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Politik-Check

Welche flüchtlingspolitischen Forderungen der Union taugen überhaupt?

Was tun angesichts steigender Asylbewerber-Zahlen? Die Union drängt die Ampel-Regierung zu Verschärfungen: Abschiebungen, Grenzkontrollen, Sachleistungen, Obergrenze. Aber: Sind diese Forderungen überhaupt umsetzbar? Ein MiGAZIN-Check:

Von Sonntag, 08.10.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.10.2023, 17:30 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Von Januar bis August stellten mehr als 200.000 Menschen erstmals einen Asylantrag in Deutschland, die meisten aus Syrien und Afghanistan. Das ist ein Anstieg um 77 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Trotz dieses Anstiegs liegen die Zahlen aber weit unter den Werten vor acht Jahren. Damals wurden allein im Jahr 2016 rund 746.000 Erstanträge auf Asyl gezählt. Neu ist, dass jetzt mehr als eine Million ukrainische Kriegsflüchtlinge sich hier aufhalten, die aufgrund einer EU-Sonderregelung allerdings keinen Asylantrag stellen müssen.

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Die Kommunen ächzen, warnen vor Überlastung und fordern mehr Hilfe vom Bund. CDU-Chef Friedrich Merz verlangt von Kanzler Olaf Scholz (SPD) direkte Gespräche nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen am Sonntag, „um gemeinsam das Problem der illegalen Migration nach Deutschland schnell zu lösen“ – so zumindest ließ Merz sich vor Kurzem auf der Plattform X (vormals Twitter) zitieren. Doch ist das überhaupt vorstellbar? Ein Überblick zu aktuellen Forderungen.

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Sichere Herkunftsländer

Bei Ländern, die als sogenannte sichere Herkunftsstaaten deklariert werden, geht man davon aus, dass es dort in der Regel weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gibt und dem betroffenen Ausländer damit in seiner Heimat kein ernsthafter Schaden droht. Aktuell gilt das für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Ghana, Senegal, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo und Montenegro. Das soll unkompliziertere Asylverfahren ermöglichen.

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Die Liste soll nun auf Georgien und Moldau erweitert werden – was auch die Grünen mit Verweis auf die EU-Perspektive dieser Länder mittragen. Grundsätzlich lehnen sie das Konzept aber ab, eine Erweiterung etwa auf die nordafrikanischen Maghreb-Staaten ist damit nicht in Sicht.

Obergrenze

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat zuletzt eine „Integrationsgrenze“ für die Aufnahme von Geflüchteten von etwa 200.000 Menschen pro Jahr ins Gespräch gebracht. Er selbst sprach von einem „Richtwert“. Mehr als ein politisch erklärtes Ziel kann eine solche „Grenze“ angesichts des im Grundrecht garantierten individuellen Rechts auf Asyl und völkerrechtlicher Verpflichtungen derzeit aber auch nicht sein.

Sachleistungen

FDP- und Unionspolitiker fordern Sachleistungen statt Bargeld für Asylbewerber, um Anreize für die Einreise nach Deutschland zu mindern. Söder hatte für Bayern ein entsprechendes Programm angekündigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) winkt das als „Wahlkampfgetöse“ ab. „Er hat das 2018 auch schon angekündigt, aber nicht umgesetzt“, sagte Faeser. Hintergrund: Die Verteilung von Sachleistungen würde Kommunen weiter belasten, weil die Verwaltung und Organisation von Sachleistungen deutlich mehr Aufwand mit sich bringen. Dort, wo dieses Modell zeitweise erprobt wurde, hat es sich nicht als praktikabel erwiesen und wurde wieder eingestellt.

EU-Asylreform

Nach jahrelangen, weitgehend erfolglosen Verhandlungen versuchen die EU-Staaten derzeit, Verschärfungen der gemeinsamen Asylregeln zu verabschieden. Das ist aus deutscher Sicht auch deshalb wichtig, weil Geflüchtete, die erst einmal Europa erreicht haben, sich dort relativ frei bewegen können. Ein Kernpunkt sind Zentren, in denen Menschen, die aus recht sicheren Ländern kommen, unter haftähnlichen Bedingungen für in der Regel zwölf Wochen untergebracht werden sollen. Wer keine Chancen auf Asyl hat, soll von dort wieder zurückgeschickt werden. Insbesondere die deutschen Grünen tun sich mit den geplanten Verschärfungen allerdings schwer.

