Erleichterungen für Geduldete
Bundestag beschließt Chancen-Aufenthaltsrecht
Eine Chance für langjährig Geduldete, schnellere Asylverfahren, behördenunabhängige Beratung: Der Bundestag hat Erleichterungen beschlossen. Ein „Gesetz der Vernunft“ nennt es die Koalition. Der Union gehen die Neuregelungen viel zu weit, der Linken nicht weit genug.
Sonntag, 04.12.2022, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.12.2022, 6:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Bundestag hat am Freitag Änderungen im Aufenthalts- und Asylrecht beschlossen, die langjährig in Deutschland nur geduldeten Ausländern eine Perspektive auf ein sicheres Bleiberecht geben soll. Mit der Mehrheit von 371 Stimmen verabschiedete das Parlament in namentlicher Abstimmung das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht. Menschen, die am 31. Oktober dieses Jahres bereits seit fünf Jahren ohne sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland lebten, sollen für 18 Monate den neuen Status bekommen, um innerhalb dieser Zeit die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht nachzuweisen. Außerdem beschloss der Bundestag ein Gesetz zur Beschleunigung von Asyl- und Asylgerichtsverfahren.
Das Chancen-Aufenthaltsrecht soll Menschen eine Perspektive geben, die in der Vergangenheit jeweils nur den befristeten Duldungsstatus bekommen haben. Er bedeutet, dass die Betroffenen eigentlich ausreisepflichtig sind, zugleich aber aus persönlichen Gründen oder wegen der Situation im Herkunftsland nicht abgeschoben werden können. Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh bezeichnete diese Kettenduldungen als „unwürdigen Zustand“. Deswegen sei das neue Aufenthaltsrecht ein „Gesetz der Vernunft“.
„Sprache, Job, sauber bleiben“
Um nach den 18 Monaten ein dauerhaftes Bleiberecht zu bekommen, müssen die Menschen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. „Das bedeutet Sprache, Job und selbstverständlich auch sauber bleiben`“, betonte der FDP-Abgeordnete Muhanad Al-Halak. Er warb mit seiner persönlichen Biografie dafür, Geduldeten eine Chance zu geben. Dass „ein Junge aus dem Irak“ wie er heute als Bürger Deutschlands im Bundestag stehe, sei doch kein Problem, sagte er.
Werden die Bedingungen für ein Bleiberecht nach 18 Monaten nicht erfüllt, fallen die Betroffenen wieder auf den Duldungsstatus zurück. Vom Chancen-Aufenthaltsrecht ausgeschlossen werden Straftäter. Rund 137.000 der rund 248.000 Geduldeten könnten von der Neuregelung profitieren.
Kürzere Wartezeit beim stichtagsunabhängigen Bleiberecht
Mit dem vom Parlament beschlossenen Gesetz werden auch für Hürden für das stichtagsunabhängige Bleiberecht gesenkt, indem die Wartezeiten verkürzt werden. Zudem wird beim Familiennachzug zu Fachkräften in Deutschland künftig kein Sprachnachweis mehr verlangt.
Ferner beschloss das Parlament ein Gesetz, das Änderungen für Asyl- und Asylgerichtsverfahren vorsieht. Ziel ist es jeweils, die Verfahren im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie vor Gerichten zu beschleunigen. Mit dem Gesetz wird zudem erstmals eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung eingeführt, bei der sich Flüchtlinge vor und während des Verfahrens Rat und Hilfe holen können. Dies werde die Qualität der Asylbescheide steigern, sagte die Grünen-Politikerin Filiz Polat.
Union kritisiert: „Fehlanreize“
Die Union kritisierte die beiden Gesetze. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) sprach von „Fehlanreizen“. Schon die bestehenden Regelungen gäben Geduldeten bei guter Integration eine Perspektive. Das neue Gesetz belohne „die Falschen“. Wie die AfD hatte die Union angekündigt, gegen das Gesetz zu stimmen. Nach der zweiten Lesung enthielten sich aber auch Unionsabgeordnete bei der Abstimmung mit Handzeichen. In der namentlichen Schlussabstimmung gab es 226 Stimmen gegen das Chancen-Aufenthaltsrecht und 57 Enthaltungen.
Die Linke übte ebenfalls Kritik an den Gesetzen. Ihr geht wiederum das Chancen-Aufenthaltsrecht nicht weit genug. Im Gesetz für die Beschleunigung von Asylverfahren sieht sie zudem eine Verschärfung. Dass Anhörungen im Asylverfahren künftig auch mit Videotechnik möglich sein sollen, bezeichnete die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, als „Tabubruch“. Die Anhörung sei Kern des Asylverfahrens, in der persönliche, oft dramatische Geschichte berichtet werde. Mit Videotechnik sei die dafür notwendige vertrauensvolle Atmosphäre kaum möglich. (epd/mig) Leitartikel Politik
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