Knapper Sieg bei Stichwahl
Forscher: Fehlende gemeinsame Mobilisierung gegen AfD „fatal“
Bei der Landratswahl Oder-Spree konnte sich der SPD-Kandidat bei der Stichwahl gegen einen AfD-Kandidaten nur knapp durchsetzen. Zu einer gemeinsamen Mobilisierung der demokratischen Parteien gegen die AfD kam es nicht. Laut Politikforscher Botsch ist das ein verhängnisvolles Signal.
Dienstag, 16.05.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.11.2023, 11:23 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Politikforscher Gideon Botsch hält den nur knappen Sieg des SPD-Kandidaten Frank Steffen gegen AfD-Bewerber Rainer Galla bei der Landratswahl Oder-Spree für ein verhängnisvolles Signal. „Was ich wirklich sehr fatal finde, ist, dass wir – anders als in Cottbus bei der Oberbürgermeisterwahl vor einigen Monaten – keine gemeinsame Mobilisierung der demokratischen Parteien hatten“, sagte der Politikprofessor an der Universität Potsdam am Montag der „Deutschen Presse-Agentur“.
„Der Effekt, einen AfD-Kandidaten zu verhindern, ist in dieser Wahl offensichtlich nicht eingetreten“, stellt er fest. „Das hatten wir bei den letzten Wahlen in den ostdeutschen Ländern relativ oft, dass die Menschen mobilisiert wurden, um eine AfD als stärkste Kraft zu verhindern, und das auch getan haben.“
Bei der Landratswahl hatte der SPD-Kandidat Steffen am Sonntag die Stichwahl mit 52,4 Prozent der Stimmen gegen AfD-Bewerber Rainer Galla gewonnen, der auf 47,6 Prozent kam. Nachdem Galla im ersten Wahlgang vorn gelegen hatte, riefen Linke und Grüne zur Wahl von Steffen auf. Der Kreisverband der CDU und die Freien Wähler gaben keine Wahlempfehlung ab. Sie riefen die Bürger dazu auf, wählen zu gehen. Freie-Wähler-Landeschef Péter Vida hatte erklärt, beide Kandidaten seien für die Freien Wähler aus unterschiedlichen Gründen nicht wählbar.
Botsch kritisiert Union
Bei der Oberbürgermeisterwahl in Cottbus hatte sich SPD-Kandidat Tobias Schick in der Stichwahl im Oktober 2022 mit 68,6 Prozent gegen AfD-Bewerber Lars Schieske durchgesetzt.
Der Politikwissenschaftler beurteilte das Verhalten von Freien Wählern und CDU mit Blick auf die Stichwahl skeptisch. „Das steht natürlich nicht für die Freien Wähler im ganzen Bundesland, aber es macht ein gewisses Fragezeichen an die Zuverlässigkeit als demokratische Kraft“, sagte Botsch. „Bei der Union ist es natürlich auch sehr bedauerlich, dass sie hier Prioritäten nicht so gesetzt hat, dass sie gesagt hat, hier müssen sich Demokraten solidarisieren.“
Politologe sieht Defizite bei etablierten Parteien
Der Politikwissenschaftler verwies auf die Mobilisierung durch die AfD. „Die AfD hat offenkundig ihr Potenzial – wenn man jetzt von den abgegebenen Stimmen ausgeht – fast verdoppelt“, sagte Botsch, der die Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrum der Uni Potsdam leitet. „Das heißt, dass hier doch ein Teil der Wählerschaft wirklich losgegangen ist, um zu zeigen: Wir wollen lieber den AfD-Kandidaten, über den ja wenig bekannt ist.“ Die Wahl war mit Spannung verfolgt worden, weil die AfD dem Deutschen Landkreistag zufolge bisher keinen Landrat stellt.
Der Politologe sieht Defizite bei den etablierten Parteien in der Fläche. „Schon seit vielen, vielen Wahlen nimmt man die demokratischen Parteien in manchen Teilen der Fläche nicht so wahr, wie man sie wahrnehmen sollte – aus Wahlarithmetiken, die darauf rechnen, wo haben wir Hochburgen, wo können wir unsere Kräfte gewinnen“, sagte Botsch. Das sei ein besorgniserregendes Zeichen. (dpa/mig) Aktuell Politik
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