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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Freiheit ist die einzige, die failed

Heute schauen wir mal ein Stück in eine Zukunft, auf dieses Jahrzehnt, das noch in seinen Kinderschuhen steckt und das unweigerlich weitere Fluchtbewegungen erleben wird.

Von Montag, 30.05.2022, 19:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.05.2022, 16:08 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Allzu häufig sprechen wir hier über Flüchtlingsbewegungen, über Menschen, denen wir Europäer das Recht auf Leben, auf Wohlbefinden, aufgrund ihrer Herkunft kategorisch verweigern – oder darüber, dass wir ihnen gelegentlich in einem Akt geradezu unermesslicher Gnade dann doch einmal erlauben, vor amerikanischen Splitterbomben und Drohnenterror zu uns zu flüchten, wo doch die amerikanischen Drohnen schließlich auch aus dem beschaulichen Ramstein heraus gesteuert werden.

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Heute schauen wir allerdings mal ein Stück in eine Zukunft, auf dieses Jahrzehnt, das noch in seinen Kinderschuhen steckt und das unweigerlich weitere Fluchtbewegungen erleben wird. Im Speziellen will ich eine kommende Fluchtbewegung thematisieren, bei der auch meine ersten Reflexe ein emphatisches „Wir können ja nicht alle aufnehmen!“ und „Die wollen wir hier nicht!“ sind.

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Es lässt sich vor unser aller Augen gerade wieder ein state im failen beobachten, die Machtübernahme einer fundamentalistischen Elite, die immer unverfrorener und tabuloser vorgeht, die Frauenrechte Schritt für Schritt einkassiert, die Wahlen einschränkt, die keinen Respekt vor demokratischen Gepflogenheiten kennt und die durch ihre inkompetente Regierung, die ich nicht einmal allein in einen Bus setzen würde, ohne vorher mit dem Fahrer gesprochen zu haben, darin nur noch bestärkt wird. Und das alles „tief im Westen“, wie einst Helmut Gröhlemüller sang.

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„Wie wenig die US-amerikanische Demokratie noch taugt, zeigte sich jüngst im Anschlag von Uvalde.“

Wie wenig die US-amerikanische Demokratie noch taugt, zeigte sich jüngst im Anschlag von Uvalde. Während sehr schnell alle wieder diskutierten und zumindest einige forderten, was nun wirklich helfen würde: Ausbau der Schulen zu Festungen mit nur einem einzigen Ein- und Ausgang, bewaffnete Freizeitpolizisten, bewaffnete Lehrer, mehr Waffen, hörte man aus der Gegenrichtungen nur Miesmacherei darüber, was denn wohl passiere, wenn in einer solch hermetisch abgeriegelten Schule ein Feuer ausbräche (statt anzuerkennen, wie oft eben auch kein Feuer ausbricht), oder dass so viele Schießereien doch außerhalb von Schulen stattfänden, und in der Folge natürlich auch der unweigerliche Ruf danach, Amerikaner vor dem Verkauf einer Waffe doch ernsthaft auf eine frühere kriminelle Karriere oder ihre charakterliche Eignung zu prüfen – gehts noch?!

Und so taten die Republikaner, das Einzige, was ihnen in dieser Situation noch übrigblieb, um eine Politisierung eines politischen Problems zu verhindern: Sie gingen einfach nach Hause – denn nicht Waffen töten Menschen, Menschen töten Menschen; Menschen mit Waffen. Derweil geistert parallel durch die Medien, dass Donald Trump den Ruf, seinen eigenen Vizepräsidenten Mike Pence während des Sturms auf das Kapitol zu hängen, sehr wohlwollend kommentiert haben soll.

