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Ex-Lampedusa-Bürgermeisterin

Nicolini: „Die Öffentlichkeit hat sich an Schiffsunglücke gewöhnt.“

Giuseppina Nicolini war von 2012 bis 2017 Bürgermeisterin von Lampedusa. Im Oktober 2013 ertranken vor der italienischen Insel mehr als 360 Menschen beim Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Im Gespräch erklärt Nicolini, warum sie heute aktiv ist bei der freiwilligen Flüchtlingshilfe.

Von Dienstag, 03.10.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 03.10.2023, 11:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Sie waren vor zehn Jahren Bürgermeisterin – wie haben Sie den 3. Oktober 2013 erlebt?

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Giuseppina Nicolini: Das war eine existenzielle Erfahrung. Ich bekomme den Anruf und man sagt mir: Das Meer ist voller Körper. Und es war nicht klar, wie viele Menschen gestorben waren und wie viele gerettet werden könnten. Für mich war dieser Tag ein Albtraum. Was wir bei der Bergung der Toten alles erlebt haben, ist einfach zutiefst belastend. Auf der anderen Seite sind aber die Geretteten. Mit vielen haben wir bis heute noch Kontakt. Eine Gruppe von Überlebenden kehrt jedes Jahr zum Gedenktag nach Lampedusa zurück. Zu diesen Menschen ist eine enge Bindung entstanden.

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Danach war die Aufmerksamkeit in Europa groß. Was hat sich Ihrer Meinung nach in diesen zehn Jahren verändert?

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Auch deshalb denke ich heute mit viel Wut zurück. Denn dieses Unglück war gleichzeitig der Tag, an dem die Kameras eingefangen haben, was hier passiert. Die aufgereihten Särge lösten eine enorme Welle der Empörung aus, was wiederum die Europäische Union zwang, das Thema Migration auf die Tagesordnung zu setzen. Endlich begann die Diskussion über europäische Solidarität. Ich sage mal bis 2015 hatten wir wirklich die Hoffnung, dass sich etwas ändern würde. Aber dann begann die Wiederbelebung nationaler Egoismen, vor allem auf wirtschaftlicher Ebene. Und die Öffentlichkeit hat sich an die Meldungen über Schiffsunglücke gewöhnt.

Am 12. September dieses Jahres kamen mehr als 100 Boote und geschätzt 5.000 Migrantinnen und Migranten innerhalb von 24 Stunden auf Lampedusa an. Was fordern Sie von der Politik?

Ich mache der italienischen Regierung den Vorwurf, dass sie keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hat. Denn schon das ganze Jahr über stieg die Zahl derer, die von Nordafrika aus nach Lampedusa kommen, extrem. Man hätte die Überwachung des Meeres weiter nach Süden verlegen müssen. Und auch nicht nur die kleinen Motorboote unserer Küstenwache einsetzen. Die können höchstens 100 bis 120 Menschen aufnehmen. Man sollte wieder die Schiffe der Marine einsetzen, wie es bei der Operation „Mare Nostrum“ gemacht wurde, wie es Teile der Opposition schon seit Monaten fordern. Dann könnte man die Menschen direkt ans Festland bringen und es entstünde nicht so eine Notstands-Situation wie in diesen Tagen auf Lampedusa. Am besten wäre es natürlich, wenn es eine EU-Seenotrettungsmission gäbe. (epd/mig) Aktuell Interview Panorama

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