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Lehrer im Stich gelassen

Mehr rechtsextreme Vorfälle an Schulen

Der Weggang zweier Lehrer im Spreewald nach rechten Anfeindungen hat eine Debatte über Rechtsextremismus an Schulen ausgelöst. Nun liegen Zahlen über die Entwicklung solcher Vorfälle vor. In der Lausitz zeigt man sich besorgt. Politik und Behörden stehen in der Kritik.

Sonntag, 16.07.2023, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.07.2023, 13:18 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen in Brandenburg hat sich im Schuljahr 2022/2023 deutlich erhöht. Die vier staatlichen Schulämter meldeten bis Anfang Juni 70 solcher Äußerungen oder Vorfälle, während 30 im gesamten Schuljahr 2021/2022 gezählt wurden, wie das Bildungsministerium am Samstag mitteilte. Zuvor berichtete die „Welt am Sonntag“. Die Gesellschaft Wirtschaftsregion Lausitz zeigte sich besorgt über die Entwicklung.

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Nach der Auflistung wurden bis Juni im Bereich des Schulamts Cottbus mit 27 die meisten rechtsextremistischen Fälle gemeldet, im gesamten Schuljahr 2021/2022 waren es dort 3. Das Ministerium verwies darauf, dass das Schuljahr 2021/2022 noch unter dem Zeichen der Corona-Krise stand.

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In Brandenburg wurden im Schuljahr 2021/2022 auch 15 antisemitische und 14 fremdenfeindliche sowie 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle gezählt. Im Schuljahr 2022/2023 meldeten die Schulämter 6 antisemitische, 15 fremdenfeindliche und ebenfalls 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle.

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Anstieg auch in Thüringen

An Thüringens Schulen stieg die Zahl der Verwendung verbotener verfassungswidriger Symbole und von Volksverhetzung laut Bildungsministerium auf 91 Fälle im Jahr 2022 nach 55 im Corona-Jahr 2021. Nach Ansicht des Ministeriums ist der Zuwachs Ausdruck des gesellschaftlichen Klimas, das sich teilweise zuspitze, extremistische Vorfälle prägten aber nicht das schulische Leben.

Die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel aus Burg im Spreewald in Brandenburg hatten im April in einem Brandbrief tägliche rechtsextremistische Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht. Danach waren sie zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. Der Staatsschutz ermittelt im Fall von Aufklebern. Beide Lehrer kündigten am Mittwoch an, die Schule wechseln zu wollen. Seit Bekanntwerden des Briefes nahmen die Meldungen solcher Vorfälle an Schulen zu.

Lehrer beklagen Lippenbekenntnisse

Der Lehrer Teske kritisierte die Schulbehörden. „Niemand hat sich vor uns gestellt und ganz offen gesagt, dass sie uns unterstützen und alles Mögliche dafür tun werden, dass Rechtsextremismus keinen Platz an Schulen hat“, sagte er der „Märkischen Allgemeinen“ mit Blick auf das Schulamt in Cottbus und das Bildungsministerium. „Stattdessen gab es zahlreiche Lippenbekenntnisse. Aber das reicht nicht aus.“ Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) hatte Kritik zurückgewiesen und erklärt, das Schulamt sei nach dem anonymen Brandbrief in der Schule sofort tätig geworden.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält ein konsequentes Vorgehen für nötig. „Die Vorgänge an der Brandenburger Schule sind ein Alarmzeichen“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. Freiheit, Demokratie, Toleranz und Pluralität müssten wenn nötig von allen verteidigt werden. Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller sagte der Zeitung, die Entwicklung in Burg müsse mit großer Sorge betrachtet werden. Er gehe aber davon aus, dass es sich dabei nicht um eine Brandenburger Besonderheit handle.

Lehrer im Stich gelassen

Der Verein Opferperspektive erklärte am Donnerstag in Potsdam, Lokal- und Landespolitik hätten die beiden Lehrkräfte in Burg im Spreewald nicht ausreichend gestärkt und geschützt. Das Bündnis „#unteilbar-Südbrandenburg“ erklärte, ihr Weggang sei „ein Versagen der Kommunal- und Landespolitik“. Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) verurteilte die Anfeindungen gegen die Pädagogin und den Pädagogen.

Das märkische Bündnis „Schule für mehr Demokratie“ kritisierte, die beiden Lehrkräfte seien „nicht ausreichend durch Landespolitik und lokale Strukturen unterstützt“ worden. „Vermeintliche Neutralität oder fehlende Positionierung führen zu Verläufen wie diesen“, erklärte das Bündnis. Verantwortungsträger müssten „die Probleme mit der extremen Rechten offensiv angehen, statt sie mit Imagekampagnen schönzureden“.

Rechtsextremismus Gefahr für Wirtschaftsregion

Nach Ansicht der Entwicklungsgesellschaft Wirtschaftsregion Lausitz ist Rechtsextremismus eine der größten Gefahren für die ökonomische Entfaltung der aufstrebenden Region. „Wir sind jetzt schon nicht mehr in der Lage, die offenen Stellen zu besetzen“, sagte Geschäftsführer Heiko Jahn der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist in unserem Interesse, dass wir weltoffen auftreten, um wirtschaftlich eine Zukunft zu haben.“ Jahn warnte: „Ohne ausländische Fachkräfte werden wir unseren Lebensstandard gar nicht halten können.“

Nicht nur an Schulen kommt es zu rechten Vorfällen. In einer Ferienanlage in Heidesee (Landkreis Dahme-Spreewald) meldete die Polizei im Mai mutmaßlich rassistische Anfeindungen gegen Schüler aus Berlin. Unbekannte Täter warfen in Spremberg (Landkreis Spree-Neiße) im Juni einen Brandsatz auf eine Regenbogenfahne – ein Zeichen für Vielfalt -, die am Glockenstuhl einer Kirche hing.

Landtagswahlen in 2024

In Brandenburg wird im nächsten Jahr ein neuer Landtag gewählt. Die AfD ist in Südbrandenburg stark. Die Landespartei wird vom Verfassungsschutz seit 2020 als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft, die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative seit vergangenem Mittwoch als gesichert rechtsextremistische Bestrebung.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte davor gewarnt, dass Rechtsextremismus und Rassismus eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung sein könnten. Das „Bündnis für Brandenburg“, das für eine Willkommenskultur für Zuwanderer wirbt, erneuerte seinen Appell gegen Rechtsextremismus am Freitag. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama

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