Per Kommunalwahl zur Macht
Erster AfD-Landrat Deutschlands in Südthüringen?
Die AfD will in Südthüringen den ersten AfD-Landrat Deutschlands stellen. 2019 scheiterte ihr Kandidat. Landes-AfD-Chef Höcke nimmt auch schon die Kommunalwahl 2024 in den Blick. Doch können Mitglieder einer als extremistisch eingestuften Partei Bürgermeister werden?
Von Stefan Hantzschmann Donnerstag, 08.06.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.06.2023, 14:20 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree verpasste der AfD-Landratskandidat den Sieg kürzlich recht knapp – nun nimmt die Partei einen neuen Anlauf in Thüringen, um den ersten AfD-Landrat Deutschlands zu stellen. „Was wäre das für eine Schlagzeile“, rief Thüringens AfD-Chef Björn Höcke Anfang Mai bei einem Landesparteitag den Parteimitgliedern zu. „Die Bundesrepublik Deutschland würde beben, und das muss unser Ziel sein.“
Am Sonntag wählen die Menschen im südthüringischen Kreis Sonneberg einen neuen Landrat – außerplanmäßig. Die AfD wittert eine Chance. „Südthüringen ist eine Hochburg von uns“, sagte Höcke der Deutschen Presse-Agentur. Mindestens in die Stichwahl wolle man kommen. Der bisherige Amtsinhaber Hans-Peter Schmitz wurde am 1. März wegen einer langwierigen Erkrankung in den Ruhestand versetzt.
Thüringer AfD gesichert rechtsextrem
Die AfD, die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bestrebung eingestuft und beobachtet wird, schickt bei der Wahl ihren Landtagsabgeordneten, den Juristen Robert Sesselmann, ins Rennen. Hoffnungen auf den Chefsessel im Landratsamt machen sich aber auch Anja Schönheit (parteilos), Nancy Schwalbach (Grüne) und Jürgen Köpper (CDU). Köpper ist seit 2019 hauptamtlicher Beigeordneter im Landkreis Sonneberg und derzeit Interimslandrat. Die Amtsgeschäfte führt er schon länger in Vertretung des erkrankten Schmitz. Schönheit wird von der SPD und Pro Sonneberg unterstützt.
AfD-Kandidat Sesselmann war im Landkreis Sonneberg für die AfD schon einmal angetreten – und gescheitert. Bei der Landratswahl 2019 landete der Rechtsanwalt auf dem dritten Platz und schaffte es damals nicht in die Stichwahl.
Viele Kommunalwahlen in 2024
Wie gut die Chancen der einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten diesmal stehen, ist eher unklar. Umfragen wie bei Landtagswahlen gibt es nicht. Obwohl bei Kommunalwahlen oft örtliche Spezialthemen eine Rolle spielen, schauen auch Landespolitiker mit Interesse auf den Ausgang der Wahl in Sonneberg.
Kommendes Jahr stehen in vielen Regionen Kommunalwahlen an, auch in anderen ostdeutschen Bundesländern wie in Sachsen und in Sachsen-Anhalt werden in vielen Städten und Gemeinden Bürgermeister gewählt. In Thüringen gelten die Kommunalwahlen als Domäne der CDU, bei der sie in der Vergangenheit meist als klarer Sieger hervorgegangen ist.
In Kommunen könnte AfD gestalten
Doch die AfD will den Christdemokraten das Wasser abgraben. „Wir wollen stärkste Kraft werden bei der Kommunalwahl“, sagt Höcke der dpa. Das „kommunale Fundament“ müsse tragfähig sein, „damit wir auf landespolitischer Ebene dann auch reüssieren können.“
In den Ländern wie auch im Bund steht die AfD derzeit völlig isoliert da – ohne echte Machtoptionen. Das gilt derzeit auch mit Blick auf die Landtagswahlen kommendes Jahr in Thüringen, Brandenburg und Sachsen. In den Kommunen aber könnte die Partei gestalten, wenn sie dort Wahlen gewinnt.
AfD sucht nach Bewerbern
Dabei ist aktuell unklar, ob die AfD überhaupt genügend Bewerber für die Kommunen finden kann. Mit rund 1.400 Mitgliedern ist die AfD in Thüringen eine kleine Partei. Höcke räumt selbst ein, dass es schwierig werden könnte, genügend Kandidaten zu finden. „Klar ist auch, dass der Zuspruch zur AfD im Augenblick größer ist als das Personal, das wir haben.“
Er spricht sich deswegen auch dafür aus, auch mit offenen Kandidaten-Listen ins Rennen zu gehen. „Das Ganze muss dann natürlich unter der Überschrift AfD laufen“, sagte Höcke. Offene Listen würden es aber auch Nicht-Parteimitgliedern ermöglichen, kommunalpolitisch Verantwortung zu übernehmen, so Höcke.
Reicht AfD-Mitgliedschaft für Ausschluss?
Wer in Thüringen Bürgermeister werden will, muss wie auch anderswo in Deutschland auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Im Thüringer Kommunalwahlgesetz heißt es dazu in Paragraf 24, Absatz 3: „Zum Bürgermeister kann nicht gewählt werden, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt.“
Doch der Landesverfassungsschutz hat die Thüringer AfD als extremistisch eingestuft. Aber reicht schon die bloße Mitgliedschaft in der AfD, um als Bürgermeister ungeeignet zu erscheinen? Im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales geht man davon aus, dass das nicht ausreicht.
Immer eine Einzelfallprüfung
„Ein Ausschluss von der Wahl ist extrem schwierig und muss wirklich gut begründet sein“, sagt Innenstaatssekretärin Katharina Schenk (SPD). Im Innenministerium wird derzeit ein Leitfaden für Wahlausschüsse in den Kommunen erarbeitet, wie mit Kandidaten umgegangen werden kann, bei denen es Zweifel am demokratischen Wertefundament gibt.
Als Beispiel für einen möglichen Fall nannte Schenk die Bürgermeisterkandidatur eines bundesweit bekannten Neonazis in Südthüringen im Jahr 2022. Dieser war als Kandidat zugelassen worden, obwohl es als unstrittig gelte, dass er ein Rechtsextremist sei. Es sei immer eine Einzelfallprüfung und es gehe um schwerwiegende Entscheidungen, sagt die Innenstaatssekretärin.
Service-Hotline beim Landesverfassungsschutz
Wer als Kandidat zugelassen wird, entscheidet der jeweilige Wahlausschuss, hat dafür aber in der Regel nicht viel Zeit. Schenk kündigte eine Service-Hotline beim Landesverfassungsschutz an, an die sich die Wahlleiterinnen und Wahlleiter wenden könnten. „Damit wird das Ganze auf eine solide Basis gestellt und nicht dem Zufall überlassen“, sagte Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer der „Deutschen Presse-Agentur“. Man richte sich darauf ein, dass man innerhalb kurzer Zeit entsprechende Testate für die Wahlkommissionen erstellen müsse. „Das wird uns vor große personelle Herausforderungen stellen“, sagte Kramer.
Schenk plädierte außerdem dafür, auch einen gewissen Zeitraum nach der Wahl bis zur Übertragung des Bürgermeisteramtes zu nutzen, um zu schauen, ob die gewählten Kandidaten wirklich auf dem Boden der Verfassung stehen. „Das hat natürlich den Nachteil, dass der Schaden schon da ist, weil derjenige dann schon gewählt wurde“, sagte Schenk. (dpa/mig) Aktuell Politik
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