„Zweiklassensystem“
CSU will Studiengebühren für ausländische Studierende
Sachsen und Baden-Württemberg haben es vorgemacht und sich die Finger verbrannt: Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer. Ungeachtet schlechter Erfahrungen will jetzt auch Bayern ausländische Studierende zur Kasse zu bitten. Studentenorganisationen sprechen von einem „Zweiklassensystem“.
Von Ekrem Şenol Donnerstag, 23.06.2022, 15:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.06.2022, 15:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Bundesländer Sachsen und Baden-Württemberg haben bereits Erfahrung gesammelt mit Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer: In Sachsen erheben aus Angst vor ausbleibenden Studierenden bisher nur zwei Musikhochschulen die optionalen Gebühren und bitten Studierende zur Kasse. In Baden-Württemberg hat die schwarz-grüne Landesregierung 2017 eine generelle Campusmaut erlassen. Dort müssen Nicht-EU-Studierende pro Semester 1.500 Euro zahlen.
Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) hat nachgerechnet und kommt zu einem klaren Ergebnis: Zwischen 2016 und 2021 ist die Zahl ausländischer Studierender in Baden-Württemberg um mehr als 36 Prozent eingebrochen. ABS spricht von einer „Abwärtsspirale der De-Internationalisierung“. Denn im selben Zeitraum befanden sich Hochschulen in anderen Bundesländern auf Wachstumskurs. Angesichts dieser Bilanz hat Nordrhein-Westfalen von gleichlautenden Plänen Abstand genommen.
Zwei-Klassen-System im Hörsaal
Nicht so Bayern. Am Montag wurde das „Hochschulinnovationsgesetz“ zum ersten Mal im Wissenschaftsausschuss diskutiert. Es eröffnet nach dem sächsischen Modell den Hochschulen die Möglichkeit, für das Studium ausländischer Studierender Gebühren zu erheben. In den CSU-Reihen wird es gelobt als „großer Wurf“ und „große Reform“.
Ganz anders fällt die Bewertung von Studierendenorganisationen aus. Daryoush Danaii vom freien Zusammenschluss von Student:innenschaften (fzs) spricht von einem „Zwei-Klassen-System im Hörsaal“. Vanessa Gombisch vom Bundesverband ausländischer Studierender kritisiert: „Mit diesem Schritt erweist Bayern der Bildungsgerechtigkeit einen Bärendienst. Zu den ohnehin hohen Lebenshaltungskosten in Bayern kommt mit den Studiengebühren nach Gutdünken der Hochschulen eine weitere finanzielle Hürde hinzu, die die soziale Selektion noch weiter vorantreibt“.
Fachkräftemangel
Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Matthias Anbuhl, bezeichnet Studiengebühren mit Blick auf die finanzielle Situation ausländischer Studierender in Deutschland als „Gift für die Chancengleichheit“. Probleme mit der Studienfinanzierung stünden bei den rund 325.000 internationalen Studierenden in Deutschland mit an erster Stelle der Schwierigkeiten. Die faktischen Kosten eines Studienaufenthalts in Deutschland bereiteten ihnen große Probleme.
Auch angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland sprechen gewichtige Argumente dafür, Studierende aus dem Ausland anzulocken. Die Internationalisierung des Hochschulsystems ist ein fester Teil dieser bundesweiten Strategie und trägt Früchte: Die Zahl ausländischer Studierender steigt in Deutschland seit Jahren. Im internationalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe liegt Deutschland zwar weiter hinter den USA, Australien und dem Vereinigten Königreich, ist aber wichtigstes nicht-englischsprachiges Gastland für Studierende weltweit.
„Wir brauchen Sie in Bayern.“
Davon profitiert in erster Linie der deutsche Arbeitsmarkt. Einer Studie des Sachverständigenrates zufolge wollen auch 70 Prozent der internationalen Studierenden nach erfolgreichem Hochschulabschluss in Deutschland bleiben. Und selbst wenn sie wieder ausreisen, profitiert Deutschland von ihnen, weil sie – ausgestattet mit Sprachkenntnissen und vertraut mit deutschen Gepflogenheiten – in ihren Heimatländern zu wichtigen Brückenbauern werden. Das spielt dem Exportweltmeister ebenfalls in die Hände.
In Bayern stehen andere Faktoren im Vordergrund. Das Boulevardblatt „Bild“ zitiert Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) wie folgt: „Es soll aber nicht sein, dass beispielsweise chinesische Studenten bei uns im großen Maßstab ihre Ausbildung erhalten und dann in ihrem Heimatland arbeiten und die Kenntnisse anwenden“.
In einer Informationsbroschüre des Bayerischen Innenministeriums aus dem Jahr 2011 hieß es noch: „Wir brauchen Sie in Bayern“. Gemeint waren ausländische Studierende. (mig/es) Leitartikel Politik
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Gute Ausbildung kostet nun mal. Aktuell – nur den Steuerzahler. Wenn Menschen im Anschluss an ein Studium bei uns bleiben und arbeiten könnte das Geld im Nachhinein erlassen werden.
Wenn sie dann aber nur das Studium „mitnehmen“ und dann gehen – sollten sie für die Ausbildung gerne auch etwas dalassen.