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Wegbereiter der Kinderrechte

Vor 80 Jahren wurde Janusz Korczak im Lager Treblinka ermordet

Der Pädagoge Janusz Korczak setzte sich schon vor über 100 Jahren dafür ein, Kinder und ihre Rechte zu achten. 1942 deportierten die Nazis die jüdischen Mädchen und Jungen seines Waisenhauses. Korczak stand an der Seite der Kinder - bis zum Tod.

Von Sonntag, 07.08.2022, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.08.2022, 14:52 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Er war Arzt, Pädagoge und Schriftsteller, vor allem aber ein Kinderfreund. Als die 192 Kinder seines jüdischen Waisenhauses Anfang August 1942 aus dem Warschauer Ghetto ins nationalsozialistische Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden, ging Janusz Korczak mit ihnen.

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Sein langjähriger Sekretär Igor Newerly schrieb: „Bei meinem letzten Besuch im Ghetto hätte er mit mir gehen können, denn ich hatte noch einen gefälschten Passierschein bei mir. Er lehnte ab. Mehr noch, er war überrascht. Er hatte ganz einfach nicht von mir erwartet, dass ich ihm einen so nichtswürdigen Vorschlag unterbreiten würde – die Kinder angesichts des Todes im Stich zu lassen.“

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So zitiert Friedhelm Beiner, Mitherausgeber von Korczaks „Sämtlichen Werken“ (1996), diesen „glaubwürdigen ersten Nachlassverwalter von Korczaks Schriften“, wie er per Mail attestiert. Vor wenigen Jahren legte das Bezirksgericht Lublin den offiziellen Todestag Korczaks auf den 7. August 1942 fest. In diesem Jahr jährt er sich zum 80. Mal.

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Mit den Kindern ins Warschauer Ghetto

In Warschau hatte er seit 1912 ein jüdisches Waisenhaus nach seinen Grundsätzen der „Pädagogik der Achtung“ betrieben. Als die Nazis Polen besetzen, musste er 1940 mit den Kindern ins Warschauer Ghetto übersiedeln, zwei Jahre überlebten sie unter schwierigen Bedingungen, Korczak ging sogar für die Kinder betteln, dann kam der Befehl zur Deportation.

Geboren war der Anwaltssohn am 22. Juli 1878 oder 1879 als Henryk Goldszmit in Warschau, das damals noch Teil des russischen Zarenreichs war. Die assimilierte Familie stand der jüdischen Aufklärung nahe. Der Sohn besuchte ein humanistisches Gymnasium und gab nach dem Tod seines Vaters 1896 Nachhilfestunden, um den Lebensunterhalt der Familie mitzufinanzieren.

„Kinderrepublik“

Er studierte Medizin, berühmt wurde er aber als Pädagoge und Schriftsteller: Schon 1896 hatte er seinen ersten Roman unter dem Titel „Der Gordische Knoten“ verfasst. 1899 gewann er unter dem Pseudonym Janusz Korczak einen Dramatik-Wettbewerb. Zwei Jahre später schrieb er ein Buch über das Schicksal von Straßenkindern.

Damit war sein Weg vorgezeichnet. Von 1904 bis 1911 arbeitete Korczak in einer Kinderklinik, unterbrochen vom Dienst als Feldarzt im Russisch-Japanischen Krieg. 1912 gab er den Arztberuf auf und übernahm die Leitung des jüdischen Waisenhauses Dom Sierot, das nach seinen Plänen errichtet worden war. Hier konnte er seine reformpädagogischen Vorstellungen einer „Kinderrepublik“ realisieren, in der die Kinder selbst regieren, mit einem „Parlament“, „Gericht“ und Zeitung.

„Wegbereiter der Kinderrechte“

„Korczak war ein Visionär der dialogischen Gestaltung von Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen“, erklärt Agnieszka Maluga, Pädagogin an der Hochschule Koblenz und erste Vorsitzende der Deutschen Korczak-Gesellschaft. Der Kern seiner Pädagogik lasse sich auf eine einfache Formel bringen: „Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind es schon.“

Ihre Kollegin Irit Wyrobnik nennt ihn einen „Wegbereiter der Kinderrechte“. Korczak sei einer der ersten gewesen, die Rechte für Kinder eingefordert hätten. „Aber er setzte diese auch in seinen pädagogischen Einrichtungen um“, erklärt Wyrobnik. „Und dies vor mehr als 100 Jahren, lange vor der UN-Kinderrechtskonvention von 1989, lange vor dem Bundeskinderschutzgesetz von 2012 und vor dem Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung von 2000.“

Ideen leben bis heute

Korczaks Ideen lebten noch heute: „Ganz praktisch, wenn wir einen ‚Briefkasten‘, eine ‚Wunschbox‘ in der Kita installieren, um Bitten und Wünsche – und sei es als Zeichnung – der Kinder ernst zu nehmen“, erläutert Wyrobnik. Aber: „Manche seiner Visionen haben sich noch nicht bewahrheitet, etwa, dass es in jeder Schule ein ‚Kameradschaftsgericht‘ geben wird – ein Beschwerdeverfahren, um Kindern Schutz und Partizipation zu gewährleisten.“

Als Korczak im Ersten Weltkrieg einberufen wurde, vertrat ihn seine Mitarbeiterin Stefania Wilczynska, die später mit ihm und den Kindern in die Gaskammern von Treblinka ging. 1919 hatte er die Leitung eines weiteren Waisenhauses, Nasz Dom (Unser Haus), übernommen. Im selben Jahr erschien sein erstes pädagogisches Hauptwerk „Wie liebt man ein Kind“.

Produktive Phase

Die Zwischenkriegszeit war seine produktivste Phase. Er wirkte am Warschauer Institut für Sonderpädagogik als Dozent, war Redakteur der Kinderzeitung „Kleine Rundschau“, plauderte im polnischen Rundfunk als „Alter Doktor“ mit Kindern über Kinder und schrieb Kinderromane. 1929 erschien sein zweites pädagogisches Hauptwerk: „Das Recht des Kindes auf Achtung“. Korczaks Pädagogik sei vor allem „von Wertschätzung und Achtung geprägt“, fasst Wyrobnik zusammen.

Seine Ghetto-Tagebücher von Mai bis August 1942 wurden von Igor Newerly herausgegeben. Posthum erhielt Korczak 1972 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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