Jahresstatistik
Erneuter Höchststand politisch motivierter Straftaten
Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist erneut gestiegen. Fast 60.000 Fälle wurden für 2022 registriert. Die Behörden sehen als Grund vor allem Taten im nicht-klassischen Extremismusbereich. Daran gibt es aber auch Kritik. Opferberatungsstellen bemängeln Untererfassung rechter Tatmotive.
Dienstag, 09.05.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.05.2023, 13:28 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist 2022 erneut auf einen Höchststand angewachsen. Fast 60.000 Fälle – genau waren es 58.916 Delikte – wurden registriert, wie aus der am Dienstag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und dem Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, in Berlin präsentierten Statistik hervorgeht. Das waren sieben Prozent mehr als 2021. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten erhöhte sich um vier Prozent auf 4.042. Sogenannte Hasskriminalität, also durch gruppenbezogene Vorurteile motivierte Straftaten, nahmen um zehn Prozent auf rund 11.500 zu.
Für den Anstieg machen die Behörden vor allem den Anstieg der Straftaten in der Kategorie „nicht zuzuordnen“ verantwortlich. Dazu zählten im Jahr 2022 erneut die teilweise radikalen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, aber auch Fälle im Kontext des Ukraine-Kriegs und mit Versorgungsengpässen. Rund 24.000 Straftaten finden sich allein in dieser Kategorie. Die Hintergründe seien vielfältiger und diffuser geworden, sagte Faeser. Bei der Zunahme politischer Verunsicherung nehme auch die politisch motivierte Kriminalität zu, bilanzierte Münch.
Auf gleich hohem Niveau lagen 2022 aber auch rechtsextreme Straftaten. Rund 23.500 Delikte verzeichnet die Statistik. Das war ein Anstieg um sieben Prozent. Rechtsextremismus bleibe die größte Bedrohung, betonten Faeser und Münch. Links motivierte Straftaten sind der Statistik zufolge um 31 Prozent auf rund 7.000 zurückgegangen. Münch erklärt dies vor allem mit dem Fehlen von Großereignissen im vergangenen Jahr, die üblicherweise linke Proteste mit sich bringen.
Opferberatungsstellen kritisieren Untererfassung rechter Tatmotive
Einen Rückgang gab es erstmals seit vielen Jahren bei der Zahl antisemitischer Straftaten. Sie sank um knapp 13 Prozent auf 2.641 Fälle. Faeser betonte allerdings, es gebe in dem Bereich keine Entwarnung, zumal 2022 die Zahl antisemitisch motivierter Gewaltdelikte auf 88 (2021: 64) zugenommen habe.
Die Opferberatungsstellen, die am Dienstag ihre eigene Bilanz rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt vorlegten, kritisierten die offizielle Polizeistatistik mit der inzwischen an erster Stelle stehenden Kategorie „nicht zuzuordnen“. Sie fürchten, dass dadurch eine Untererfassung rechter Tatmotive stattfinde. Die Fälle, die ihnen aus diesem Bereich bekannt seien, seien „eindeutig“, sagte Robert Kusche vom Vorstand des Verbands der Beratungsstellen.
Faeser und Münch verteidigen Erfassung in der aktuellen Form
Sie zählten 2022 einen Anstieg der rechten Gewalttaten um mehr als 15 Prozent auf 1.340. In der Statistik des Bundeskriminalamts waren es 1.170. Und während die BKA-Statistik neun Tötungsversuche auflistet, zählen die Opferberatungsstellen auch ein Todesopfer, nämlich den am 27. August 2022 am Rande des CSD-Festes in Münster niedergeschlagenen Transmann Malte C.
Faeser und Münch verteidigen dagegen die Erfassung in der aktuellen Form. Sie sei präzise, sagte Faeser. Münch betonte, dass man innerhalb der Kategorie „nicht zuzuordnen“ genau wisse, um welche Zusammenhänge es gehe. Nach seinen Angaben ist in den ersten Monaten dieses Jahres zu beobachten, dass diese Fälle zurückgehen, während Straftaten im „klassischen“ rechten und linken Bereich wieder zunähmen. An die Kategorie „nicht zuzuordnen“ werde man sich aber gewöhnen müssen, sagte Münch. (epd/mig) Aktuell Panorama
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