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Ein kalter Fall 1/3

Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen als institutionalisierter Rassismus

Anti-Asiatischer Rassismus im Kontext - Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992: Wie dieses Pogrom in die Geschichte des systemischen Rassismus in Deutschland eingebettet ist – von der Kolonialzeit bis zur Gegenwart.

Von Dienstag, 22.08.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 27.08.2023, 10:04 Uhr Lesedauer: 15 Minuten  |  

Das Pogrom im tiefenhistorischen Kontext: Anti-Asiatische Aspekte des systemischen Rassismus1

Um das Rostocker Pogrom von 1992 in größeren historischen Zusammenhängen zu verstehen und einzuordnen, ist es nötig, seine Bedeutung in der modernen Geschichte des Rassismus in Deutschland herauszuarbeiten. Grundlegend lässt sich zunächst feststellen, dass die Geschichte des anti-Asiatischen2 Rassismus in Deutschland nicht mit diesem Pogrom beginnt. Vielmehr ist seine Historie mit der deutschen Kolonialgeschichte verwoben, die ihrerseits in die europäische Geschichte der Kolonialisierung der Welt eingebettet ist.

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So verweist der ‚Fidschi‘-Begriff als abwertende Bezeichnung für südostasiatische, vor allem vietnamesische Vertragsarbeiter:innen in Ostdeutschland in Analogie zur rassistischen Bezeichnung ‚Kanake‘ in Westdeutschland auf koloniale Kontexte.3 Deutschland war als Kolonialmacht im pazifischen Raum präsent und die ‚Südsee‘ stellt nach wie vor eine bedeutsame Kulisse des kolonial gefärbten Exotismus in westlichen Diskursen dar.

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Selbst wenn direkte Verbindungen zu kolonialen Praktiken wie etwa der Inbesitznahme des ‚deutschen Schutzgebietes Kiautschou‘ (1898–1919) in Nordchina oder zur brutalen Niederschlagung der chinesischen Yìhétuán (1899–1901)4 durch das vom Wilhelm II. entsandte Ostasiatische Expeditionskorps nicht nachweisbar sind, ist davon auszugehen, dass durch diese Ereignisse wichtige Elemente des kolonialrassistischen Wissens in Deutschland über China und Chines:innen geschaffen und reproduziert wurden.

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Dabei wurde dieses diskriminatorische und rassifizierte Wissen verallgemeinert und auf andere Asiatische, speziell Ostasiatische Menschen, Kulturen und Ländern übertragen.5 Die mit diesen kolonialen Bildern und Perspektiven einhergehenden politischen, historischen, soziokulturellen und visuellen Diskurse wurden zunächst etwa durch Zeitungen6 und später durch andere Massenmedien wie etwa Bücher und Filme popularisiert, tradiert und auch ausgeweitet.7

Diese medialen und kulturellen Reproduktionen setzen letztlich mit anderen Akzentsetzungen und technisch ausgefeilteren Bildern einen stereotypen Diskurs fort, der im ideengeschichtlichen Zentrum der Weißen Vorstellung von moderner Kolonialität steht: Deutsche Professoren wie Imanuel Kant (1723–1804), Christoph Meiners (1747–1810) und Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840) hatten als führende Vertreter einen bedeutenden Anteil an der philosophischen wie naturwissenschaftlichen Etablierung von Rassentheorien als Grundaxiom der Welt. Ihre Tatsachenbehauptungen waren maßgeblich bei der kognitiven Erfindung von unterschiedlichen und biologisch unterscheidbaren ‚Menschenrassen‘ beteiligt, die als ‚Gelbe, Rote, Schwarze und Weiße‘ imaginiert und in Rückkoppelung mit der expansiven außereuropäischen Kolonialisierung zunehmend streng gesellschaftlich wie wissenschaftlich hierarchisiert wurden.8

Wenn diese historischen Kontexte und epistemologische Betrachtungsweise ernst genommen werden, wird sichtbar, dass das Pogrom in Rostock sich vor dem Hintergrund eines viel tiefergehenden systemischen Rassismus abspielt. Aus Raumgründen werde ich mich in meiner Fallanalyse jedoch auf die Ebene des institutionellen Rassismus beschränken.

Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen im Kontext der rassistischen Gewalt der 1980er-Jahre

Anti-Asiatische Gewalt ist ein bedeutsames Element des Rassismus in Deutschland, die wichtige Wegmarkierungen in seiner Entwicklung prägen. Dabei fällt die strukturelle Entinnerung des anti-Asiatischen Rassismus als kalte Fälle und vergessene Geschichte ins Auge.

So wurden am 22. August 1980 die beiden jungen vietnamesischen Boat People Đỗ Anh Lân und Nguyễn Ngọc Châu kurz nach ihrer Aufnahme als Geflüchtete in der Halskestraße in Hamburg-Billbrook von organisierten Rechtsextremist:innen der „Deutschen Aktionsgruppen“ bei einem Brandanschlag ermordet. Die beiden Vietnamesen gelten in West-Deutschland als die ersten polizeilich dokumentierten und gerichtlich nachgewiesenen rassistischen Mordopfer seit 1945.

Eine weitere Besonderheit dieses Falls ergibt sich zudem aus der erinnerungspolitischen Umgangsweise der deutschen Gesellschaft und seiner politischen, medialen, kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen: Im Unterschied zu anderen rassistischen Mordfällen wurde das offizielle Gedenken nicht nur marginalisiert, sondern es wurde entinnert.9

Nach ihrer Beerdigung wurde selbst in den lokalen Medien bis 2012 nicht mehr über diese Geschichte berichtet,10 so dass mit der Zeit auch das Wissen in der Zivilgesellschaft komplett zum Verschwinden gebracht wurde. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit den damals 17-jährigen Đỗ Anh Lân als Schutzbefohlenen in einer von ihr gesponserten Hilfsaktion in die Hafenmetropole gebracht hatte und daher in einer besonderen Verantwortung steht.11

Wie die Hamburger Morde ist auch das Rostocker Pogrom gegen die vietnamesische Community und asylsuchende Roma-Familien in vielfältiger Weise mit anderen Geschichten des deutschen Rassismus und Rechtsextremismus verbunden. Als Beispiel möchte ich hier nur auf den bis heute sträflich vernachlässigten und auch daher unaufgeklärten Brandanschlag vom 26. August 1984 in Duisburg-Wannheimerort verweisen, bei dem sieben Mitglieder der Familie Satır starben. Die zeitliche Koinzidenz der Ereigenisse Hamburg, Duisburg and Rostock verweisen auf politische Zusammenhänge, diesen Tatorte und Communities miteinander verbinden. Obwohl die Angriffe in Rostock-Lichtenhagen als größtes Pogrom seit dem Niedergang des NS-Staates 1945 einen außerordentlichen Stellenwert in der deutschen Geschichte hat, lässt sich seine wirkliche gesamtgesellschaftliche und historische Bedeutung nur im Zusammenhang mit anderen Geschichten des strukturellen Rassismus und der alltäglichen Diskriminierungen begreifen. Bereits beim Fall der Berliner Mauer setzte eine heute nahezu unbekannte Gewaltwelle organisierter Rechtsextremist:innen ein: In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990 griffen vorsichtig geschätzt etwa 1.500 gewalttätige Neo-Nazis in 14 ostdeutschen linke Projekte und alles „Undeutsche“ an. Mit diesem Paukenschlag wurde die an einigen Orten bis heute andauernden Baseballschlägerjahre (Christian Bangel) eingeläutet. In dieser Nacht wurden auch Migrant:innen und Linke in der Hamburger Hafenstrasse von 300 Rechten angegriffen.

Dazu gehören nicht nur die vorangegangenen Pogrome in Hoyerswerda (September 1991) oder in Mannheim-Schönau (Mai/Juni 1992), wo wie in Lichtenhagen Wohnheime für ehemalige Vertragsarbeitende und Geflüchtete angegriffen wurden,12 sondern auch die nachfolgenden rassistischen Morde an türkisch-deutschen Familien etwa in Mölln (November 1992) und Solingen (Mai 1993). Auch der nicht wirklich aufgeklärte Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße vom 18.01.1996 mit zehn Toten, darunter sieben Kinder, und 38 Verletzten gehört in diese Reihe. Neben anderen rassistischen Gewalttaten reicht dieses historische Kontinuum über die NSU-Morde (2000–2006) gegen die deutsch-türkische Community bis zum jüngsten rechtsterroristischen Anschlag in Hanau (Februar 2020).

Was ist ein Pogrom und was ist institutioneller Rassismus?

„Vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, dass die rassistische Gewalt nicht nur im politischen Diskurs, sondern auch in den Medien über Jahrzehnte hinweg meist verharmlosend als Krawalle, Randale, Übergriffe oder allenfalls als Ausschreitungen bezeichnet, häufig legitimierend auch als Protest oder naturalisierend als Explosion beschrieben wurden.“

Wenn nach diesen Annäherungen der Fokus auf das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen herangezoomt wird, stellt sich eine weitere grundlegende Frage: Welche Bezeichnung ist für dieses Ereignis sachlich korrekt und angemessen. Je nach Antwort werden ganz unterschiedliche politische, juristische und wissenschaftliche Kategorisierungen mobilisiert. Obwohl objektive Sachverhalte entscheidend sein sollten, spielen gesellschaftlich wirksame Deutungen und dominante Interpretationen eine zentrale Rolle. Die Frage der Benennung kann daher nicht von Fragen des Framings, also der sozialen und kulturellen Bedeutungskonstruktion und -zuweisung abgetrennt werden.

Bei der Bedeutungsgebung stehen sich oftmals gegensätzliche Perspektiven mit ungleichen Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber, wobei die Interessen von verschiedentlich beteiligten Gruppen und betroffenen Individuen unterschiedlich einflussreich sind. Wie alle gesellschaftlichen Bedeutungsgebungen reflektieren und repräsentieren vorherrschende Bezeichnungen gesellschaftlich relevante Machtverhältnisse, die kulturelle Hegemonie produzieren und durchsetzen kann.

Vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, dass die rassistische Gewalt nicht nur im politischen Diskurs, sondern auch in den Medien über Jahrzehnte hinweg meist verharmlosend als Krawalle, Randale, Übergriffe oder allenfalls als Ausschreitungen bezeichnet, häufig legitimierend auch als Protest oder naturalisierend als Explosion beschrieben wurden. Der Begriff „Pogrom“, der von Anfang an von anti-rassistischen Gruppen verwandt wurde,13 wurde dagegen lange Zeit im Mainstream-Diskurs als „linksextrem“ abgestempelt und gesellschaftlich marginalisiert.

An der (Be-)Deutung und Aufarbeitung der rassistischen Angriffe von Lichtenhagen als Pogrom hatten – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen – weder Politik und Medien vor Ort noch bundesweit ein erkennbares Interesse.14 Die tonangebende Wahrnehmung mit ihrem beschränkten Meinungskorridor hat sich im Zuge der verstärkten Kritik an den Blindstellen und Ausschlüssen im öffentlich zelebrierten Gedenken, die zum 20. Jahrestag bundesweit besonders stark wahrgenommen wurde,15 langsam gewandelt und ist inzwischen pluraler geworden.

Wichtige Impulse dafür lieferte auch die aufkommende Rassismuskritik seit 2011 am institutionellen, medialen wie gesellschaftlichen Umgang mit der verschleppten Aufdeckung des NSU-Skandals.16 Der bundesweit aufsehenerregende Terroranschlag in Hanau und die globale Black Lives Matter-Bewegung 2020 haben diesen Bewusstwerdungs- und Anerkennungsprozess nochmals verstärkt. Diese Entwicklungen haben zur Ausbildung einer kritischen Masse beigetragen, sodass in vielen gesellschaftlichen Bereichen Rassismus inzwischen nicht mehr wie früher als ‚Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit‘ verbrämt wird.

All das hat sicherlich dazu beigetragen, dass der Pogrombegriff im Fall „Rostock-Lichtenhagen“ heute weniger geächtet ist. Für viele Beobachtende überraschend, hat selbst die Stadt Rostock in offiziellen Mitteilungen zum 30. Jahrestags die rassistische Gewalt als Pogrom anerkannt.17 Damit schloss sich die Stadt dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags an, der die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen als „die größten rassistisch und fremdenfeindlich motivierten Angriffe gegen Angehörige einer ethnischen Minderheit in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges“18 charakterisiert. Neben den rassistischen Angriffen in Hoyerswerda (September 1991)19 wird Rostock-Lichtenhagen als zentrales Fallbeispiel diskutiert, wobei die Argumente für die Anwendung des Pogrombegriffs breiten Raum erhalten und von den Autor:innen nicht in Zweifel gezogen werden.20

Dieses Eingeständnis ist überfällig. Denn wer unvoreingenommen das rassistische Großereignis in Rostock-Lichtenhagen betrachtet, kann augenblicklich drei charakteristische Elemente erkennen: Massive Bedrohung und Gewaltausübung der dominanten Gruppe gegen eine rassifizierte Minderheit, die durch staatliche Institutionen und ihre Repräsentant:innen toleriert oder akzeptiert wird. Vor allem die institutionelle Komponente ist entscheidend und unterscheidet das Pogrom von anderen Formen rassistischer Gewalt.

