„Unverzeihlich“
250.000.000 Menschen hungern akut
Mehr als 250 Millionen Menschen hungern auf der Welt, zum Teil in dramatischem Ausmaß. Das berichten internationale Organisationen. Die Zahl der Betroffenen steigt rasant - darunter Millionen Kinder.
Mittwoch, 03.05.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.05.2023, 12:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Immer mehr Menschen müssen wegen Kriegen, Wirtschafts- und Klimakrisen in teils dramatischem Ausmaß hungern. 258 Millionen Erwachsene und Kinder waren weltweit im vorigen Jahr von akutem Hunger oder gar humanitären Hungersnöten betroffen, wie aus einer Analyse internationaler Organisationen hervorgeht. Sie registrierten rund 65 Millionen Menschen mehr als noch 2021 (193 Millionen) und fast doppelt so viele wie im Vor-Pandemie-Jahr 2019 (135 Millionen).
Die alarmierenden Zahlen wurden am Mittwoch von der Europäischen Union, der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) sowie dem Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen bekanntgegeben. Die drei Organisationen hatten 2016 das globale Netzwerk gegen Nahrungsmittelkrisen (GNAFC) gegründet.
„Mehr als eine Viertelmilliarde Menschen ist heute mit akutem Hunger konfrontiert, einige sind kurz vor dem Verhungern“, schrieb UN-Generalsekretär António Guterres im Vorwort des Berichts. „Das ist unverzeihlich.“ Rein Paulsen, der FAO-Direktor für Notfälle und Widerstandsfähigkeit, erkannte „ein sehr besorgniserregendes Bild“. Bei den 258 Millionen Menschen gehe es um „um gefährdete Haushalte, deren Leben und Existenzgrundlage bedroht sind“, unterstrich er.
376.000 Menschen in Hungersnot der höchsten Stufe
Hunger-Notlagen und Ernährungskrisen werden mit einer fünfstufigen, sogenannten IPC-Skala gemessen – das GNAFC ordnete eine gute Viertelmilliarde Menschen in den Stufen 3 bis 5 ein. Akuter Hunger ist Stufe 3. Von Humanitären Notfällen (Stufe 4) waren 2022 laut des Reports rund 35 Millionen Menschen betroffen, darunter in der Demokratischen Republik Kongo, Afghanistan, Nigeria und dem Jemen.
Bei etwa 376.000 Menschen sprechen die Experten von einer Hungersnot, der höchsten IPC-Stufe 5. Mehr als die Hälfte davon lebt in Somalia; auch in Afghanistan, Haiti und dem Südsudan drohe vielen Menschen der Hungertod. Allerdings ist die reale Zahl der Betroffenen von Hungersnöten noch höher, etwa weil für den Bericht aus Äthiopien keine verwertbaren Daten übermittelt wurden. Dort litten Schätzungen zufolge Ende 2021 mehr als 400.000 Menschen an einer Hungersnot.
Schere körperlich Folgen bei 35 Millionen Kindern
Dass der Bericht für 2022 auf insgesamt 258 Millionen Hungerleidende in den Stufen 3 bis 5 kommt, liege auch daran, dass fünf Länder mehr analysiert wurden als noch im Jahr zuvor. Allerdings stieg der Anteil der Hungernden auch prozentual an: Litten 2021 noch 21,3 Prozent der Bevölkerung in den Krisenländern mindestens an akutem Hunger, so waren es im vorigen Jahr schon 22,7 Prozent. In den betroffenen Ländern wurden bei mehr als 35 Millionen Kindern unter fünf Jahren teils sehr schwere körperliche Folgen festgestellt.
Als Hauptgründe für die vielen Ernährungskrisen auf der Welt nannte der Bericht wie schon in den vergangenen Jahren Konflikte sowie die ökonomischen Folgen etwa von Corona und des Ukraine-Krieges. Guterres schrieb von „menschlichem Versagen“ im Kampf, den Hunger auf der Welt zu beenden. „Tatsächlich bewegen wir uns in die andere Richtung.“
Wirtschaft armer Länder weiter geschwächt
„Die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit armer Länder hat in den vergangenen drei Jahren dramatisch abgenommen“, heißt es in der Analyse. Manche Regionen erlebten zudem folgenreiche Wetter- und Klimakrisen, etwa die Dürre am Horn von Afrika oder Überschwemmungen in Pakistan.
FAO-Experten Paulsen mahnte zu schnellen Maßnahmen im Kampf gegen die Hunger- und Nahrungsmittelprobleme. Er warb dafür, mehr Mittel für zeitkritische Projekte in der Landwirtschaft zu investieren. Nach Einschätzung der FAO ist vor allem vielen Bauernfamilien in armen Ländern geholfen, wenn dort lokale Agrarprojekte unterstützt werden. Armut und Hunger gehören zu den größten Fluchtursachen. (dpa/mig) Aktuell Wirtschaft
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