Italien
Asylsuchende auf Fähren eingesperrt und angekettet
Erstmals ist es Journalisten gelungen, die Existenz von Gefängnissen auf Passagierschiffen nachzuweisen. Geflüchtete würden darin festgesetzt und abgeschoben. Italien schweigt zu den Vorwürfen. Menschenrechtler: Festung Europa zeigt hier wieder ihr hässliches Gesicht.
Donnerstag, 19.01.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.01.2023, 18:51 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Asylsuchende werden einem Medienbericht zufolge offenbar auf Fähren im Mittelmeer gefangen gehalten, um sie von Italien aus nach Griechenland zurückzubringen. Laut einer gemeinsamen Recherche des ARD-Politikmagazins Monitor mit internationalen Medien hatten sie zuvor keine Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen. Unter den Betroffenen waren demnach auch Kinder.
Im Rahmen der Recherche-Kooperation sei es erstmals gelungen, die Existenz provisorischer Gefängnisse auf den Passagierschiffen nachzuweisen, hieß es. Darunter sei auch ein Ort, an dem mindestens ein Flüchtling mit Handschellen festgekettet worden sei. Auch ein enger Metallschaft, ausgelegt mit Kartons, sei gefunden worden. Auch ein nicht mehr funktionsfähiger Toilettenraum, in den Menschen laut eigenen Angaben eingesperrt wurden, konnte von Journalisten der Recherchegruppe auf einer Fähre identifiziert werden.
Laut Geflüchteten und Hilfsorganisationen würden Schutzsuchende teilweise ohne ausreichende Verpflegung oder Zugang zur Toilette auf dem Weg zurück nach Griechenland festgehalten. Eine Überfahrt könne mehr als 30 Stunden dauern. Die Recherchen zeigten eine „ganz klar menschenunwürdige Unterbringung“ der Flüchtlinge, erklärt Dana Schmalz vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Dies verstoße sowohl gegen EU-Recht als auch gegen Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Fährmitarbeiter bestätigen Existenz der Räume
Das namentlich nicht genannte Fährunternehmen bestreite auf Anfrage jegliche Vorwürfe, hieß es. Fährmitarbeiter hätten jedoch die Existenz solcher Räume bestätigt. Das italienische Innenministerium habe auf Anfrage keine Stellung bezogen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte Italien bereits 2014 verurteilt, weil Italien rechtswidrig Asylsuchende, die als blinde Passagiere auf Schiffen ins Land gekommen waren, zurück nach Griechenland geschickt hatte, ohne dass sie diese die Möglichkeit hatten, in Italien einen Asylantrag zu stellen.
HRW: Festung Europa zeigt hier wieder ihr hässliches Gesicht
Dass diese illegalen Praktiken andauern, zeige, dass die EU hier billigend den Verstoß gegen europäische Flüchtlingskonventionen in Kauf nehme, meint Wenzel Michalski von Human Rights Watch. „Man möchte möglichst viele Migrantinnen und Migranten fernhalten. Die Festung Europa, von der so oft gesprochen wird, zeigt hier wieder ihr hässliches Gesicht“, so Michalski.
Die EU-Kommission betont auf Anfrage, ein effizienter Grenzschutz müsse fest mit der Achtung der Menschenwürde und dem Grundsatz der Nichtzurückweisung verbunden sein. Man erwarte von betroffenen Ländern, alle Vorwürfe zu untersuchen und etwaiges Fehlverhalten zu verfolgen. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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