Das Pogrom wird übereinstimmend in der Encyclopædia Britannica als „mob attack, either approved or condoned by authorities, against the persons and property of a religious, racial, or national minority“ und in der Encyclopedia of Nationalism (2001) als „mobilized crowd violence (usually officially encouraged) against members of a subordinate cultural group“ definiert. Obwohl der Begriff ursprünglich auf die historischen Verfolgungen von jüdischen Gemeinschaften in Osteuropa verwandt wurde, ist er nach Ansicht von führenden Antisemitismusforscher:innen wie Werner Bergmann nicht darauf beschränkt.21 Auch lässt sich m.E. nach argumentieren, dass die Suche nach Parallelen und Analogien zwischen Rassismus und Antisemitismus hier produktive Erkenntnisse generieren kann.

Im Anschluss an das Phänomen des sekundären Antisemitismus und des sekundären Kolonialismus können sowohl verschleiernde Entnennungen also auch unzureichende erinnerungspolitische, wissenschaftliche und kulturelle Aufarbeitungen als Fortsetzung des institutionellen Rassismus angesehen werden. Der sekundäre Rassismus kann als nachfolgende institutionelle Diskriminierung angesehen werden, in der staatliche Akteure sich weigern, das Problem sachlich angemessen zu benennen, uneingeschränkt politische Verantwortung zu übernehmen, die langanhaltenden Aus- und Nachwirkungen des Pogroms im vollen Umfang anzuerkennen und den tatsächlichen Opfern angemessene Entschädigung und Wiedergutmachung anzubieten.

Ich folge hier der im anglophonen Raum anerkannten Definition des institutionellen Rassismus der Macpherson-Kommission (1999) der britischen Regierung:

„The collective failure of an organisation to provide an appropriate and professional service to people because of their colour, culture, or ethnic origin. It can be seen or detected in processes, attitudes and behaviour which amount to discrimination through unwitting prejudice, ignorance, thoughtlessness and racist stereotyping which disadvantage minority ethnic people. It persists because of the failure of the organisation openly and adequately to recognise and address its existence and causes by policy, example and leadership. Without recognition and action to eliminate such racism it can prevail as part of the ethos or culture of the organisation.“22

Besonders hervorzuheben ist, dass nicht Absicht, sondern das Ergebnis institutionellen Handelns oder Nicht-Handelns entscheidend ist. Für das Vorliegen rassistischer Praktiken und Diskriminierungen im institutionellen Rahmen ist der Nachweis einer diskriminatorischen Intention nicht maßgeblich. Vielmehr ist fundamental, dass die unprofessionelle oder ungleiche Funktionsweise einer Institution im Ergebnis zur Benachteiligung von Menschen und Gruppen führt, die gesellschaftlich aufgrund von stigmatisierenden Rassifizierungsprozessen und kulturellen Fremdzuschreibungen diskriminiert sind.

Info: Dieser Text ist der erste Teil eines Dreiteilers. Der zweite Teil erscheint in diesem Magazin am 23.8.2023.

