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Populismus made in Bavaria

Wahlkampf im Extremfall auch rassistisch

Ein Gespenst geht um in Bayerns Wahlkampf - das Gespenst des Populismus. Das ist nicht wirklich neu, auch als Teil der Identitätspolitik - gegen alles Fremde. Keine drei Wochen vor der Wahl ist es aber an der Zeit, über Populismus zu sprechen.

Von Donnerstag, 21.09.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.09.2023, 15:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Versprechungen, Vorwürfe, Verlockungen: In Wahlkampfzeiten wird gerne viel geredet. Die politische Auseinandersetzung mit der Konkurrenz gehört zum Standardrepertoire aller Parteien und Politiker. Doch auch im bayerischen Landtagswahlkampf taucht der Begriff Populismus immer wieder auf – oft als Vorwurf an den politischen Gegner gerichtet. Grund genug, der Sache nachzugehen: Wer ist eigentlich ein Populist? Und weitet sich das Populismus-Phänomen auf alle Parteien, links wie rechts, aus?

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Um es gleich vorwegzunehmen: Populismus ist längst keine Ausnahme. So präsentiert etwa Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fast täglich in den sozialen Medien seine „volksnahen“ kulinarischen Vorlieben. Gerne garniert mit einem Schuss Grünen-Kritik – „söderisst“, sein Hashtag, sei ein Paradebeispiel für Gastropopulismus, sagt Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.

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Wissenschaftler debattieren schon lange über eine Definition von Populismus. Letztlich gibt es drei Ansätze: Populismus ist entweder eine dünne Ideologie, eine Strategie zum Erwerb oder Erhalt von Macht oder ein Kommunikationsstil. Um populistische Botschaften zu verbreiten, sind soziale Medien mit ihren Mechanismen wie Provokation, Tabubruch und Emotionalität für populistische Strömungen sehr nützlich, betont Olaf Hoffjann, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Bamberg.

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Alle Erkläransätze haben gemein, dass Populisten damit argumentierten, „dass es einen grundsätzlichen Widerspruch in der Gesellschaft gibt zwischen den Eliten da oben, die korrupt sind, die nur an sich selbst denken und dem einfachen, reinen Volk hier unten“, erklärt Kai Arzheimer, Professor am Institut für Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Dass man über Eliten spricht, zu denen man eigentlich selbst dazugehört, ist nicht neu“, betont der Extremismusforscher. Man denke an Donald Trump oder Boris Johnson – klassische Populisten. Spannend sei, wer genau sich als Elite, Volk oder Gegner definiere.

„Demokratie zurückholen“

Auch die „Demokratie zurückholen“-Aussage von Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger bei einer Demo in Erding wirkt da wie ein Lehrstück: „Das war natürlich klar populistisch“, sagt Hoffjann. Aiwanger geriet zudem in die Kritik, nachdem bekannt wurde, dass er als Schüler ein antisemitisches Flugblatt bei sich trug. Er bestreitet, das Hetzblatt verfasst zu haben, bekannt dazu hat sich sein Bruder.

Geht es im Populismus um „wir gegen die da oben“, dann überrascht Aiwangers Haltung in der Flugblatt-Affäre angesichts seiner früheren populistischen Äußerungen nicht: „Er sah sich als Opfer etablierter Medien, die eine Schmutzkampagne gestartet hätten, gegen die er sich wehren musste“, erklärt Hoffjann. Eine Entschuldigung hätte im völligen Gegensatz zum Auftreten der vergangenen Jahre gestanden.

Populismus ist salonfähiger geworden

Söder entschied sich gegen eine Entlassung seines Ministers – und plant gar fest mit einer Fortsetzung der Koalition. Mit der Entlassung hätte Söder ein Signal gegen „das populistische Gebaren Aiwangers“ setzen können, betont Hoffjann. Das Festhalten an der Koalition und das Umfragehoch dürfte Aiwanger als Ermutigung für sein populistisches Verhalten sehen. „Der Populismus ist in Bayern damit wieder ein Stück salonfähiger geworden.“

Angesichts dessen ist die Wahlkampfstimmung in Bayern durchaus ernüchternd. „Söder wird populistischer, Aiwanger wird ohnehin populistischer – die werden lauter, polarisierender“, sagt Hoffjann. Den Ministerpräsidenten interessiere „die Wahrheit in Teilen eben auch nicht“. Und über Aiwanger könnte man mit guten Argumenten sagen, „dass er den politischen Diskurs vergiftet, aber es scheint ihm zu gelingen, dass die AfD nicht so groß wird“. Ob sich das am Wahlabend bewahrheiten wird, bleibt abzuwarten, denn je nach Institut liegt die AfD in Bayern neben den Grünen und den Freien Wählern zwischen 14 und 17 Prozent.

Zugleich scheint die Opposition nicht mit denselben populistischen Mitteln für Schlagzeilen zu sorgen, so Hoffjann. „Das ehrt die natürlich, aber so sind Grüne, SPD, FDP in Bayern kaum wahrnehmbar. Also sie werden nicht gehört, sie sind nicht bekannt und man weiß auch wenig über die Themen, die ihnen am Herzen liegen.“

Populismus als Identitätspolitik

Als Identitätspolitik sei Populismus aber nicht nur gegen Eliten gerichtet, sondern gegen alles Fremde. Hoffjann erklärt, dass er auch eine „nationale Komponente“ habe, die im Extremfall auch rassistische Aspekte beinhalten könne. So bediene sich die AfD auch in Bayern etwa des Vergleichs von Migranten mit einem unaufhaltbaren Strom und warne vor einer „Flutung“ mit „kulturfremden Einwanderern“. Arzheimer betont, die AfD habe sich lange Zeit nur von einem Thema ernährt: Zuwanderung.

Kurz vor der Landtagswahl in Bayern beteiligen sich längst alle Parteien an der Immigrationsdebatte – auch Söder hat das Thema wieder entdeckt und spricht von einer „Integrationsgrenze“. Rechtspopulisten versuchen daher, neue Themen zu finden, etwa den für die Grünen zentralen Klima- und Umweltschutz. So warnt die AfD vor dem „Einfluss der ideologisierten und politisierten „Klimaforschung“„. Wenn auch Mitte-Rechts-Parteien „sich darauf stürzen und von „Klimadiktatur“ sprechen, spielt das der AfD in die Hände“, betont Arzheimer. (dpa/mig) Aktuell Politik

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