Wehrmachtsoldaten Rache üben.

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Das Jüdische Museum in Frankfurt am Main zeigt noch bis 17. Juli eine Ausstellung über die Rache in der jüdischen Kulturgeschichte. Die Schau „Rache. Geschichte und Fantasie“ spanne einen Bogen von biblischen Erzählungen über rabbinische Schriften, judenfeindliche Mythen und jüdische Legenden bis hin zu populärkulturellen Erzählungen, erläuterte die Direktorin Mirjam Wenzel am Donnerstag. Die erste Ausstellung zu diesem Thema ziele am Ende auf die Frage von Gerechtigkeit nach und angesichts der Schoah.

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Die Schau stellt als Beispiele biblischer Rächerfiguren Judith und Samson im Spiegel von Gemälden, Kunstgegenständen und der Populärkultur vor. Wie Judith den assyrischen Heerführer Holofernes enthauptet, zeigt etwa das Gemälde von Jacopo Ligozzi (1547-1627) aus den Uffizien in Florenz in vertrauter Form. Anders sieht es bei dem US-amerikanischen Künstler Kehinde Wiley aus: „Judith und Holofernes“ zeigt eine afroamerikanische Frau, die das abgeschlagene Haupt einer blonden Frau in der Hand hält. Das Werk löste in den USA Kontroversen aus.

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Rache

Die Legenden der Figuren Lilith und Golem erfuhren tiefgreifende Wandlungen, wie Bilder, Plakate, Comics und archäologische Stücke zeigen: Galt Lilith im Altertum als bedrohlicher Dämon, so wertete die Frauenbewegung in der Neuzeit sie als Verkörperung weiblichen Selbstbewusstseins um. Stand die Figur des Golems zuerst für die schöpferische Macht gebildeter Rabbiner, wurde daraus in der Populärkultur des 20. Jahrhunderts ein Supermann, der das Böse, insbesondere dessen Inkarnation im Nationalsozialismus, bekämpft.

„„Der Zug der Gerechtigkeit ist abgefahren. Die Täter können nicht mehr verurteilt werden.““

Die Schau führt über Exkurse zu jüdischen Piraten, Räuberbanden im 18. und 19. Jahrhundert und Gangstern in den USA der 1930er und 40er Jahre zu Rächern gegen den NS-Terror. Eine Zigarettenschachel mit einem stichwortartigen Aktionsplan, der Grundriss des Tatorts und ein Foto der Tatwaffe illustrieren einen Mord: David Frankfurter (1909-1982) erschoss 1936 in Davos den Landesgruppenleiter der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz, Wilhelm Gustloff. Seine nach dem Krieg geschriebenen Memoiren tragen den Titel „Nakam“ (Rache).

Letzte Worte von Jüdinnen und Juden

Zielpunkt ist die Station, „die uns mitgenommen hat“, wie Direktorin Wenzel einräumt: „Wie viele letzte Worte von Jüdinnen und Juden vor ihrer Ermordung in der Schoah die Aufforderung zu Rache sind.“ Zitate hängen auf Tafeln an der Wand, etwa: „Ich wollte und will leben, um den Tod von Papa und Mama zu rächen und meiner geliebten kleinen Schwester Nelli.“ Dies schrieb Marcel Nadjari, der als Mitglied des Sonderkommandos im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau die Leichen aus den Gaskammern schaffen musste und überlebte.

Tatsächlich verübten nur einzelne Juden nach Kriegsende Racheakte an den Tätern. Die Ausstellung erinnert an den Wilnaer Partisanen Abba Kovner (1918-1987) und seine Gruppe „Nakam“. Sie scheiterte mit dem Plan, die Trinkwasserversorgung Nürnbergs zu vergiften. Was ihnen gelang, war, nachts in einer Großbäckerei 3.000 Brote mit Arsen zu bestreichen, die in ein Lager mit SS-Kriegsgefangenen geliefert wurden. Nach dem Verzehr zeigten mehrere hundert deutsche Soldaten Vergiftungserscheinungen, aber keiner starb.

Nicht nur eine Opfergeschichte

Die Ausstellung einschließlich des Begleitprogramms komme dem Selbstverständnis vor allem jüngerer Jüdinnen und Juden nach, ihre Geschichte nicht nur als Opfergeschichte zu verstehen, erklärte Direktorin Wenzel. Sie suchten eine Position zwischen Bedrohung und Empowerment (Selbstermächtigung).

Die Gewalt gegen Juden seit Jahrtausenden löse nicht nur Angst und Trauer aus, sondern auch Wut und Empowerment, sagte der Ideengeber der Schau, der Lyriker und Publizist Max Czollek. Junge Jüdinnen und Juden wollten selbstbewusst leben. Eine Begegnung auf Augenhöhe in Deutschland gebe es aber erst, wenn sich Juden von der Versöhnungserwartung der Nichtjuden befreiten. „Wir sind untröstlich, dass in der Schoah so viele Juden umgekommen sind“, sagte Czollek. „Der Zug der Gerechtigkeit ist abgefahren. Die Täter können nicht mehr verurteilt werden.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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