  1. Stark erweiterte Fassung des Buchkapitels „Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen als institutionalisierter Rassismus“. In: Gudrun Heinrich/David Jünger/Oliver Plessow/Cornelia Sylla (Hrsg.): Perspektiven aus der Wissenschaft auf 30 Jahre Lichtenhagen 1992. Berlin: Neofelis, im Erscheinen. Der Text basiert auf einen Vortrag am 21.06.2022 im Rahmen der Reihe „Perspektiven aus der Wissenschaft auf 30 Jahre Lichtenhagen 1992“ an der Universität Rostock.
  2. Um die geographische Bezeichnung „asiatisch“ von kulturellen Fremd- wie Selbstkonstruktionen zu unterscheiden, schlage ich – im Unterschied zur medialen Verwendung und in Anlehnung an die inzwischen im anglophonen Raum institutionell etablierte Schreibweise von Asian, Black, Brown und auch White – die Großschreibung von „Asiatisch“ vor, um eine Differenzierung zu ermöglichen.
  3. Vgl. Kien Nghi Ha: Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen „Rassenbastarde“. Bielefeld: transcript 2010, S. 259–277.
  4. Vgl. zum antikolonialen Aufstand des „Verbands für Gerechtigkeit und Harmonie“ (義和團) Mechthild Leutner / Klaus Mühlhahn (Hrsg.): Kolonialkrieg in China. Die Niederschlagung der Boxerbewegung 1900–1901. Berlin: Links 2007.
  5. Dieser Effekt ließ sich in der Corona-Pandemie sowohl in den USA als auch in der BRD gut erkennen als ursprünglich anti-chinesische Ressentiments auch auf andere diasporische Gruppen mit Ost- und Südostasienbezügen ausgedehnt wurden. Die Betroffenen wurden angegriffen und vielfach grenzüberschreitend in Kollektivhaftung genommen, so dass Asiatisch-Sein in diesen Fällen zwangsweise durch anti-Asiatischen Rassismus fremd definiert wurde. Vgl. Kien Nghi Ha: Zur transnationalen Kolonialität des anti-Asiatischen Rassismus: Yellow Peril und anti-chinesische Migrationspolitik im pazifischen Raum. In: Mechthild Leutner / Pan Lu / Kimiko Suda (Hrsg.): Antichinesischer und anti-asiatischer Rassismus. Historische und gegenwärtige Diskurse, Erscheinungsformen und Gegenpositionen. Münster: LIT-Verlag 2022, S. 38–58, hier S. 54–56.
  6. Vgl. etwa die Karikaturen des deutsch-amerikanischen Zeichners Lyonel Feininger, der zur Jahrhundertwende die deutsche Kolonialpolitik in Afrika und China mit rassistischen Bildern kommentierte. Siehe Mechthild Leutner: Rassismus und deutscher Kolonialismus in China. Legitimation Weißer Herrschaft und das Feindbild von der „Gelben Gefahr“. In: Dies. / Pan Lu / Kimiko Suda (Hrsg.): Antichinesischer und anti-asiatischer Rassismus. Historische und gegenwärtige Diskurse, Erscheinungsformen und Gegenpositionen. Münster: LIT-Verlag 2022, S. 11–37, hier S. 28–33.
  7. Vgl. Kien Nghi Ha: Zur kolonialen Matrix des anti-Asiatischen Rassismus. Gelbe Gefahr, Unsichtbarkeit und Exotisierung. In: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) (Hrsg.): Rassismusforschung: Rassismen, Communities und antirassistische Bewegungen, Bd. 2, Bielefeld: transcript 2023, im Erscheinen.
  8. Vgl. Walter Demel: How the ‚Mongoloid Race‘ Came into Being: Late Eighteenth-Century Constructions of East Asians in Europe, In: Rotem Kowner / Ders. (Hrsg.): Race and Racism in Modern East Asia Western and Eastern Constructions, Leiden: Brill 2013, S. 59–85; Rotem Kowner: Between Contempt and Fear: Western Racial Constructions of East Asians since 1800. In: Ebd., S. 87–125.
  9. Ich habe den Begriff der „Entinnerung“ in Abgrenzung zum passiven und unbewussten Vergessen als einen aktiven kultur- und erinnerungspolitischen Prozess definiert, der die zu dieser Zeit gesellschaftlich dominanten Werte und Interessen artikuliert. Vgl. Kien Nghi Ha: Macht(t)raum(a) Berlin – Deutschland als Kolonialgesellschaft. In: Maisha Eggers/Grada Kilomba/Peggy Piesche/Susan Arndt (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster: Unrast 2005, S. 105–117, hier S. 105.
  10. Der freie Lokaljournalist Frank Keil entdeckte bei seinen Recherchen zu Süleyman Taşköprü, dem Hamburger Mordopfer des NSU, zufällig diese ihm unbekannte Geschichte wieder. Vgl. Frank Keil: Der blanke Hass. In: Die Zeit, 23.02.2012.