Die derzeitige Entwicklung der USA kennt nur eine Richtung: Abwärts. Und während der Aufstieg Chinas durch eine politisch wie mental deutlich stabilere Führung geprägt ist, verweist der ein oder andere längst Historiker darauf, dass die Ablösung einer Weltmacht durch eine andere stets durch große Gewalt entweder im Innern oder nach außen – oder beides – geprägt ist. Der Niedergang der USA wird sich mit einem weiter nach der Macht greifenden Don Trump und einer ihm hörigen Grand Old Party jedenfalls kaum verlangsamen, die USA bröckeln und zerbröckeln, rapide.

„Natürlich ist heute noch nicht vorhersehbar, ob es in der Folge noch in diesem Jahrzehnt zu massenhaften Ausreisewellen aus den USA kommen wird, doch auch Dank des Internets werden die Bürger dort nach und nach mitbekommen, dass die USA wohl doch nicht das Paradies sind.“

Natürlich ist heute noch nicht vorhersehbar, ob es in der Folge noch in diesem Jahrzehnt zu massenhaften Ausreisewellen aus den USA kommen wird, doch auch Dank des Internets werden die Bürger dort nach und nach mitbekommen, dass die USA wohl doch nicht das Paradies sind, dass ihnen in der Schule nach dem täglichen Fahneneid in die Hirne gestanzt wurde, dass man in Europa wohl doch bereits fließend Wasser, Strom, gar Autos besitze, und das es vielleicht gar nicht mal so gut ist, wenn jede kleinere Krankheit, jeder Unfall den persönlichen Ruin bedeuten kann, weil die Krankenversicherung, für die man mehr bezahlt als jeder andere Bürger einer westlichen Nation, sich einfach entscheiden kann, nicht zu zahlen – so dass man mit den überteuerten Rechnungen, die sich ein Europäer nicht einmal in seinen dunkelsten Träumen ausmalen kann, allein gelassen ist (Stichwort: $25.000 für eine Geburt ganz ohne Komplikationen,$16.000 obendrauf für einen Kaiserschnitt, $40 für einmal Baby halten nach der Geburt – und dabei ist so eine Schwangerschaft hin und wieder nicht einmal ein Unfall).

Und auch wenn manch einer schon lästert, die USA seien eine Idiokratie, ein Volk von Idioten, von schulschwänzenden Cheerleadern und Footballern, weil nämlich alle, die zur Schule gegangen sind, irgendwann abgeknallt worden seien, werden die Menschen dort wohl doch irgendwann auf die Idee kommen, dass die Dystopie, in die die Republikaner und Demokraten ihr Land verwandeln – und vor der sie sich in Superhelden-Epen flüchten, als käme schon irgendwann ein Captain in Siri-Rüstung, ein radioaktives Whatchamacallit oder zumindest ein Army-Veteran, der seine alte Ausrüstung hat mitgehen lassen, um ihren Arsch zu retten – eine nationale und keine internationale ist, dass man vor Gewalt und Armut ja flüchten könnte, über das Meer, so wie die Afrikaner; und darauf, dass der Atlantik zwar ein kleines bisschen größer seien könnte als das Mittelmeer, Fett dafür aber oben schwimmt und sie es daher schon schaffen würden.

„Wir können halt nicht alle aufnehmen. Die passen nicht zu uns. Die wollen wir hier nicht. Die sollen mal schön nach Hause paddeln und ihre Fluchtursachen bekämpfen. „

Und dann wird es schließlich auch noch die geben, die doch gelegentlich Unterricht in Geografie statt in Bibelkunde hatten, noch dazu bei echten Lehrern, statt bei den Eltern im Heimunterricht, und die darüber hinaus genug Geld vor den Krankenhäusern haben in Sicherheit schaffen können, um per Boot oder Flugzeug herzukommen.

Und dann wird es uns leidtun, aber: Wir können halt nicht alle aufnehmen. Die passen nicht zu uns. Die wollen wir hier nicht. Die sollen mal schön nach Hause paddeln und ihre Fluchtursachen bekämpfen. Diese Härte müssen wir uns zumuten, so weh es auch tut. Wir dürfen uns nicht durch unsere Menschlichkeit erpressbar machen lassen. Meinung

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