Kanaren-Insel El Hierro
„Spanische Lampedusa“ appelliert an Europäische Union
Die überfüllten Aufnahmelager für Geflüchtete auf Lampedusa sind seit den Unruhen in Nahost aus dem Blick geraten. Noch weniger stehen die Kanaren im Fokus der Öffentlichkeit. Aber auch dort spitzt sich die Lage zu. Überfordert ist im Archipel vor Westafrika vor allem die kleine Insel El Hierro.
Montag, 23.10.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.10.2023, 16:55 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die andauernde Zunahme der Ankünfte Hunderter Geflüchteter stellt die Kanaren und vor allem die kleine Insel El Hierro vor große Herausforderungen. Allein an einem Tag Anfang Oktober wurden insgesamt 518 Menschen geborgen worden, die vor den Küsten des zu Spanien gehörenden Atlantik-Archipels auf sechs Booten unterwegs waren, teilte der spanische Seerettungsdienst mit.
277 dieser Menschen seien nahe El Hierro in Sicherheit und dann auf die Insel gebracht worden, hieß es. Damit erhöhte sich die Zahl der Menschen, die auf El Hierro ankamen, auf etwa 1.500. Die Insel hat gut 11.000 Einwohner und ist nach eigenen Angaben auf die Aufnahme so vieler Menschen nicht gewachsen. Einige Medien sprechen bereits vom „spanischen Lampedusa“.
Die überwiegende Mehrheit der Geflüchteten stamme aus Ländern südlich des Sahara, hieß es. Es wird vermutet, dass die Zunahme der Ankünfte auf den Kanaren mit der politischen und sozialen Krise im Senegal zusammenhängt.
Insel appelliert an EU
Die Situation sei „unhaltbar“, sagte der kanarische Regierungschef Fernando Clavijo dem TV-Sender Antena 3. Der konservative Politiker warf der linken Zentralregierung Tatenlosigkeit vor. „Wir sind fassungslos und perplex über das Schweigen einer spanischen Regierung, der die Ereignisse im Zusammenhang mit der Migration und der Druck, dem alle Kanaren ausgesetzt sind, anscheinend völlig egal sind“, sagte er.
Wieso die meisten Boote auf der sogenannten kanarischen Route zuletzt vor allem El Hierro ansteuerten, ist nicht bekannt. Inzwischen wurden nach Behördenangaben viele Menschen auf andere, deutlich größere kanarische Inseln gebracht, etwa nach Teneriffa. Die Inselregierung forderte trotzdem von Madrid und der EU „außergewöhnliche und dringende“ Maßnahmen.
951 Tote in sechs Monaten
„Die Herreños sind zwar ein hilfsbereites und einfühlsames Volk, das aus erster Hand weiß, was Auswanderung bedeutet. Doch sie sind weder flächen-, noch bevölkerungs-, noch ressourcenmäßig darauf vorbereitet, eine so große Zahl von Migranten zu bewältigen“, hieß es in einer Mitteilung.
Auch über das vergangene Wochenende bis einschließlich Montag haben 1.622 Menschen aus Westafrika in kleinen Holzbooten die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln erreicht. Das geht aus Mitteilungen der Rettungsstelle 112 der atlantischen Inselgruppe vor der Westküste Afrikas auf der Plattform X hervor. Im Oktober zählte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bisher mehr als 10.000 Ankommende.
Nach Angaben der spanischen Hilfsorganisation Caminando Fronteras starben in den ersten sechs Monaten des Jahres mindestens 951 Menschen bei dem Versuch, Spanien auf dem Seeweg zu erreichen. Der größte Teil der Todesopfer (778) wurde demnach nicht im Mittelmeer, sondern auf der Route von Westafrika zu den Kanaren registriert. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) gab es auf dieser Route dieses Jahr bis Anfang Oktober 421 Tote und Vermisste. (dpa/mig) Ausland Leitartikel
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