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Deutschlands Visum-Versprechen für Erdbebenopfer

Das Versprechen der Bundesregierung, Erdbebenopfern in der Türkei mit schnellen und unbürokratischen Visen zu helfen, war wohl doch wieder ein PR-Gag.

Von Sonntag, 19.02.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.02.2023, 13:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Es fällt auf, dass Deutschland mit Hilfszusagen und -versprechen immer ganz vorne mit dabei ist, wann immer Menschen irgendwo in Not geraten – eine Hilfsverweigerung hört man nie. Dabei erntet die Zusage medial oft so viel Aufmerksamkeit, dass sich kaum noch jemand findet, der sich für die am Ende geleistete oder eben nicht geleistete Hilfe noch interessiert. Eine Strategie.

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Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel des Erdbebens in der Türkei. Vollmundig versprachen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den durch die Naturkatastrophe obdachlos gewordenen Menschen schnelle Hilfe in Form von vereinfachten Visa-Verfahren. Sie sollten schnell und unbürokratisch von ihren in Deutschland lebenden Verwandten auf eigene Kosten und für eine begrenzte Zeit aufgenommen werden dürfen.

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Diese Ankündigung bahnte sich planmäßig seinen Weg durch nationale und internationale Medien. Die Botschaft: Deutschland hilft! Und sie weckte Hoffnungen bei vielen Türkeistämmigen. Die in Deutschland hofften darauf, den Schmerz und das Leid ihrer Verwandten durch die Aufnahme bei sich zu Hause zumindest ein Stück weit abmildern zu können; die in der Türkei hofften darauf, zumindest in den Wintermonaten wieder ein Dach über dem Kopf zu haben. Die Hoffnung hielt nicht lange.

„Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man daraus einen Chuck-Norris- oder MacGyver-Witz stricken.“

Die Bundesregierung gab als Ergebnis der vollmundigen Hilfszusage bekannt, dass in den Auslandsvertretungen Personal aufgestockt worden sei – niemand weiß, wie viel -, damit Anträge schneller bearbeitet werden. Erdbebenopfer müssen aber weiterhin einen mit biometrischem Foto bestückten Reisepass, Krankenversicherungsnachweis, historischen Wohnsitznachweis, weitere biometrische Fotos, eine Verpflichtungserklärung zur Kostenübernahme der Verwandten in Deutschland – ob sie dazu finanziell in der Lage sind, wird separat von der chronisch überlasteten Ausländerbehörde geprüft, sofern man dort einen Termin bekommt – samt ihren Ausweiskopien, einen Verwandtschaftsnachweis mit amtlichen Bemerkungen, ein Antragsformular, eine schriftliche Schilderung der Notlage einreichen sowie das übliche Service-Entgelt von ca. 33 Euro auf den Tisch legen.

„Wer in den Erdbebengebieten jetzt noch Zugang zu den genannten Dokumenten hat, braucht weder Deutschlands Hilfe noch sein Visum.“

Wer also mitten in der Nacht im Schlaf von einem Jahrhundertbeben überrascht wurde, sich binnen Sekunden aus seinem einstürzenden Haus befreien und dabei noch alle seine Dokumente einpacken konnte, kann Dank Deutschlands Hilfe und Entgegenkommen mit seinen „vollständigen Unterlagen“ auch ohne vorherige Terminbuchung zu den Öffnungszeiten in den Antragsannahmezentren vorsprechen.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man daraus einen Chuck-Norris- oder MacGyver-Witz stricken.

Es wäre besser gewesen, Deutschland hätte kein Hilfsversprechen abgegeben. Wer in den Erdbebengebieten jetzt noch Zugang zu den angeforderten Dokumenten hat, braucht weder Deutschlands Hilfe noch sein Visum. Alle anderen wurden zum Spielball einer PR-Strategie. Meinung

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  1. Levent Öztürk sagt:

    Deutsche Versprechen an Türken sind halt so! Wie das Versprechen, welches die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den Angehörigen der NSU-Terroropfer 2012 in Berlin gegeben hatte und versprach, dass die NSU-Morde und -Anschläge alle lückenlos aufgeklärt werden und auch laut BKA über 3.500 „cold case“ Fälle bezüglich potenzieller systematischer rassistischer Morde wieder aufgerollt und aufgeklärt werden. Alles kam dann anders, die Beweise wurden geschreddert, verbliebene Beweise wurde zu Staatsgeheimnissen proklamiert und weggesperrt und zum Schluss ging Bundeskanzlerin Merkel in rente und nahm ihre Versprechen mit in den Ruhestand. Die jetzige Bundesregierung versprach die NSU-Fälle, Hanau etc. juristisch und ermittlungstechnisch wieder aufzurollen und aufzuklären…aber auch diesbezüglich ist nichts passiert.