Emanzipierte Meerjungfrau im Kino
Afroamerikanerin als Arielle schlägt hohe Wellen
Durch die Besetzung mit einer Afroamerikanerin war der Film bereits lange in den Schlagzeilen: Nun kommt die überwältigende Live-Action-Adaption des Disney-Zeichentrickklassiker „Arielle, die Meerjungfrau“ in die Kinos.
Von Birgit Roschy Dienstag, 23.05.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 23.05.2023, 11:05 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das Meer geht immer. Filme, die im Wasser spielen, lassen den Zuschauer in ozeanische Gefühle abtauchen. Das gilt für den Arielle-Zeichentrickfilm (1989) wie für die jetzige Neuverfilmung. Mit Arielle wurde ein weiterer Disney-Bestandsklassiker als Live-Action-Märchen aufbereitet. Das Update hält sich inhaltlich und gestalterisch meist an das Original und kreiert eine traumhafte Unterwasserwelt. In Arielles schummrigem Biotop, den grünen Algenwäldern, rosa Quallenwolken, verwunschenen Schiffswracks, kann man sich verlieren.
Wenn sie den Kopf aus dem Wasser streckt, sieht man mit ihren Augen plötzlich auch unsere Welt als Wunder. Das Glitzern der Wellen, die Sonne, toll! Und wie niedlich ist denn bitte das wuschelige kleine Wesen, das den netten Typen, den Arielle auf einem Schiff erspähte, ständig begleitet? Wozu dient jener Mini-Dreizack, den Arielle auf einem Tisch in einem Schiffswrack entdeckt hat – zum Haare kämmen, wie ihre Freundin, Möwe Scuttle, behauptet? Es gibt viele zauberhafte Momente, in denen das Remake das Original ästhetisch und besonders in seiner sinnlichen Wirkung übertrumpft, obwohl gerade die Unterwasserwelt oft etwas künstlich wirkt.
Besetzungscoup schlägt hohe Wellen
Neu sind bei der jetzigen Version vier Songs, die Lin-Manuel Miranda komponiert hat. Neu ist außerdem, dass die Meerjungfrau nicht von einer, analog zum Trickfilm, weißhäutigen, blauäugigen und rothaarigen Darstellerin verkörpert wird, sondern von der afroamerikanischen Sängerin Halle Bailey. Dieser Besetzungscoup schlägt seit Monaten Wellen und wird in den sozialen Medien, wie davor bei der Serie „Herr der Ringe – Die Ringe der Macht“, als „Blackwashing“ beschimpft.
Nun kann man die US-Studios kritisieren, die schnell der Mode nach wie mit einer Dampfwalze historische Fakten und kulturelle Identitäten platt machen können. Doch bei reinen Fiktionen und Märchen zieht diese Klage nicht. Mal davon abgesehen, dass bei der disneyfizierten Arielle ohnehin die Tragik der verschmähten Liebenden aus Hans Christian Andersens Märchen durch ein gekünsteltes Happy-End ersetzt wird. Andersen hätte es sicherlich begrüßt, dass mit der Afroamerikanerin Bailey andere Bevölkerungsgruppen „mitgenommen“ werden, zumal sie eine großartige Sängerin ist.
Politisierung von Unterhaltungsfilmen
Der wahre Märchen-Subtext ist aber, dass die Meerjungfrau, die ihre Sirenenstimme und ihren Fischschwanz gegen Beine tauscht und an Land geht, um ihren Prinzen zu erobern, eine entschlossene soziale Aufsteigerin ist. Im Sinne des Zeitgeistes wird der Drang der klassisch unemanzipierten Arielle nach dem Märchenprinzen nun mit intellektuellem Wissensdrang ergänzt. Der Prinz, ein etwas wehleidiger Softie, ist dagegen noch fader geraten. Und wie gehabt ist die Beziehung der beiden das lahmste Handlungselement.
Stattdessen prunkt das Spektakel mit extravaganten Nebenfiguren wie Melissa McCarthy als monströser Seehexe, Javier Bardem als schwermütigem Meereskönig Triton und vielen weiteren maritimen Spaßmachern. Ausstattung und Musik sind so überwältigend, wie man es erhoffte. Wenn es einem gelingt, den Ärger über die Politisierung von Unterhaltungsfilmen hinunterzuschlucken, dann stellt sich doch noch die alte Disney-Magie ein. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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