Flüchtlingspolitik
Wir müssen private Seenotrettung stärken
SPD-Bundestagsabgeordneter Hakan Demir: Wir arbeiten daran, aber eine europäische Seenotrettungsmission im Mittelmeer wird nicht von heute auf morgen kommen. Deshalb müssen wir private Seenotrettung stärken.
Von Hakan Demir Dienstag, 03.05.2022, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 03.05.2022, 14:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Vergangene Woche trieb ein Schlauchboot mit 70 Menschen an Bord vor der libyschen Küste. Sie alle waren auf der Flucht nach Europa – unter ihnen auch 17 unbegleitete Minderjährige. Das Boot verlor Luft, drohte zu kentern. Nur dank des Einsatzes des Schiffes Ocean Viking der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée konnten alle 70 Menschen gerettet werden. Für viele Menschen endet die Flucht jedoch tödlich – allein im Jahr 2021 verloren über 1500 Flüchtende im Mittelmeer ihr Leben.
Was hat die Militärmission EUVAVFOR MED IRINI (kurz „IRINI“), über deren weitere Bundeswehr-Beteiligung am vergangenen Freitag im Deutschen Bundestag abgestimmt wurde, mit diesen Schicksalen zu tun? Hauptzweck von IRINI ist die Einhaltung des UN-Waffenembargos gegen Libyen – ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Landes.
Doch die Präsenz der IRINI-Schiffe im Mittelmeer könnte auch die Seenotrettung stärken. Aktuell rettet IRINI niemanden aus Seenot. Die Schiffe operieren zu weit östlich. Der Beschluss des Bundestages ermöglicht jedoch den Einsatz vor der gesamten libyschen Küste. Eine Ausweitung des Operationsgebiets mit unseren europäischen Partnern muss damit das nächste Ziel sein. Dass dies möglich ist, zeigen die Erfolge der Vorgänger-Mission SOPHIA: Sie rettete über 50.000 Menschen aus Seenot, eben weil die Schiffe der Mission näher an den typischen Fluchtrouten kreuzten.
„Eine wichtige Entscheidung ist, dass die libysche Küstenwache bei der Seenotrettung kein Partner sein kann.“
Eine wichtige Entscheidung ist, dass die libysche Küstenwache bei der Seenotrettung kein Partner sein kann. Die libysche Küstenwache hat wiederholt Flüchtlingsboote attackiert – sogar mit Schusswaffeneinsatz. Ihre Menschenrechtsverletzungen sind gut dokumentiert, beispielsweise durch Amnesty International. Deshalb beendet die Ampel-Regierung die Ausbildungskooperation der Bundeswehr mit der libyschen Küstenwache. Wer die Menschenrechte so fundamental missachtet, kann kein Partner für uns sein.
„Gleichzeitig ist aber auch klar, dass eine europäische Seenotrettungsmission nicht von heute auf morgen kommen wird. Wir müssen deshalb auch die private Seenotrettung stärken.“
Zusätzlich zur IRINI-Mission setzen wir uns weiter für eine europäische Seenotrettungsmission ein – öffentlich finanziert und organisiert, mit See- und Luftaufklärung und einem abgestimmten Verteilmechanismus über die gesamte EU. Denn Seenotrettung und die Schaffung von sicheren Häfen darf nicht nur Aufgabe der Mittelmeerstaaten sein. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass eine europäische Seenotrettungsmission nicht von heute auf morgen kommen wird. Wir müssen deshalb auch die private Seenotrettung stärken, denn sie hilft schon jetzt. Den erfolgreichen Einsatz von SOS Méditerranée habe ich eingangs erwähnt. Auch Organisationen wie Sea Watch, Ärzte ohne Grenzen und andere retten Menschenleben. Die private Seenotrettung muss daher ungehindert ihrer Arbeit nachgehen könne, effektiv von IRINI- und Frontex-Schiffen angefunkt werden und Zugang zu öffentlichen Mitteln erhalten.
Der Beschluss des Deutschen Bundestags zu IRINI ist dabei ein erster wichtiger Schritt für die Wahrung der Menschenrechte im Mittelmeer – weitere müssen folgen. Meinung
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