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Unbekannter Star der Bildhauerei

Retrospektive von Isamu Noguchi im Kölner Museum Ludwig

Der amerikanisch-japanische Bildhauer Isamu Noguchi gilt als einer der bedeutenden Bildhauer der 20. Jahrhunderts, ist hierzulande aber wenig bekannt. Das Kölner Museum Ludwig präsentiert ab Samstag das ungewöhnlich vielfältige Werk des Künstlers.

Von Donnerstag, 14.07.2022, 16:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 13.07.2022, 11:21 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Isamu Noguchi (1904-1988) hat mit seinem Werk an prominenten Orten Spuren hinterlassen: Am New Yorker Rockefeller Center, bei der Unesco in Paris oder im Jerusalemer Israel Museum. Er war bei der Documenta in Kassel vertreten und repräsentierte die USA bei der Biennale in Venedig. Dennoch sei Noguchi in Europa eher ein „unbekannter Star“, sagt die stellvertretende Direktorin und Kuratorin des Kölner Museums Ludwig, Rita Kersting. Mit einer Retrospektive will das Museum den geschätzten, aber häufig übersehenen Bildhauer und Designer ins Licht rücken.

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Die Ausstellung „Isamu Noguchi“, die bis zum 31. Juli zu sehen ist, ist die erste umfassende Überblicksschau des Künstlers in Europa seit 20 Jahren. Zu sehen sind 150 Werke aus allen seinen Schaffensphasen. Ein Grund für seine mangelnde Bekanntheit: Noguchis Werk ist in seiner Vielfalt schwer zu fassen. Er schuf Skulpturen aus Stein, Metall, Kunststoff und Holz in unterschiedlichsten Formaten. Der Künstler entwarf Gärten, Spielplätze und Spielgeräte, von denen eines in der Ausstellung steht. Zugleich kreierte er Möbel, Papierleuchten und Bühnenbilder. Und Noguchi beschäftigte sich mit chinesischer Tuschezeichnung sowie japanischer Keramik-Kunst.

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Die ganze Breite dieses Werks ist in der Kölner Ausstellung vertreten, wobei Noguchis Außenarbeiten in Form von Fotografien oder Videos gezeigt werden. Einen ersten Eindruck von der Vielfalt Noguchis vermittelt ein Ensemble von Porträtköpfen aus unterschiedlichen Materialien am Eingang der Ausstellung. Zu Beginn seiner Künstlerlaufbahn verdiente sich Noguchi damit sein Geld. Hier begegnen den Besucherinnen und Besuchern unter anderem Menschen, mit denen Noguchi zusammenarbeitete, etwa die Choreografin Martha Graham, für die er Bühnenbilder schuf, oder der Architekt Buckminster Fuller.

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Bruch mit alten Kulturtechniken

Organisch geformte, abstrakte Skulpturen aus blank poliertem Metall erinnern an Noguchis Lehrjahre als Assistent im Pariser Atelier des berühmten Bildhauers Constantin Brancusi Ende der 20er Jahre. Im Anschluss reist er von Paris nach China, wo er bei Qi Baishi Tuschmalerei lernt. In Japan geht er anschließend in die Lehre im Atelier des Keramik-Künstlers Jinmatsu Uno. Noguchi greift diese alten Kulturtechniken auf, bricht jedoch zugleich mit der Tradition.

In seinen großformatigen Tuschezeichnungen kombiniert er den chinesischen Pinselstrich mit feiner figürlicher Zeichnung. Mit seinen Terrakotta-Arbeiten kehrt er die chinesischen Einflüsse auf die japanische Keramikkunst heraus. Die Keramikskulptur eines Mädchens nennt er provokativ „Chinese Girl“ – ein Affront für die damals mit China verfeindeten Japaner.

Markenzeichen: Interkulturalität

In den 30er Jahren entstehen Arbeiten, die sich mit sozialen Problemen und politischen Themen beschäftigen. Das großformatige Relief „History Mexico“ in einer Markthalle in Mexico City thematisiert 1936 das Schicksal der Arbeiter im Zuge der Industrialisierung und die Bedrohung durch den Faschismus. 1938 schuf er für die Zentrale der Nachrichtenagentur Associated Press im New Yorker Rockefeller Center ein Relief, das mit den Figuren von fünf Journalisten die Pressefreiheit symbolisiert.

Die Interkulturalität ist Zeit seines Lebens ein Markenzeichen Noguchis. Als Sohn eines Japaners und einer Amerikanerin wächst er in beiden Ländern auf. Er reist zwischen den Kontinenten hin und her und wird nirgendwo dauerhaft heimisch. Ein Einschnitt in seinem Leben ist die Internierung von Amerikanern mit japanischen Wurzeln im Westen der USA nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour 1941. Noguchi, der zu dieser Zeit in New York lebt, begibt sich freiwillig in ein Internierungslager in Arizona, um dort als Künstler die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Er entwirft einen Park, der nicht realisiert wird.

Zwei Jahre nach Hiroshima und Nagasaki

Die traumatische Erfahrung der Internierung verarbeitet er in seinen surrealistischen Skulpturen, die sogenannten „Interlocking Sculptures“. Die Figuren erinnern teilweise an menschliche Körper, deren Elemente wie schlaffe Glieder oder Knochen ineinandergreifen. Sie lassen sich auseinandernehmen und wieder zusammenstecken. Er überträgt dieses Prinzip auch auf Möbel-Design. Sein „Coffee Table“ aus einer Glasplatte auf zwei Holzelementen wird bis heute produziert.

Noguchis visionäre Kraft zeigt sich an einem nicht realisierten Entwurf, der am Ende der Ausstellung an die meterhohe Saalwand projiziert wird. Der Plan zu „Sculpture to Be Seen from Mars (Memorial to Man)“ entsteht 1947, zwei Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Noguchi wollte ein riesiges, abstraktes Gesicht aus Wüstensand formen, das vom Weltall aus sichtbar wäre. Damit nimmt er nicht nur die Entwicklung der Raumfahrt vorweg, sondern auch die „Land Art“, eine Kunstströmung, die Ende der 60er Jahre in den USA entsteht. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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