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„A bas la France!“

Frankreichs Afrikapolitik fällt in sich zusammen

Frankreich hat Afrika lange als seinen Hinterhof betrachtet. Nach mehreren Militärcoups in ehemaligen Kolonien und einer Vielzahl antifranzösischer Demonstrationen ist klar: Die Akzeptanz post-kolonialer Strukturen ist vorbei.

Von Mittwoch, 06.09.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 06.09.2023, 10:19 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Sie entziehen sich immer mehr dem Einfluss Frankreichs: Das Ansehen der ehemaligen Kolonialmacht ist in afrikanischen Ländern denkbar schlecht. Daran änderte auch die neue Afrika-Strategie nichts mehr, die Präsident Emmanuel Macron erst im Februar vorgestellt hat. Er sprach von einem künftigen „Partnerschaftsmodell“ und kündigte an, es werde keine rein französischen Militärstützpunkte in Afrika mehr geben. Armeebasen sollen stattdessen mit Partnerländern „gemeinsam verwaltet“ werden. Im Juni kündigte Frankreich den Abzug von ein paar hundert Militärs aus Afrika an, vor allem aus der Elfenbeinküste, Gabun und dem Senegal. Doch die Veränderungen waren zu wenig substanziell und kamen zu spät.

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In den vergangenen drei Jahren haben sich in sechs ehemaligen französischen Kolonien Militärs an die Macht gebracht: in Burkina Faso, Gabun, Guinea, Mali, Niger und im Tschad. Die beiden jüngsten Putsche folgten kurz hintereinander: am 26. Juli setzen Generäle in Nigers Hauptstadt Niamey den gewählten Staatschef Mohamed Bazoum ab. Am 30. August folgte der Coup in Gabun. Jeder Staatsstreich hatte seine eigenen Hintergründe, aber in den meisten Fällen jubelten Menschenmengen den Putschisten zu, und fast immer brannten bei diesen Demonstrationen französische Fahnen, verbunden mit dem Ruf „A bas la France“, „Nieder mit Frankreich“.

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Staatschefs von Frankreichs Gnaden

Woher solche Slogans kommen, lässt sich am Beispiel Gabun beispielhaft begreifen – auch wenn der Coup wohl in erster Linie eine Palastrevolte war. Omar Bongo, der Vater des jetzt gestürzten Präsidenten Ali Bongo, war ein Staatschef von Frankreichs Gnaden, ein Paradebeispiel für die sogenannte „Franceafrique“, der Verflechtung von privaten und öffentlichen Interessen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien. Bevor er an die Staatsspitze aufstieg, flog Omar Bongo 1968 nach Frankreich und holte sich die Zustimmung vom damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle.

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56 Jahre lang blieb der Bongo-Clan an der Macht – und hat sich in dieser Zeit obszön bereichert. Die Mehrheit der nur knapp 2,5 Millionen zählenden Bevölkerung lebt in Armut. Quelle des Reichtums für den Bongo-Clan sind Gabuns Rohstoffe, vor allem Erdöl und Mangan. Europa importiert dieses Schwermetall, das bei der Stahlproduktion und bei der Herstellung von Lithium-Batterien gebraucht wird, zu einem guten Teil aus dem zentralafrikanischen Land. Abgebaut wird es von dem französischen Bergbau-Unternehmen Eramet, das mehrere Tausend Arbeitskräfte beschäftigt und der größte private Arbeitgeber im Land ist. Rund 100 andere französische Firmen sind in der ehemaligen Kolonie präsent.

Französische Unternehmen profitieren

Auch Nigers Rohstoffe sind für Europa wichtig, auch dort profitiert bisher vor allem ein französisches Unternehmen. Der westafrikanische Sahelstaat ist der wichtigste Uranlieferant der Europäischen Union. Die Förderung des radioaktiven Schwermetalls ist fest in französischer Hand, Mehrheitseigentümer der nigrischen Minen ist die staatliche französische Orano-Gruppe. Anwohner der Minen kritisieren, der Uranabbau habe zur radioaktiven Belastung von Grundwasser und Luft geführt, in der Region häuften sich Krebserkrankungen, Lungenerkrankungen und Missbildungen bei Neugeborenen – was die bisherige, zivile nigrische Regierung und Orano bestreiten.

Die senegalesische Rapperin Moonaya bringt in ihrem Lied „Il est temps“ („Es ist Zeit“) eine weitverbreitete Stimmung zum Ausdruck. Die 40-Jährige ruft Afrikanerinnen und Afrikaner auf, die Verhältnisse zu verändern, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. „Wenn ich wütend bin, dann deshalb, weil wir uns alles gefallen lassen. Wir lassen uns wie Ziegen melken. Es ist an der Zeit, dass wir den Ton angeben“, rappt sie. Die Ausbeutung von Ressourcen und Bevölkerung war bei keinem der Militärcoups der Grund für den Umbruch. Aber die Militärs können den Überdruss der Bevölkerung an den postkolonialen Strukturen für ihre Narrative nutzen.

Neue weltpolitische Blöcke

Spätestens seit Beginn des Ukrainekriegs im Februar 2022 ist in Afrika vieles im Umbruch. Rund um die Frage nach dem Umgang mit Russland haben sich neue weltpolitische Blöcke gebildet. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wer die UN-Sanktionen einhält und wer nicht. Immer mehr afrikanische Staaten wollen sich entweder nicht auf einen Block festlegen lassen, oder sie entscheiden sich offen für Russland – und damit gegen Europa. Denn viele haben den Eindruck, dass die Maßnahmen der Vereinten Nationen letztlich „westliche“ Sanktionen sind. Und vom Westen wollen sie sich nichts mehr vorschreiben lassen.

China und Russland können diesen Überdruss für ihre Selbstdarstellung nutzen: Sie seien die besseren Partner, hätten Afrika niemals kolonialisiert. Dass sie Völker in anderen Regionen unterworfen haben, spielt für die Stimmung in Afrika derzeit keine Rolle. (epd/mig) Ausland Leitartikel

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