Ohne Einwanderung geht’s nicht
Thüringen will Akademie zur Berufsvorbereitung von Migranten
380.000 Menschen scheiden in den nächsten beiden Jahrzehnten aus Altersgründen in Thüringen aus dem Berufsleben. Diskutiert werden von der Regierung neue Arbeitszeitmodelle und wie junge Menschen aus dem Ausland zu Fachkräften werden könnten.
Mittwoch, 10.05.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.05.2023, 12:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In Thüringen soll es keine gesetzliche Pflicht für eine Vier-Tage-Woche geben, wie von Teilen der Wirtschaft befürchtet. Er habe nicht vor, eine entsprechende gesetzliche Initiative zu starten, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstag zum Abschluss einer zweitägigen Regierungsklausur auf Schloss Ettersburg bei Weimar. Er reagierte damit indirekt auf Forderungen der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion, die Regierung solle einer Vier-Tage-Woche eine Absage erteilen, und Kritik von Wirtschaftsorganisationen wie der Industrie- und Handelskammer Erfurt. Angekündigt wurde der Aufbau einer „German Professional School“, einer Art Akademie, die jungen Migranten beim Einstieg ins Berufsleben helfen soll.
Eine Vier-Tage-Woche, die wie in der Pflege die Abwanderung von überlasteten Fachkräften zu Zeitarbeitsfirmen verhindern könne, sei Sache der Tarifvertragsparteien, sagte der Regierungschef. Sie würden von der Landesregierung ausdrücklich ermuntert, Regelungen für flexible Arbeitszeitmodelle zu treffen. „Unsere Präferenz ist der Tarifvertrag. Das ist nicht Sache der Politik“, so Ramelow.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt verlangte, eine Vier-Tage-Woche solle in der Entscheidung der Unternehmen liegen. Arbeitgeber hätten ein Interesse daran, attraktive Bedingungen zu bieten. Dies könne jedoch nicht nur aus Zugeständnissen bestehen. Nötig sei ein Mix – auch mit Arbeitszeitflexibilisierung, erklärte IHK-Geschäftsführerin Cornelia Haase-Lerch in Erfurt. Der DGB-Vorsitzende Hessen-Thüringen, Michael Rudolph, erklärte, beim Werben um Fachkräfte gehe es nicht nur um die Höhe von Löhnen, „sondern auch um Arbeitszeiten und Arbeitszeitsouveränität. Das wird den Menschen immer wichtiger.“ Es dürfe keine Denkverbote geben.
Akademie für Migranten
Als Reaktion auf den Fachkräftemangel soll die „German Professional School“ mit mehreren Standorten zur Ausbildungsvorbereitung von Migranten im Freistaat entstehen. Denkbar seien Standorte, an denen es bereits Berufsbildungszentren oder Ausbildungsverbünde gebe. Als Beispiel nannte Ramelow Rohr im Kreis Schmalkalden-Meiningen oder die Stadt Eisenach.
Zu möglichen Standorten der „German Professional School“ solle es eine Ausschreibung durch die Landesentwicklungsgesellschaft geben. Ramelow sagte, die erste Zielgruppe seien etwa 9.500 junge Migranten, die bereits in Thüringen seien.
Ohne Einwanderer Arbeitskräftebedarf nicht zu decken
Es gehe darum, jungen Ausländern zu helfen, „dass sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen“, sagte Innenminister Georg Maier. Angeboten werden sollen unter anderem Sprachkurse sowie Kurse, die Grundkenntnisse im Wirtschaften vermitteln.
Der SPD-Politiker bezeichnete es als verwerflich, dass einige Parteien den Eindruck erweckten, „dass Einwanderung nicht erwünscht ist“. Ohne Einwanderer sei der Bedarf an Arbeitskräften angesichts einer schrumpfenden und älter werdenden Bevölkerung in Thüringen in Zukunft nicht zu decken.
Arbeitsmarkt verliert bis 2040 380.000 Menschen
Nach Angaben von Ramelow scheiden bis 2040 in Thüringen etwa 380.000 Menschen aus Altersgründen aus dem Berufsleben aus. Fachleute gingen davon aus, dass mindestens 100.000 Stellen wieder besetzt werden müssten, um Thüringens Wirtschaftskraft wenigstens zu erhalten. Teilweise würde der Verlust an Arbeitskräften durch Rationalisierung und Digitalisierung aufgefangen.
Die Landesregierung hatte sich bei ihrer zweitägigen Klausur mit der demografischen Entwicklung und dem Strukturwandel hin zu Klimaneutralität beschäftigt. Nach Einschätzung von Fachleuten ist das vorhandene Arbeitskräftepotenzial in Thüringen weitgehend ausgereizt – Unternehmen falle es immer schwerer, offene Ausbildungs- und Arbeitsstellen zu besetzen. (dpa/mig) Aktuell Politik
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