  11. Vgl. Kien Nghi Ha: Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân († Hamburg 1980): Keine Zweiklassengesellschaft in der Kultur- und Erinnerungspolitik!. In: Ders. (Hrsg.): Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond. Berlin / Hamburg: Assoziation A 2021, S. 140–149, hier S. 143–144 und Kien Nghi Ha: Die Ankunft der vietnamesischen Boat People. In: Webmap Hamburg Global, Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. 16.04.2014. (Zugriff am 21.07.2023).
  12. Vgl. Matthias Möller: „Ein recht direktes Völkchen“? Mannheim-Schönau und die Darstellung kollektiver Gewalt gegen Flüchtlinge. Frankfurt am Main: Trotzdem 2007.
  13. So wurde die unmittelbar nach den Angriffen auf das Sonnenblumenhaus und die Zentrale Aufnahmestelle organisierte bundesweite Demonstration am 29. August 1992 in Rostock unter dem Motto „Stoppt die Pogrome“ durchgeführt.
  14. So ist im Abschlussbericht des 2. Untersuchungsausschusses des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern vermeintlich neutral von „Ereignissen“ (12 Erwähnungen) die Rede, wobei dieser wertfreie Begriff nicht in der Lage ist die tatsächliche Gewalt auch nur annähernd zu benennen und daher beschönigend wirkt. Im Bericht werden abwechseln auch die Begriffe „Krawalle“ (13), „Auseinandersetzungen“ (5), „Ausschreitungen“ (5), „Randale“ (2), Protest (1) und „Demonstration“ (1) verwandt. Dagegen tauchen auf den 51 Seiten des Berichts an keiner Stelle die Begriffe „Pogrom“ und „Rassismus“ bzw. „rassistisch“ auf. Vgl. Drucksache 1/3771, 04.11.1993.
  15. Vgl. Kien Nghi Ha: Rostock-Lichtenhagen – Die Rückkehr des Verdrängten. In: Ders. (Hrsg.): Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond. Berlin / Hamburg: Assoziation A 2021, S. 150–166. Erstveröffentlichung: Heinrich Böll Stiftung, September 2012. (Zugriff am 20.02.2023).
  16. So haben die Sicherheitsbehörden mit ihren mehrheitlich biodeutschen Mitarbeiter*innen das rassistische Motiv nicht erkannt und die Opfer verdächtigt. Trotz fehlender Indizien rechnete die „Soko Bosporus“ über Jahre hinweg die „Dönermorde“ aufgrund eigener Vorurteile unbeirrt der „Türken-Mafia“ zu, die Schutzgelder und Wettschulden erpressen wolle oder aus Rache „Ehrenmorde“ beginge. Vgl. Hajo Funke: Staatsaffäre NSU. Eine offene Untersuchung. Münster / Berlin: Kontur 2015, S. 308-342; Juliane Karakayali/Çagri Kahveci/Doris Liebscher/Carl Melchers (Hrsg.): Den NSU-Komplex analysieren. Aktuelle Perspektiven aus der Wissenschaft. Bielefeld: transcript 2017; Tanjev Schultz: NSU. Der Terror von rechts und das Versagen des Staates. München: Droemer 2018.
  17. So wurde in der Pressemitteilung „30 Jahre Pogrom von Rostock-Lichtenhagen: ‚Gedenken – Aufklären – Gestalten‘“ vom 22.08.2022 zur zentralen Gedenkveranstaltung mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier eingeladen. Siehe hier (Zugriff am 20.02.2023).
  18. Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag: Pogrome. Definition und Fallbeispiele. Aktenzeichen WD 1 – 3000 – 023/22, 29.07.2022. hier S. 8-9. (Zugriff am 16.07.2023).
  19. Ebd. S. 14-15.
  20. Ebd. S. 8-10. Bereits die Publikation des Gutachtens drei Wochen vor dem 30. Jahrestags des Pogroms kann als deutliches gesellschaftspolitisches Statement gelesen werden.
  21. Vgl. Thomas Prenzel: Rostock-Lichtenhagen und die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl. In: Ders. (Hrsg.): 20 Jahre Rostock-Lichtenhagen. Kontext, Dimensionen und Folgen der rassistischen Gewalt. Universität Rostock. Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften 2012, S. 9–29, hier S. 10.
  22. William Macpherson: The Stephen Lawrence Inquiry. Presented to Parliament by the Secretary of State for the Home Department by Command of Her Majesty. London: 1999, hier Punkt 6.34.
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