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Entgegen Empfehlung

Wittenberger Schmähplastik „Judensau“ bleibt an Ort und Stelle

Die Wittenberger „Judensau“ verbleibt an der Fassade der Stadtkirche. Damit entscheidet sich der Gemeindekirchenrat gegen die Empfehlung eines von ihm selbst beauftragten Expertengremiums.

Mittwoch, 26.10.2022, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.10.2022, 15:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die als „Judensau“ bekannte mittelalterliche Schmähplastik an der Fassade der evangelischen Stadtkirche Wittenberg wird nicht entfernt. Das hat der Gemeindekirchenrat am Dienstagabend in einer Sitzung beschlossen. „Nach einem intensiven Austausch und anfänglich kontroversen Diskussionen sind wir am Ende des Prozesses zu der gemeinsamen Überzeugung gelangt, dass die Stätte der Mahnung als Ganzes erhalten bleiben soll“, sagte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Jörg Bielig, am Mittwoch in Wittenberg.

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Das Relief in vier Metern Höhe zeigt ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Das Spottbild auf die jüdische Religion befindet sich seit etwa 1290 an der Südostecke der Stadtkirche Wittenberg. Eine 1988 vor der Kirche eingelassene Bodenplatte und eine Stele mit Erläuterungen stellen die Plastik in einen distanzierenden Kontext.

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Beirat empfahl zeitnahe Entfernung der Schmähplastik

Ein 2020 vom Gemeindekirchenrat einberufener „Beirat zur Weiterentwicklung der Stätte der Mahnung“ hatte Ende Juli noch eine zeitnahe Entfernung der Schmähplastik empfohlen. Am Expertenrat beteiligt waren unter anderem der Beauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa.

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„Wir haben großen Respekt vor der Haltung des Expertenbeirates, können uns dessen Empfehlungen aber nicht uneingeschränkt anschließen“, erklärte der Gemeindekirchenrat. Die künstlerische Erweiterung durch das 1988 errichtete Bronzedenkmal, der Zeder und dem erklärenden Text auf einer Tafel in unmittelbarer Nähe wandle den beleidigenden und obszönen Charakter der Schmähplastik. Der Ort werde so zu einer Mahnstätte.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

In dieser Auffassung bestätigt sieht sich der Gemeindekirchenrat auch durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Juni, wonach das Relief trotz des antijüdischen Inhalts an seinem historischen Ort verbleiben kann (AZ: VI ZR 172/20). In der Begründung hieß es, dass die Gemeinde sich durch die 1988 eingelassene Bodenplatte und einem erklärenden, einordnenden Text auf einem Aufsteller ausreichend von dem Relief distanziert habe.

Geklagt hatte ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde. Der Mann verlangte eine Abnahme des Sandsteinreliefs, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht. Sein Anwalt hatte noch im Juni angekündigt, dass sein Mandant vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wolle.

Wissenschaftler: Skulptur an Ort und Stelle nutzen

Laut Gemeindekirchenrat wendet sich die „Stätte der Mahnung“ als Anklage an die Verursacher aller Formen von Antisemitismus und Antijudaismus. Eine Weiterentwicklung der Mahnstätte solle den Ort direkt mit einbeziehen. In diesem Sinn folge der Gemeindekirchenrat den Empfehlungen des Beirates, „eine bleibende Kontextualisierung durch ein zeitgemäßes pädagogisches Konzept“ zu schaffen. Neben der Überarbeitung der Erklärtafel seien weitere Informationen zu Antijudaismus und Antisemitismus in der Kirche geplant.

Mit seiner Entscheidung über den Verbleib der Skulptur entspricht der Gemeindekirchenrat auch einer Forderung von mehr als 50 israelischen Wissenschaftlern. In einem offenen Brief Anfang September hieß es, Antisemitismus lasse sich nicht durch Bilderstürmerei stoppen. Anstatt die Skulptur ins Museum zu stellen, sollte sie an Ort und Stelle genutzt werden, um über das Verhältnis von Christen und Juden im Mittelalter aufzuklären. (epd/mig) Aktuell Panorama

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