Klimakonferenz
Welt auf dem Highway zur Klimahölle mit Fuß auf Gaspedal
Arme Länder fordern schon lange von Industriestaaten finanzielle Unterstützung bei klimabedingten Katastrophen. Substanzielle Reaktionen blieben stets aus. Bundeskanzler Scholz machte nun eine Millionenzusage.
Dienstag, 08.11.2022, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 08.11.2022, 12:43 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagt den vom Klimawandel am schwersten betroffenen Ländern finanzielle Unterstützung zu. Bei der Weltklimakonferenz am Montag in Scharm el Scheich sagte er, Deutschland stelle für die Klimarisikofinanzierung 170 Millionen Euro zur Verfügung.
Dabei verwies der Kanzler insbesondere auf eine gemeinsame Initiative der sieben wichtigsten demokratischen Industriestaaten (G7) mit den 20 besonders stark bedrohten Ländern (V20) hin, eine Art Schutzschirm gegen Klimarisiken aufzuspannen. Hierbei handelt es sich um Versicherungen, über die klimabedingte Schäden ausgeglichen werden können. Scholz betonte: „Zu Recht fordern die Staaten mehr internationale Solidarität, die von den Folgen des Klimawandels am härtesten betroffen sind, aber am wenigsten zu seiner Verursachung beigetragen haben. Wir sind bereit, sie noch stärker zu unterstützen.“
Seychellens Präsident: „Unsere Inseln verschwinden“
Im Laufe des Tages hatte sich bereits eine Reihe von internationalen Staats- und Regierungschefinnen und -chefs für die Einführung einer sogenannten „Loss and Damage“-Finanzierung ausgesprochen. Der Präsident der Seychellen, Wavel Ramkalawan, sagte, sein Land benötige Hilfe, um die Schäden zu bewältigen, die die Industriestaaten verursacht hätten. „Unsere Inseln verschwinden“, betonte er.
Die Klimaexpertin des Hilfswerks „Brot für die Welt“, Sabine Minninger, würdigte den angekündigten Schutzschirm als wichtige Maßnahme, um den ärmsten Menschen nach einem Wetterextremereignis schnell wieder auf die Beine zu helfen. Damit erhielten sie direkt nach einer Katastrophe eine Entschädigung in Form von Finanzmitteln oder auch Saatgut, erläuterte sie. Allerdings würden nur Schäden infolge von Wetterextremereignissen abgesichert und nicht etwa solche, die durch schleichende Klimaveränderungen entstehen wie den Meeresspiegelanstieg.
Ägypten ruft Staaten zum Handeln auf
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi rief die Staaten zum Handeln auf. Jede Regierung wisse, was zu tun sei. Es sei nun höchste Zeit, Verantwortung zu übernehmen.
Neben dem Geld für Klimarisikofinanzierung und Schutzschirm sagte Deutschland bei der Konferenz laut Entwicklungsministerium die Verdopplung der Finanzmittel zum Waldschutz von einer auf zwei Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2025 zu. Ministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte, „Wälder sind Heimat für Tier- und Pflanzenarten, aber auch Lebensgrundlage von Menschen auf der ganzen Welt. Darum ist Waldschutz auch Armutsbekämpfung.“ Investiert würden die Gelder unter anderem in Brasilien, Ecuador, Madagaskar und Pakistan.
Guterres: Welt auf dem „Highway“ zur Klimahölle
UN-Generalsekretär António Guterres forderte einen Pakt für Klimasolidarität. Die Welt befinde sich auf dem „Highway“ zur Klimahölle, mit dem Fuß auf dem Gaspedal, sagte er. Alle Industrie- und Schwellenländer müssten mehr Anstrengungen unternehmen, um ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren. Dabei müssten reichere Länder und internationale Finanzinstitutionen anderen Staaten helfen. Eine besondere Verantwortung komme den USA und China zu – den beiden größten Wirtschaftsmächten. Die Menschheit habe die Wahl, zu kooperieren oder unterzugehen, betonte Guterres.
Die Sonderbeauftragte der Bundesregierung für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan, würdigte, dass die Finanzierung des Ausgleichs von klimabedingten Schäden und Verlusten ins offizielle Programm der Konferenz aufgenommen wurde. Das habe Vertrauen aufgebaut und eine gute Atmosphäre in die Verhandlungen gebracht, erklärte sie auf der Online-Plattform Twitter.
UN-Hochkommissar: Geflüchtete nicht vergessen
Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, hat die Regierungen dazu aufgerufen, die Geflüchteten und Vertriebenen weltweit nicht zu vergessen. Es gelte, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, erklärte Grandi. „Wir können Millionen von Vertriebenen und ihre Gastgeber nicht mit den Folgen des Klimawandels allein lassen.“ Allein in Westafrika seien derzeit 3,4 Millionen Vertriebene von verheerenden Fluten betroffen. In Somalia leiden nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR rund eine Million Vertriebene unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten, die schon jetzt für viele tödlich ist.
Nach Angaben des UNHCR kommen 70 Prozent der Geflüchteten und Vertriebenen weltweit aus den am stärksten von der Klimakrise gefährdeten Ländern wie Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, Somalia und Jemen. Sie hätten ein enormes Interesse an den Diskussionen über die Klimakrise, würden aber zu oft ausgeschlossen. Besonders dort, wo Anpassungsmaßnahmen nicht mehr möglich seien, müssten zusätzliche Gelder zur Kompensation der Verluste und Schäden zur Verfügung gestellt werden, forderte die UN-Organisation.
Seit Sonntag ringen Delegierte aus mehr als 190 Ländern um die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 und um eine Begrenzung der Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius. Derzeit steuert die Welt nach Einschätzung von Fachleuten auf rund 2,5 Grad Celsius zu. (epd/mig) Aktuell Panorama
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