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Viele Fragen, keine Antworten

Söder und Aiwanger schweigen zum Antisemitismus-Skandal

Augen zu und durch: Unter diesem Motto scharen sich CSU und Freie Wähler vor der Wahl hinter Markus Söder und Hubert Aiwanger. In einer Sondersitzung im Landtag bleibt eine von der Koalition befürchtete „Polit-Show“ aus: Die Opposition agiert ernst, aber umso deutlicher.

Von und Donnerstag, 07.09.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.09.2023, 17:17 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Dutzende offene Fragen, viel und deutliche Kritik – aber keine Antworten: Einen Monat vor der bayerischen Landtagswahl hat die Opposition Ministerpräsident Markus Söder und dessen Vize Hubert Aiwanger im Flugblatt-Skandal mangelnden Aufklärungswillen vorgeworfen. In einer Sondersitzung im Landtag wurde das Verhalten des CSU-Vorsitzenden und des Freie-Wähler-Chefs als insgesamt unwürdig oder auch rein taktisch kritisiert. Mehrere Redner forderten beide auf, vor dem Parlament zu zahlreichen offenen Fragen Stellung zu nehmen – vergeblich: Söder und Aiwanger schwiegen im Landtag zu der Affäre und überließen ihren Fraktionsspitzen die Verteidigung.

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„Viele Fragen sind offen, Sie werden sie wahrscheinlich nie beantworten“, kritisierte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Er setzte mit einer ernsten, aber deutlichen Rede zu Beginn den Ton für die Debatte im Zwischenausschuss, einer Art verkleinertem Plenum kurz vor Landtagswahlen. „Das ist einer bayerischen Regierung unwürdig.“

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Hartmann beklagte, wie weitere Oppositionsredner nach ihm und zuvor schon der Zentralrat der Juden, bei Aiwanger fehlende „Reue und Demut“. „Wie klingt für Sie eine ehrliche Entschuldigung? Wie sieht Reue aus, wie Bedauern?“, fragte er. Und sprach offensichtliche Widersprüche in Aiwangers Antworten zur Flugblatt-Affäre an: dass er einerseits angebe, der „Vorfall“ sei für ihn ein „einschneidendes Erlebnis“ gewesen, dann aber so viele Erinnerungslücken geltend mache. Den Ministerpräsidenten fragte Hartmann, ob und warum ihm Aiwangers Verhalten ausreiche, um den Minister im Amt zu belassen. Was ihn dazu gebracht habe, Aiwangers „Erzählung“ zu glauben. „Haben Sie bei Ihrer Entscheidung Machterhalt über Haltung gestellt?“

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Antrag auf Entlassung abgelehnt

Ein Antrag von Grünen und SPD auf Entlassung Aiwangers wurde von der Mehrheit im Zwischenausschuss abgelehnt – genauso wie gleich zu Beginn Anträge auf eine förmliche Befragung Söders und Aiwangers.

Aiwanger hatte vor zwei Wochen zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf bezichtigte sich sein Bruder als Verfasser. In der Folge wurden immer mehr Vorwürfe zu Aiwangers damaligem Verhalten erhoben. Nach mehreren Tagen entschuldigte er sich, ging aber zugleich zum Gegenangriff über und beklagte eine politische Kampagne gegen sich. Söder hält aber an ihm fest: Eine Entlassung wäre nicht verhältnismäßig, erklärte Söder am Sonntag.

Klare Fronten im Landtag

Die Fronten im Landtag waren auch vor der Sondersitzung am Donnerstag von vornherein klar: CSU und Freie Wähler wollen ihre Koalition auch nach der Wahl am 8. Oktober fortsetzen. Auch Söder selbst hatte – sogar auf dem Höhepunkt der Affäre um seinen Vize – keine Gelegenheit ausgelassen, sich zu den Freien Wählern zu bekennen. Ein mögliches schwarz-grünes Regierungsbündnis schließt er weiter kategorisch aus.

Söder habe eine Entscheidung mit Augenmaß und Haltung getroffen und sich dabei nicht von „Geschrei“ der Opposition beeindrucken lassen, sagte der parlamentarische CSU-Geschäftsführer Tobias Reiß. Es gebe eben keinen Beweis, dass Aiwanger als Schüler das Hetzblatt verfasst oder verbreitet habe. „Dagegen steht seine Erklärung, dass er es nicht war.“ Reiß übte aber gleichwohl harsche Kritik an Aiwanger. Dessen Glaubwürdigkeit habe durch den Umgang mit den im Raum stehenden Vorwürfen und das Krisenmanagement Schaden genommen. Aiwanger habe sich entschuldigt – aber spät. „Aufrecht, mutig und direkt heraus sein muss man nicht nur im Bierzelt.“

„Das Lied der Rechtspopulisten“

Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl verteidigte Aiwanger: „Innerhalb einer Woche diese Aufklärung zu liefern, ist bei dem Sachverhalt sehr gut“, sagte er. Der Vize-Ministerpräsident habe letztlich „glaubhaft versichert, nicht der Verfasser des Flugblatts zu sein“, und sich entschuldigt, sagte Streibl. „Es erfordert Mut, Fehler einzugestehen, und diesen Mut hat Hubert Aiwanger bewiesen.“ Der Opposition warf Streibl Doppelmoral vor. Durch die Vorwürfe sei „für amerikanische Wahlkampfverhältnisse gesorgt“ worden, während den Freien Wählern und Aiwanger Populismus vorgeworfen werde, sagte er.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn warf Aiwanger vor, sich zum Opfer zu stilisieren, das sei „unwürdig“. „Es geht aber nicht um Sie. Es geht um das Amt und das Ansehen des Freistaats Bayern.“ Von Brunn warf Aiwanger zudem vor, es sei auch bei dessen Rede auf einer Kundgebung in Erding deutlich geworden, dass er Menschen aufwiegele, um daraus politisch Profit zu schlagen. Das sei ein klares Zeichen für Rechtspopulismus. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze warnte: „Das Lied der Rechtspopulisten zu singen macht deren Chor nur lauter und größer. Das ist fatal.“ Kein Demokrat und keine Demokratin dürfe dies tun.

Weitgehend ohne „Wahlkampftöne“

FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte: „Was ein Mensch mit 16 Jahren gesagt oder getan hat, darf ihn nicht ein Leben lang für politische Ämter disqualifizieren.“ Er kritisierte aber Aiwangers Umgang mit der Affäre – und dass dieser nicht bereit sei, sich im Landtag zu erklären. AfD-Fraktionschef Ulrich Singer nahm Aiwanger dagegen in Schutz. „Was wir da erlebt haben, war ein politisches Schmierentheater“, sagte Singer. Der Freie-Wähler-Chef sei von Söder mit dessen Fragenkatalog behandelt worden „wie ein Schuljunge“.

Die Sitzung des Zwischenausschusses ging nach rund zwei Stunden zu Ende. Dieses spezielle Gremium ist kurz vor Landtagswahlen für die Beratung dringender Angelegenheiten zuständig, ihm gehören aktuell 51 der insgesamt 205 Abgeordneten an. SPD, Grüne und FDP hatten die Sitzung beantragt. Es war erst das siebte Mal in der Geschichte des Landtags, dass der Zwischenausschuss zusammenkommen musste. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) lobte auf X (ehemals Twitter), dass die Sitzung weitgehend ohne „Wahlkampftöne“ abgelaufen sei. (dpa/mig) Aktuell Politik

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