Flache Erde vermisst Adolf
Bayerns neue AfD-Fraktion: Größer, radikaler und näher an Höcke
Mit 32 Personen wird die AfD nach ihrem Rekordwahlergebnis im bayerischen Landtag vertreten sein. Unter den Abgeordneten sind viele Neulinge, deren bisherige Aussagen eine eindeutige Sprache sprechen: „Adolf, bitte melde Dich!“ Und auch die Wahl der Fraktionsspitze ist ein klares Signal.
Von Marco Hadem, Christoph Trost und Sabina Crisan Donnerstag, 19.10.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.10.2023, 10:21 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Keine Zahl belegt den Rechtsruck in Bayern derart gut wie die Größe der neuen AfD-Fraktion im Landtag. Von 17 auf 32 wächst die Abgeordnetengruppe, bei der nicht nur die Sitzplätze im Maximilianeum am äußersten rechten Rand zu finden sind. Unter den Mandatsträgern sind 18 Neu-Parlamentarier, denen bereits vor der konstituierenden Sitzung des Landtags am 30. Oktober der Ruf voraus eilt, mit ihnen würde die Fraktion noch weiter nach rechts rücken. 14,6 Prozent hatte die AfD bei der Wahl am 8. Oktober erhalten.
So fern der parlamentarische Alltag derzeit noch ist, in einer Sache dockt die AfD praktisch nahtlos an die vergangene Legislatur an: Die Fraktion bleibt gespalten in zwei politische Lager. Jedoch ziehen künftig aus allen Regierungsbezirken deutlich mehr Kandidaten ins Maximilianeum ein, die dem radikal-völkischen Netzwerk des formell aufgelösten „Flügels“ um den Rechtsextremen Björn Höcke aus Thüringen zugerechnet werden – je nach Lesart 19 bis 22 Personen.
Zu den vielen neuen Gesichtern in der Fraktion zählt der Oberpfälzer Benjamin Nolte, der 2018 noch den Einzug verpasst hatte. Er ist Mitglied bei den Alten Herren der rechtsextremen Münchner Burschenschaft Danubia. Unter den neuen Abgeordneten ist zudem der Augsburger Andreas Jurca, der nach eigenen Angaben Ende Juli nach einer Grillfeier von Unbekannten angegriffen und den Bildern zufolge massiv verletzt worden war.
Radikale „Flügler“ klar in der Mehrheit
Zur zahlenmäßig deutlich größeren Fraktion gehören wie bisher auch die beiden Spitzenkandidaten der Wahl, die Niederbayerin Katrin Ebner-Steiner und der Oberfranke Martin Böhm. Beiden wird schon lange ein guter Draht ins Höcke-Lager nachgesagt – Ebner-Steiner gilt gar als enge Vertraute des Thüringers. In der vergangenen Legislatur war noch der Hälfte der AfDler in der Fraktion eine kritische Haltung zum „Flügel“ nachgesagt worden. In der Folge hatte es eine regelrechte Spaltung gegeben, was am Ende auch dazu führte, dass es mehrfach Umbesetzungen im Fraktionsvorsitz gegeben hatte.
Inzwischen aber sind die „Flügler“ wieder klar in der Mehrheit. Das zeigt sich auch in der Wahl der Fraktionsspitze, die den neuerlichen und weiteren Rechtsruck quasi manifestiert: Ebner-Steiner ist fortan alleinige Fraktionschefin. Sie erhält am Mittwoch 27 Stimmen, wie sie anschließend mitteilt – bei vier Nein-Stimmen und einer Enthaltung.
Flache Erde vermisst Adolf
Ebner-Steiner betont, wie in den Jahren zuvor immer wieder – und damals immer wieder vergeblich: Man werde fortan „geeint“ auftreten. Es gebe keine „Gegenseite“. „Wir machen das jetzt alles gemeinsam“, sagt sie. Wobei sie diesmal weiß: Eine klare Mehrheit steht nun hinter ihr.
Neben Ebner-Steiner sind in der Fraktion nur noch zwei weitere Frauen, Ramona Storm aus Unterfranken und Helene Roon aus Mittelfranken. Erstere sorgte vor der Wahl mit skurrilen Aussagen zur Erde als Scheibe für Aufsehen, als sie im „Main-Echo“ erklärte, sie könne nicht abschließend beurteilen, ob die Erde flach sei. Letztere soll laut Medienberichten 2017 in einer internen Chatgruppe ein Bild von Adolf Hitler mit dem Satz „Vermisst seit 1945 – Adolf bitte melde Dich! Deutschland braucht Dich!“ [sic!] verbreitet haben. Dies hatte auch eine parteiinterne Untersuchung nach sich gezogen.
Innige Feindschaft
Für den bisherigen Fraktionschef Ulrich Singer war schon vor der ersten Fraktionssitzung klar: Seine Tage als Vorsitzender sind gezählt. „Die Mehrheitsverhältnisse sind nun so, dass meine Dienste als Fraktionsvorsitzender wohl nicht mehr benötigt werden“, sagte er schon vorab.
Vor der konstituierenden Fraktionssitzung waren zudem vereinzelt Gerüchte zu hören gewesen, es könnten nicht automatisch alle Gewählten auch in die Fraktion aufgenommen werden. Konkret fiel der Name Franz Bergmüller, den mit Ebner-Steiner eine innige Feindschaft verbindet. Aber: Sollte es derartige Überlegungen tatsächlich gegeben haben, wurden sie fallengelassen.
Schrumpfen vorprogrammiert?
Am Ende dürfte die Aussicht auf die exponierte Rolle im Landtag die zerstrittenen Lager zusammenschweißen: Sollte die AfD-Fraktion auch nur um ein Mitglied schrumpfen, wären die Grünen stärkste Oppositionskraft, was bestimmte Privilegien im parlamentarischen Alltag mit sich bringt. Erst einmal sind beide Fraktionen zahlenmäßig gleich stark, mit 32 Abgeordneten, wobei die AfD nach dem vorläufigen Endergebnis der Landtagswahl prozentual knapp vor den Grünen lag. Die AfD kann sich also keinen Abgang leisten.
Zur Erinnerung: In der vergangenen Legislatur war die Fraktion von 22 auf nur noch 17 Mitglieder geschrumpft – wegen des fortwährenden Streits. Und weil Einzelnen die AfD irgendwann selbst zu rechts wurde – so lauteten jedenfalls manche Austrittsbegründungen. (dpa/mig) Aktuell Politik
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