„Schande“
Streit um Neuorganisation der Ausländerbehörden
Deutschland sucht händeringend Fachkräfte. Gleichzeitig warten vor Ausländerbehörden Menschen vergeblich auf Dokumente, die sie für ihre Arbeit benötigen. Ein unhaltbarer Zustand, findet die SPD.
Mittwoch, 13.09.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.09.2023, 8:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Als Folge der chaotischen Zustände bei Ausländerbehörden fordert die baden-württembergische SPD-Fraktion die Schaffung eines zentralen Landeseinwanderungsamts. Damit soll die Personalpolitik zentralisiert werden, heißt es in einem Positionspapier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und das die SPD-Fraktion am Mittwoch auf ihrer Klausurtagung in Münsingen (Kreis Reutlingen) beschlossen hat.
Die Außenstellen des Einwanderungsamts sollen dabei die bisherigen unteren Ausländerbehörden ersetzen. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) sprach im Zusammenhang mit dem Chaos an der Ausländerbehörde in Stuttgart von einer „Schande für eine internationale und wirtschaftsstarke Stadt“. Es sei eine Zumutung für die Bürgerinnen und Bürger. „Bei den Bürgerbüros sieht es nicht besser aus.“
„Eine langfristige Verbesserung der Situation, insbesondere die Möglichkeit einer zentralen Personal- und Entscheidungspolitik, kann möglicherweise nur durch die Schaffung eines Landeseinwanderungsamts – wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen – geschaffen werden“, heißt es in dem SPD-Papier. Kommunale Dienstleistungen, die keinen dezidiert ausländerrechtlichen Bezug hätten, wie etwa An- und Ummeldungen, sollten aus der Struktur des Landeseinwanderungsamts ausgegliedert und in die kommunalen Bürgerämter eingegliedert werden.
Ausländerbehörden am Anschlag
„Wir sehen, dass es kaum einheitliche Entscheidungen gibt“, kritisierte SPD-Generalsekretär Sascha Binder die Zustände. Die Verwaltung müsse schneller und digitaler werden. Das zuständige Ministerium habe derzeit nicht mal Überblick, was an Anträgen da sei, es gebe keinerlei Austausch.
Das für Migration zuständige Justizministerium wehrte sich entschieden gegen die Kritik. Die Landesregierung plane bereits, eine zentrale Stelle für die Fachkräfteeinwanderung einzurichten, sagte Migrations-Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) am Mittwoch. Die SPD-Forderung gehe am Kern des Problems vorbei. Die Ausländerbehörden seien deshalb am Anschlag, weil sie sich um immer mehr Menschen kümmern müssten, ohne ausreichend Personal dafür zu finden. „Während die Ausländerverwaltung in Baden-Württemberg 2011 noch für rund 1,15 Millionen Ausländer zuständig war, waren es 2022 bereits über 2 Millionen. Das Pensum nimmt kontinuierlich zu. Das lässt sich auch nicht wegzentralisieren“, sagte Lorek. SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser müsse sich konsequent dafür einsetzen, irreguläre Migration zurückzudrängen.
Lange Schlangen in Stuttgart
„Die Schaffung einer zentralen Ausländerbehörde ist längst Bestandteil unserer Fachkräftestrategie und wird von der Grün-Schwarzen Koalition umgesetzt“, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. „Alle Ebenen der Arbeitsmigration – angefangen von den deutschen Auslandsvertretungen bis hin zu örtlichen Ausländerbehörden – sollen sich als Dienstleister verstehen.“
Besonders die Stuttgarter Ausländerbehörde steht derzeit in der Kritik, weil sich bereits am frühen Morgen dort regelmäßig lange Schlangen bilden. Ausländer, die häufig für die Arbeit angewiesen sind und auf wichtige Dokumente oder eine Verlängerung der Duldung benötigen, warten stundenlang mit Campingstühlen und Decken auf einen Termin. Firmen hatten die Zustände ebenso kritisiert wie der Flüchtlingsrat.
Schimpfen helfe nicht weiter, betonte Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler). Die Überlastung der Ausländerbehörde sei kein spezielles Stuttgarter Problem. Sehr viele Städte seien bundesweit in einer Notlage. Überall steige die Arbeitslast, gleichzeitig fehlten die Menschen, um die Aufgaben kompetent abzuarbeiten. „Wir sind uns der Belastungen für die Kundinnen und Kunden, aber auch unserer Mitarbeitenden sehr bewusst.“ Entlastung soll laut Stadt mehr Personal bringen. Bis zum Jahresende sollen demnach 17 vakante Stellen neu besetzt werden. (dpa/mig) Aktuell Politik
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