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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Der Fall der Berliner Mauer

Merz' „Wir sind die AfD – mit Substanz“, hat gesessen: CDU und CSU machen sich auf einen Schlag gemein mit Rassisten - inklusive Asyl-Abschaffung: Stell dir vor, du verreckst, aber das Kontingent ist schon voll.

Von Montag, 24.07.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.07.2023, 15:01 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Es war ein Knall, als letzte Woche Friedrich Merz mit einem einzigen Satz den demokratischen Konsens in diesem Lande aufkündigte und eigenhändig die Brandmauer zur extremen Rechten einriss.

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Die Aussage, „Wir sind die AfD – mit Substanz“, hatte gesessen: CDU und CSU machen sich auf einen Schlag gemein mit Fremdenhass, mit Illiberalität, mit Homo- und Transphobie, mit einer Partei, die in weiten Teilen eindeutig verfassungsfeindlich ist, die Faschisten und Nazis in ihren Reihen nicht bloß duldet, sondern fördert, will sich dabei lediglich „mehr Substanz“ verordnen, im Kampf gegen den gemeinsamen Gegner: Diese verdammten Grünen, mit ihren Menschenrechten, ihrer Moral, und ihrem Versuch, die Welt zu retten. Denn was ist schlimmer, als wenn Menschen auf offener Straße zusammengeschlagen werden, im Mittelmeer ersaufen oder wenn CDU-Politiker abgeknallt werden? Richtig, ein Veggie-Tag in der Kantine. Und des jede Woche! Uäähh!

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Die Union biedert sich bereits seit Monaten niedersten Instinkten an, wie eine Crack-Hure ohne Anstand und Moral: Hauptsache die Kohle stimmt – und diese Hure ist ganz besonders billig zu haben. Man hat schließlich bei den Besten gelernt: Den Trumpisten, der rechtsextremen Bubble innerhalb der US-republikanischen Partei, die einen Kulturkrieg führt für die Vorherrschaft der weißen Rasse und das Menschenbild der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die besucht man denn auch öffentlichkeitswirksam, so wie den Präsidentschaftskandidaten De Santis, der einigen als Trump mit Hirn gilt, der in Wirklichkeit aber nur noch radikaler, noch fremdenfeindlicher, noch queerfeindlicher, noch frauenfeindlicher ist, der die Emanzipation der Schwarzen in den USA noch weiter, noch schneller zurückdrehen will. Von dem kann auch ein Andy Scheuer, der in seiner Amtszeit mal eben knapp 250 Millionen Euro aus den Taschen der Steuerzahler in die von Großunternehmen – ganz ohne Gegenleistung und mit einer einzelnen Unterschrift – umverteilt hat, noch etwas lernen. „PKW-Maut“ nannte sich dieses Konzept und war für die beteiligten Unternehmen ein Riesenerfolg – da werden bestimmt auch ein paar Euro übrig geblieben sein, die im Gegenzug die Wahlkampfkasse der CSU für das wichtige Wahljahr 2023 füllen konnten.

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„Stell dir vor, du verreckst, aber das Kontingent ist schon voll.“

So ist es denn auch kein Zufall, dass aus dieser Partei dieser Tage zu hören war, man wolle das individuelle Grundrecht auf Asyl endgültig abschaffen und damit die Genfer Konventionen auf den Müllhaufen der Geschichte werfen, wie man wohl in diesen Kreisen wohlformuliert. Stattdessen wolle man feste Kontingente etablieren – ganz so als gäbe es Geschäftszeiten für die Würde des Menschen: christliche Nächstenliebe nur nach Geschäftslage, wochentags zwischen Neunuhrdreißig und Fünfzehnuhr, Mittagspause ist um Zwölf, Mittwoch Ruhetag. Klingt vernünftig: Dann müssen wir nur noch den Russen und all die anderen Menschenschlächter dazu bringen, jeden tausendsten vertriebenen Ukrainer, jede tausendste zusammengeschlagene Transperson, jede tausendste vergewaltigte Frau direkt ans Bamf zu melden, weil wir dann rechtzeitig „Stop“ sagen und die den Krieg, die Vertreibung, die Gewalt bis zum nächsten Kalenderjahr pausieren können – damit am Ende die Zahlen stimmen. Stell dir vor, du verreckst, aber das Kontingent ist schon voll.

