Helen Schwenken im Gespräch
Geflüchtete und Helfer brauchen Anlaufstellen
Die Osnabrücker Soziologin Helen Schwenken sieht die Gesellschaft insgesamt gut aufgestellt für die Unterbringung und Unterstützung von Geflüchteten aus der Ukraine. Für private Wohnraumanbieter mahnt die Leiterin des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück im Gespräch aber klare Regeln und unabhängige Anlaufstellen an.
Von Martina Schwager Dienstag, 19.04.2022, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.04.2022, 7:18 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Hilfsorganisationen und Kommunen mahnen derzeit Privatleute, sich gut zu überlegen, ob sie privaten Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stellen wollen, gerade wenn es sich nur um einzelne Zimmer oder Betten handelt. Wie sehen Sie das?
Helen Schwenken: Werden Geflüchtete bei völlig fremden Privatpersonen auf engem Raum untergebracht, kann es tatsächlich Probleme geben. Manchmal werden die Gäste auch zu sehr bevormundet. Für private Unterkünfte sollten klar kommunizierte Regeln gelten. Die Daten der Unterkunft Gebenden müssen erfasst werden. Beide Seiten müssen sich bei Problemen an eine unabhängige Stelle wenden können. Menschen, die spontan Hilfe leisten wollen, sollten immer professionell begleitet werden. Das können auch Ehrenamtliche machen, die viel Vorerfahrung aus der Flüchtlingsunterstützung 2015/16 haben.
Was brauchen die Geflüchteten noch an Hilfen?
Sie werden langfristig psychologische Unterstützung brauchen. Der emotionale Zusammenbruch kommt häufig erst nach einer Weile. Zudem wird sich erst im Laufe der Zeit klären, wie die Situation in den jeweiligen Heimatregionen ist, wie und wo Verwandte sich aufhalten und wie es ihnen geht – und bei vielen leider auch, ob die Partner oder Väter noch leben.
Wie beurteilen Sie das Angebot professioneller Sprachkurse – gibt es genügend davon? Sollte es auch wieder Ehrenamts-Initiativen geben?
Für den Anfang sind ehrenamtliche Angebote als Einstieg oder Ergänzung wichtig und sinnvoll. Sehr oft ist der ehrenamtliche Unterricht auch professionell. So beginnen pensionierte Lehrerinnen und Lehrer, sich wieder kräftig zu engagieren. In meiner Forschung habe ich das gerade erleben dürfen. In einer der Städte, deren Willkommenskultur wir seit 2015 untersuchen, wird der Sprachkurs reaktiviert, der seit 2015 lief und mit Corona eingeschlafen war.
Wie sollen die Schulen mit den zusätzlichen Kindern umgehen?
Das ist eine große Zusatzanstrengung – und zugleich sind viele Schulen und Eltern unglaublich engagiert. Die Schulen haben seit 2015 viel gelernt, und es gibt wissenschaftliche Studien zu den unterschiedlichen Modellen in den Bundesländern. Ein Ergebnis ist, dass eine zu lange Trennung in Willkommensklassen sich nicht gut auf die soziale Integration der Kinder und Jugendlichen auswirkt. Am besten sind Mischmodelle, in denen die Kinder intensiven Sprachunterricht erhalten, aber trotzdem am Unterricht mit Gleichaltrigen teilnehmen können.
Vereinzelt begegnen sich Zuwanderer untereinander mit Ressentiments. Manche der 2015 und 2016 Geflüchteten fühlen sich jetzt wie Migranten zweiter Klasse. Wie kann da gegengesteuert werden?
Es ist wichtig, dass ein Austausch organisiert wird. Denn auch die Situation der Ukrainerinnen und Ukrainer ist alles andere als sicher. Sie sind zwar erstmal legal hier und müssen keinen Asylantrag stellen. Sie erhalten auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Aber sie sind in großer Sorge um ihre Partner und Väter, die die Ukraine nicht verlassen dürfen. Um Konflikte zu vermeiden, sollten beide Gruppen die Situation der jeweils anderen kennenlernen. (epd/mig) Aktuell Interview Panorama
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