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Plädoyer der Verschiedenheit

Verein „RomAnity“ will Sinti und Roma von Klischees befreien

Am 8. April findet zum 32. Mal der Welt-Roma-Tag statt. Sinti und Roma werden als Minderheit auch heute noch mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Der junge Verein „RomAnity“ aus München will das ändern.

Von Donnerstag, 07.04.2022, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.04.2022, 15:40 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Alfred ist Künstler, Robert ist Rapper, Yuli ist Grundschullehrer, Jeany Tanzpädagogin und Atide hat gerade ihre Abschlussarbeit an der Uni Mannheim abgegeben. Sie alle gehören zur Minderheit der Sinti und Roma – und alle fünf wurden, trotz vollkommen unterschiedlicher Biografien, mit ähnlichen Klischees und Vorurteilen konfrontiert.

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Um neue Bilder in die Köpfe zu bringen, haben Alfred, Robert, Yuli, Jeany und Atide deshalb ihre Lebensgeschichten erzählt. Zusammen mit Studierenden der Hochschule für Film und Fernsehen in München und dem Verein „RomAnity“ ist daraus der Film „Sinti und Roma in München und Oberbayern: Menschen. Bilder. Heimat“ entstanden. Zu sehen ist er diesen Freitag anlässlich des Welt-Roma-Tags im Café Bellevue di Monaco in München.

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Gerne Romni sein

Atide zum Beispiel ist gerne Romni – und zeigt das auch. Auf ihrem Instagramprofil lässt sie Menschen an ihrem Leben teilhaben und informiert in kurzen Videos zum Beispiel über die Sprache der Roma, die „Romanes“ heißt. Für sie geht es um „Empowerment“ – sie will andere bestärken, ihre Zugehörigkeit zu den Sinti und Roma zu akzeptieren und zu zeigen. Für die Fotos zum Uniabschluss habe sie sich bewusst in einer traditionellen Tracht der Roma – einem rotschwarzen Kleid mit goldener Verzierung – vor dem Mannheimer Schloss fotografieren lassen. Sie ist überzeugt: „Ich muss mich nicht entscheiden, ob ich Romni oder Deutsche bin – ich kann beides sein.“

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Doch so selbstbewusst war Atide nicht immer. Erst kurz vor ihrer Pubertät erfuhr sie von ihrer Herkunft. Zugleich wiesen ihre Eltern sie an, darüber nicht zu sprechen. Jahrelang habe sie deshalb ihre Zugehörigkeit zu den Roma verschwiegen. Das änderte sich erst bei einer Weltreise. „Ich dachte, ich probiere es mal aus. Wenn es hier nicht klappt, bin ich im nächsten Hostel einfach wieder Atide, die Deutsche.“ Die Rückmeldungen waren meist positiv, und so knüpfte sie eine Verbindung zu ihrer Herkunft als Romni.

Viel zu tun

Mit solchen Geschichten will der Münchner Verein RomAnity – ein Wortspiel aus den Wörter Roma und Humanity – authentische Bilder und Geschichten von Sinti und Roma schaffen. Gründer Radoslav Ganev wünscht sich, „dass man dadurch aufhört, in ihnen eine zusammenhängende Gruppe zu sehen und zu glauben, alle Sinti und Roma wären gleich“. Seit mehr als 700 Jahren sind sie in ganz Europa beheimatet und bilden in jedem ihrer Heimatländer – dazu gehören neben Deutschland unter anderem Bulgarien, Ungarn und viele mehr – eine Minderheit. Auch ihre Religionszugehörigkeiten unterscheidet sich je nach Herkunftsland.

Viel erreicht habe bereits der Zentralrat der Sinti und Roma mit Sitz in Heidelberg. „Ohne ihn wäre die Anerkennung des Genozids an den Sinti und Roma im Dritten Reich nicht möglich gewesen“, sagt Ganev. Seit 1997 haben sie in Deutschland den Status einer anerkannten Minderheit. Und erst im März 2022 berief die Bundesregierung den ersten Beauftragten gegen Antiziganismus. Dennoch bleibe noch viel zu tun, betont Zentralratsvorsitzender Romani Rose: „Studien zeigen, dass die gesellschaftliche Ablehnung von Sinti und Roma noch immer hoch ist.“ Kulturelle Identität bilde aber keinen Gegensatz zur nationalen Identität: „Sinti und Roma sind immer Teil der Gesellschaften ihrer Heimatländer.“

600 Jahre Ausgrenzung

Info: Der Themen-Abend zum Welt-Roma-Tag findet am 8. April um 19.00 Uhr im Cafe Bellevue di Monaco statt und zeigt den Film „Sinti und Roma in München und Oberbayern: Menschen. Bilder. Heimat“. Parallel dazu wird ein Stream auf der Website von Bellevue di Monaco angeboten.

Der Verein RomAnity will das Erreichte nun weiter entwickeln und neue, zusätzliche Wege auch über die sozialen Netzwerke einschlagen, betont Radoslav Ganev. Seine Herkunft als Rom hat auch er lange Zeit nicht thematisiert. Vor allem auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt haben Sinti und Roma in Deutschland seiner Erfahrung nach mit Vorurteilen zu kämpfen. Erst als er sich finanziell abgesichert und gesellschaftlich anerkannt fühlte, lernte er, seine ethnische Herkunft zu akzeptieren.

„600 Jahre Ausgrenzungsgeschichte lassen sich nicht so schnell überwinden“, sagt Ganev. Aber er habe Hoffnung, dass die Geschichte der Sinti und Roma in Zukunft immer bekannter werde und auch ihren Platz in den Schulen finde. Atide wiederum wünscht sich, dass man beim Antiziganismus in den nächsten Jahren eine ähnliche Sensibilität erreiche wie beispielsweise bei Antisemitismus oder Rassismus. „Ich bin schon vielen offenen und interessierten Menschen begegnet“, sagt die junge Frau, „das gibt mir Hoffnung, dass sich in der Mehrheitsgesellschaft etwas ändern kann.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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