„Nicht witzig, sondern widerlich“
Endlich Haftstrafe für rechtsextremen Wiederholungstäter
Seit Jahren beschäftigen sich Gerichte mit dem Fall Sven Liebich. Vor dem Amtsgericht in Halle ist der Rechtsextremist nun erstmals zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die nicht auf Bewährung ausgesetzt ist.
Donnerstag, 13.07.2023, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 13.07.2023, 19:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Rechtsextremist Sven Liebich ist erstmals zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Unter anderem wegen Volksverhetzung und übler Nachrede sprach die Richterin des Amtsgerichts Halle Liebich am Donnerstag schuldig und verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Er sei ein Gratwanderer und überschreite in manchen Fällen die Grenze des Rechts, sagte sie. Das Urteil bezieht auch vorherige Urteile anderer Gerichte ein. In vorherigen Verfahren war Liebich zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Der Prozess gegen Liebich war Mitte Mai eröffnet worden. In insgesamt sechs Anklagen hatte die Staatsanwaltschaft unterschiedliche Vorwürfe gegen den 1970 in Merseburg (Saalekreis) geborenen Rechtsextremisten erhoben – darunter üble Nachrede und Hausfriedensbruch. Zu verschiedenen Vorfällen soll es unter anderem auf Demonstrationen in Halle gekommen sein, die zu Beginn des Prozesses bereits mehrere Jahre in der Vergangenheit lagen. Liebich veranstaltet die sogenannten Montagsdemonstrationen bereits seit 2014 in Halle.
Meinung bis zur Grenze der Unerträglichkeit
Liebich sei das beste Beispiel dafür, dass man in Deutschland bis zur Grenze der Unerträglichkeit seine Meinung äußern dürfe, sagte die Richterin. „Aber nicht, wenn man beleidigt.“ Im Gegensatz zu vergangenen Verfahren sei er höflich und angemessen aufgetreten: „Da hat sich was geändert bei Ihnen, Herr Liebich. Das sehe ich“, sagte die Richterin. Zwar habe er gute Chancen auf eine Bewährungsstrafe gehabt, sich jedoch nicht von seinem Verhalten distanziert.
„Ich bin der Meinung, dass wir Glück haben, in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben“, sagte die Richterin. Darüber, dass der Rechtsstaat manchmal langsam und träge ist, müsse und dürfe diskutiert werden. Jeder dürfe dazu eine Meinung haben: „Aber nur, mit gesellschaftlich anerkannter Kommunikation.“
„Nicht witzig, sondern widerlich“
Vermeintlich einfach gelagerte Sachverhalte seien manchmal „gar nicht so einfach“, so die Richterin. Liebich wolle durch seine Taten Aufmerksamkeit erlangen, sei aber zugleich wenig von Strafverhandlungen gegen ihn beeindruckt. Dass er einen Baseballschläger mit einer sich gegen Linksextreme richtender Aufschrift über einen Onlineshop verkauft hatte, sei „nicht witzig, sondern widerlich“ und gelte als Volksverhetzung. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.
Eigenen Angaben zufolge hat Liebich mehrere Ausbildungen – als Schlosser, Kaufmann und Finanzwirt. Vor Gericht sagte er während des Prozesses, sein letzter Arbeitgeber habe ihn vor allem wegen der medialen Berichterstattung entlassen. Liebich habe jedoch kürzlich als Außendienstler eine neue Stelle angetreten. Auch gab er an, Schulden in hoher fünfstelliger Summe zu haben.
Mehrere Verfahren an unterschiedlichen Gerichten
Während des Prozesses waren verschiedene Zeugen, unter anderem Sicherheitskräfte und Anhänger Liebichs, geladen. Zudem wurden Videos und Texte als Beweismittel eingeführt, die unter anderem über den Messangerdienst Telegram und die Internetplattform YouTube auf Kanälen von Liebich veröffentlicht wurden. Nach Beendigung der Beweismittelaufnahme hatte sich die Staatsanwaltschaft für zwei Jahre Haft ausgesprochen. Die Nebenklage bekräftigte dies. Hingegen hatte die Verteidigerin Liebichs für einen Freispruch ihres Mandanten plädiert.
Gegen den Rechtsextremisten werden seit Jahren verschiedene Verfahren an unterschiedlichen Gerichten geführt. Seit Ende März ist beispielsweise ein Urteil gegen ihn unter anderem wegen Verleumdung von Personen des politischen Lebens und Volksverhetzung rechtskräftig. Auch das Amtsgericht hatte sich mit jenen Vorwürfen gegen ihn auseinandergesetzt. Jüngst hatte zudem die Stadt Halle den Angaben Liebichs und seiner Verteidigerin zufolge dem Rechtsextremisten untersagt, Gewerbe zu betreiben. Dagegen habe dieser Widerspruch eingereicht. Das Verfahren laufe noch. (dpa/mig) Aktuell Recht
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