Abschiebungen

Die Forderung nach mehr Abschiebungen ist ein Dauerbrenner in der deutschen Flüchtlingsdebatte. Wer hierzulande kein Asyl oder anderen Schutz erhält und auch nicht etwa wegen Krankheit vorerst als Geduldeter bleiben darf, soll Deutschland wieder verlassen müssen, zur Not auch gegen seinen Willen. Das setzt allerdings die Kooperationsbereitschaft jener Länder voraus, in die Menschen abgeschoben werden sollen, in der Regel die Herkunftsstaaten. Die haben aber oft wenig Interesse daran, da das bei der eigenen Bevölkerung unpopulär ist und da die Betroffenen wenn möglich auch die Familie daheim finanziell unterstützen.

Grenzkontrollen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat jüngst verstärkte flexible Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen angekündigt. Ähnliche Forderungen kommen aus CDU und CSU seit Längerem. Gerade erst haben CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), in dem Boulevardblatt „Bild“ gemeinsam für stationäre Grenzkontrollen zur Schweiz, zu Polen und zu Tschechien geworben – an der Grenze zu Österreich gibt es sie schon.

Auch deren Nutzen als Instrument gegen unerwünschte Zuwanderung wird allerdings bezweifelt. Denn wer an der Grenze Asyl verlangt, dessen Antrag muss in der Regel auch geprüft werden. Das tut offenbar nicht jede und jeder, wie die Zurückweisungen an der österreichischen Grenze zeigten, schreibt der Rechtswissenschaftler Daniel Thym im „Verfassungsblog“. Eine gewisse Abschreckungswirkung gebe es wohl. Allerdings verlagerten sich Einreiserouten erfahrungsgemäß, wenn Abschnitte kontrolliert würden und wer einmal zurückgewiesen werde, könne es anderswo wieder versuchen. „Es gibt keine Statistik, wie viele zurückgewiesene Personen später doch einreisen“, schreibt Thym.

Selbst Faeser sagte jüngst der „Welt am Sonntag“: „Man sollte aber nicht suggerieren, dass keine Asylbewerber mehr kommen, sobald es stationäre Grenzkontrollen gibt.“ Wenn eine Person an der Grenze um Asyl bitte, müsse der Asylantrag in Deutschland geprüft werden. Entscheidend bleibe also der Schutz der EU-Außengrenzen. Der ist allerdings ähnlich schwierig.

Migrationsabkommen

Geben und Nehmen ist die Grundidee sogenannter Migrationsabkommen. Ohne das Herkunftsland ist es schließlich schwer, gegen unerwünschte Zuwanderung vorzugehen und erwünschte Zuwanderung von Arbeitskräften oder Studierenden zu ermöglichen, was auch im Interesse der anderen Seite sein kann. In Deutschland soll der Sonderbevollmächtigte Joachim Stamp (FDP) das Thema vorantreiben. Mit Indien gibt es bereits ein solches Abkommen, mit mindestens sechs weiteren Staaten wird derzeit über einen Abschluss verhandelt. Stamp sei derzeit mit mehreren Ländern in vertraulichen Gesprächen, teilte das Bundesinnenministerium der Deutschen Presse-Agentur mit. „Aktuell genannt werden können dabei Georgien, Moldau, Kenia, Kolumbien, Usbekistan und Kirgistan.“

Auf EU-Ebene gibt es ähnliche Bemühungen mit der Möglichkeit, im Falle mangelnder Kooperation die Vergabe von Visa einzuschränken – was sich in der Praxis aber angesichts unterschiedlicher Interessen der EU-Staaten als schwierig erweist. (dpa/mig) Aktuell Politik

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