„Bündnis Wagenknecht“
Neue linke Partei mit strikter Asylpolitik
Das könnte die deutsche Parteienlandschaft in Bewegung bringen: Sahra Wagenknecht treibt ihr Projekts voran, die Gründung einer neuen, migrationsfeindlichen Partei. Ihre Noch-Partei übt scharfe Kritik. Und auch die AfD schaut interessiert hin.
Von Verena Schmitt-Roschmann und Jörg Ratzsch Donnerstag, 19.10.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.10.2023, 15:33 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Es ist soweit: Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ kommt. Das Büro der Linken-Politikerin bestätigte am Donnerstag, dass nach monatelangem Vorlauf am Montag zunächst ein Verein dieses Namens offiziell vorgestellt wird. Dies gilt als konkreter Schritt zur Gründung einer eigenen Wagenknecht-Partei, die eine linke Sozialpolitik mit strikter Asylpolitik und einer Abkehr von allzu scharfem Klimaschutz verbinden könnte. Geplant ist ein Auftritt mit mehreren Mitstreitern am Montagvormittag (10.00 Uhr) in der Bundespressekonferenz (BPK), wie aus einer BPK-Terminankündigung am Donnerstag hervorging.
Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler wirft Wagenknecht einen „Egotrip“ vor, denn die Linke muss nun einen weiteren Niedergang fürchten. Aber auch andere Parteien schauen genau hin, darunter die AfD.
Mehrere Menschen aus Wagenknechts Umfeld hatten schon am Mittwoch Informationen des „Spiegel“ und des ZDF zur Vorbereitung der Parteigründung weitgehend bestätigt. Am Montag werde Wagenknecht zunächst die Gründung des Vereins „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ öffentlich vorstellen – des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“. Dieser Verein ist bereits seit einigen Wochen registriert und gilt als Vorstufe zur Parteigründung. Einige in der Linken sagen, es sei eine Spendensammelinstitution. Die Partei selbst werde erst im Januar gegründet, weil dies günstiger für die staatliche Parteienfinanzierung sei.
Wagenknecht hat immer wieder gesagt, sie halte eine neue Partei für wünschenswert und nötig. Eine öffentliche Festlegung scheute die 54-Jährige aber bisher. Mit der Linken hat sie sich in wichtigen Punkten wie der Migrations- und der Klimapolitik inhaltlich längst entzweit. Öffentlich sagte Wagenknecht zuletzt, ihre Verbindung mit der Linken sei für sie abgehakt. Gegen sie läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Wissler: Gründung „verantwortungslos“
Parteichefin Wissler sagte am Mittwochabend in den ARD-„Tagesthemen“, sie halte die Gründung einer Konkurrenzpartei für völlig verantwortungslos. „Angesichts der verheerenden Politik der Ampel“ müsse eine linke Bundestagsabgeordnete Opposition gegen die Bundesregierung machen und Alternativen vorlegen.
Vizechefin Nicole Gohlke forderte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur alle, die in einem solchen Verein am Aufbau eines anderen Parteiprojekts arbeiten, auf, „über die Linke erworbene Mandate niederzulegen“. „Das wäre ein Gebot des Anstands, denn die Menschen haben die Linke gewählt.“ Zudem schließe sich die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Linken und in einem Verein zum Aufbau eines anderen Parteienprojekts politisch aus.
Linke Fraktion in Gefahr
Die mögliche Spaltung ist vor allem für die Linken-Bundestagsfraktion problematisch. Sie hat nur noch 38 Abgeordnete. Träten Wagenknecht und ihre acht bis zwölf Unterstützer aus, würde es für die Linke nicht mehr für eine eigene Fraktion reichen. Man könnte nur noch als Gruppe weiter machen – oder eben als zwei konkurrierende Gruppen. Ohne Fraktionsstatus ginge finanzielle staatliche Unterstützung verloren, es gäbe weniger Redezeit und weniger parlamentarische Rechte.
Das könnte ein Grund sein, warum Wagenknecht zunächst den Verein auf den Weg bringt: Möglicherweise wollen sie und ihre Unterstützer bis zur Parteigründung noch in der Fraktion bleiben, mit dem Argument, da stünden auch eine Menge Mitarbeiterjobs auf dem Spiel und die könnte man so noch eine Weile retten. Ob die Hängepartie weiter politisch durchzuhalten ist, scheint aber sehr fraglich. Wissler sagte in der ARD, wenn es die Fraktion nicht mehr gebe, dann sei das allein die Verantwortung von Wagenknecht und ihrer Unterstützer.
Einige davon sind am Montag bei der Vorstellung ihrer Pläne in der Bundespressekonferenz auch gleich dabei, wie aus der entsprechenden Terminankündigung am Donnerstag hervorging. Neben Wagenknecht auf dem Podium sollen demnach die bisherige Co-Vorsitzende der Linksfraktion Amira Mohamed Ali, ihr enger Vertrauter und Fraktionskollege Christian Leye, der ehemalige Geschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön, und der Unternehmer Ralph Suikat Platz nehmen. Der Karlsruher Millionär hatte sich für die Initiative Taxmenow (Besteuert mich) eingesetzt, die für Vermögenssteuern für Millionen- und Milliardenvermögen eintritt.
Demoskopen sehen Potenzial
Die mögliche Parteigründung weckt so großes Interesse, weil sie die politische Landschaft verschieben könnte. Demoskopen räumen einer Wagenknecht-Partei ein vergleichsweise hohes Potenzial ein. In einer YouGov-Umfrage hatte Ende September fast jeder dritte befragte Wahlberechtigte (29 Prozent) im Osten des Landes angegeben, sich grundsätzlich vorstellen zu können, eine neue Partei unter Führung Wagenknechts zu wählen. Im Westen waren es 19 Prozent.
Solche Umfragen sagen aber wenig darüber, wie viele Menschen sich tatsächlich so entscheiden würden. Auch ist bisher nicht völlig klar, wofür die Partei stehen soll. Wagenknecht hat sich als scharfe Kritikerin der Ukraine-Politik der Bundesregierung und der Energiesanktionen gegen Russland positioniert. Sie ist für den Import von billigem Erdgas und gegen allzu strikte Klimaschutzpolitik. Sie plädiert zudem für eine Begrenzung der Migration. Die Grünen hat sie wiederholt als die gefährlichste Partei bezeichnet.
Konkurrenz zur AfD?
Politikwissenschaftler gehen davon aus, dass ihr Projekt auch der AfD Stimmen streitig machen könnte. Die Rechtspartei hofft darauf, im kommenden Jahr in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erstmals in Deutschland Landtagswahlen zu gewinnen. Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke nahm Wagenknechts Schritt jedenfalls durchaus zur Kenntnis. Der „Name ‚Bündnis Sahra Wagenknecht‘ irritiert, wirft Fragen auf“, schrieb Höcke auf X, vormals Twitter. „Drückt er Selbstbewusstsein aus oder entlädt sich hier eine narzisstische Störung?“
Wagenknecht war über Jahrzehnte einer der profiliertesten Köpfe der Linken. Ihre Noch-Partei will nun kämpfen. Der frühere Parteichef Bernd Riexinger schrieb auf X: „Für Die Linke ist es eine Befreiung. Unsere Wähler:innen wissen nun endlich wieder wofür Die Linke steht und was sie für sie macht.“ (dpa/mig) Aktuell Politik
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