Was gesagt ist, ist gesagt und in der Welt. Davon kann sich der CDU-Chef nicht in allen Sonntagsinterviews und Grundsatzdebatten der Welt mehr distanzieren, können all die Spin-Doktoren bei „Welt“, „Bild“ oder beim „Cicero“ noch etwas ändern. Ob nun als wohldurchdachte Grenzübertretung, wie sie AfD zu ihrem Markenzeichen gemacht hat, oder als unüberlegte Kurzschlussaktion, in der Aussage: „Wir sind die Alternative für Deutschland mit Substanz“, äußert sich eine Gesinnung, für die eine Abgrenzung zur eigentlichen AfD nur noch Makulatur, eine leere Phrase, ein Wahlkampfmanöver ist, das darauf abzielt, mit vielleicht noch ein, vielleicht zwei oder drei weiteren Grenzübertretungen bei den nächsten Landtagswahlen im Osten den Weg zu ebnen, hin zu einer Koalition mit der AfD auf Bundesebene. Schon jetzt schloss Merz in besagtem Sommerinterview eine Zusammenarbeit mit den Postfaschisten der AfD, wenn schon nicht auf Bundes- oder Landesebene, dann doch zumindest auf lokaler Ebene, nicht mehr aus – wäre auch schwierig, wo sie doch dort mittlerweile unübersehbar stattfindet – während auf Landesebene zumeist noch Ausreden bemüht werden, warum die jeweilige Zusammenarbeit denn nun gar keine Zusammenarbeit war.

„Damals wollten die selbsternannt Normalen schon einmal alles Abnormale, Entartete aus der Demokratie tilgen.“

Und wo, wenn nicht in einer blauschwarzen Koalition, könnte denn in Zukunft auch noch eine Mehrheit gegen den Hauptfeind, die Grünen, bestehen, eine Mehrheit gegen die Bewahrung der Schöpfung, gegen Umweltschutz, gegen Maßnahmen zur Abschwächung der anstehenden Klimakatastrophe, gegen die strukturelle Diskriminierung von marginalisierten Gruppen, seien es „die Ausländer“, Frauen, Queere, die „Abnormalen“ eben  – will man doch, wie Gesinnungsgenosse und Koalitionspartner Hubsi Aiwanger neulich bei einer Demo im Verein mit der anwesenden AfD-Wählerschaft erklärte, für „die Normalen“ „die Demokratie zurück“ erkämpfen.

Wer aber von „den Normalen“ spricht, denkt „die Entarteten“ immer schon mit. Deutlicher als Aiwanger kann man jedenfalls kaum formulieren, will man sich nicht direkt im Vokabular der 30er Jahre, im Vokabular der AfD bedienen, denen Friedrich Merz sich nun so schamlos anbiedert. Damals wollten die selbsternannt Normalen schon einmal alles Abnormale, Entartete aus der Demokratie tilgen – mit einschlägigen Folgen für ebendiese Demokratie, und nicht nur die. Demokratie funktioniert ganz einfach nicht, wenn sie nicht für alle funktioniert. Meinung

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  1. Against Asteroid Protection sagt:

    Israel:
    Nachdem du Deinen Mund so aufgerissen hattest, wegen der nun abgestimmten Justizreform in Israel, wäre dieses wichtige Thema aufzugreifen und Deinen letzten Beitrag dazu zu relativieren aktuell angebracht gewesen.
    Israel bewies mit den monatelangen Demonstrationen seine Demokratie und nicht, wie von Dir vor Wochen beschrieben, seine Oligarchie.
    Den Blick für die Individuen zu verlieren und diese stattdessen in Schubladen zu stecken ist bequem.
    Für mich ist Israel eine lebendige Demokratie.

    Wer die CDU aus den 80ern noch kennt, gähnt über den vermeintlichen Skandal, dass die wieder mit ihren alten Ansichten, welche nun gefühlt eher bei der AFD liegen, sympathisieren.
    Ja, fiese „Rechtslage“! Aber wen überrascht es echt? Euch? Naiv! Ihr kennt dieses Land nicht wirklich.
    Aber nee, so wirklich interessant ist das nicht mehr.