Scholz' dritte Afrika-Reise

Handel, Abschiebung und Fachkräfte auf dem Programm

Die Zeiten, in denen Afrika nur eine Randnotiz der deutschen Außenpolitik war, sind vorbei. Kanzler Scholz besucht den Kontinent nun schon zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren. Auch für die Menschen in Deutschland hat der Kontinent eine immer größere Priorität.

Von , und Sonntag, 29.10.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.10.2023, 11:19 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen, Erschließung von Rohstoffen, Stärkung der Sicherheit und Begrenzung der Migration: Darum geht es bei der dritten großen Afrika-Reise von Olaf Scholz (SPD) nach noch nicht einmal zwei Jahren als Bundeskanzler. Ab Sonntag geht es für drei Tage nach Nigeria und Ghana. Zum Vergleich: Seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) hatte zum selben Zeitpunkt ihrer Amtszeit gerade erst einen Besuch auf dem Nachbarkontinent absolviert.

Scholz hat sich vorgenommen, dem lange vernachlässigten Kontinent deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen als bisher. Auch als Lehre aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine will er die internationalen Beziehungen Deutschlands breiter aufstellen. Abhängigkeiten von einzelnen Ländern wie früher von Russland bei der Gasversorgung und aktuell von China bei den Handelsbeziehungen sollen verringert werden.

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Westafrika: Öl, Gas Gold

Deswegen hat er auf seinen ersten beiden Reisen auf den Kontinent bereits Südafrika als traditionell wichtigstes afrikanisches Partnerland Deutschlands, Kenia im Osten sowie Senegal und Niger im Westen des Kontinents besucht. In Westafrika ist der Kanzler auch jetzt wieder unterwegs. Mehr als 400 Millionen Menschen leben in den 15 Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, mehr als die Hälfte von ihnen sind unter 18 Jahre alt.

Flucht- und Schmuggelrouten verlaufen durch das Gebiet zwischen der Sahara-Wüste und dem Golf von Guinea am Atlantik, dessen Staaten über große Vorkommen an Gold, Öl, Erdgas und andere Bodenschätze verfügen. Die Region ist mittlerweile aber auch einer der tödlichsten Horte des Terrors weltweit.

Nigeria als wirtschaftlicher Riese Westafrikas

Scholz bricht am Sonntagmorgen zunächst nach Abuja auf, in die Hauptstadt Nigerias. Mit mehr als 220 Millionen Einwohnern ist der Vielvölkerstaat das bevölkerungsreichste Land des gesamten Kontinents und auch die größte Volkswirtschaft. Seit dem Ende einer Militärdiktatur 1999 hat sich die Bundesrepublik auch als eine der stabilsten Demokratien der von Putschen heimgesuchten Region erwiesen. Doch das Land rutscht immer weiter in eine gefährliche Mischung aus Wirtschaftskrise und sich stetig verschlimmernder Unsicherheit.

Im Nordosten verzeichnet der Staat seit über einem Jahrzehnt nur begrenzte Erfolge im Kampf gegen Terrorgruppen wie Boko Haram. Durch Gewalt und eine der schwersten humanitären Krisen der Welt kamen nach UN-Schätzungen mehr als 350.000 Menschen ums Leben. Nach UN-Angaben sind knapp 3,5 Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht, 300.000 nigerianische Flüchtlinge befinden sich in den Nachbarländern Niger und Kamerun. Die Wirtschaftskrise mit der höchsten Inflation seit fast 20 Jahren verschlimmert die Situation noch. Experten warnen vor steigenden Flüchtlingszahlen.

Geringe Anerkennungsquote bei Asylbewerbern aus Nigeria

Inzwischen kommen zahlreiche Asylbewerber nach Deutschland, von Januar bis September dieses Jahres wurden mehr als 1.800 Erstanträge von Nigerianern gestellt. Die Anerkennungsquote ist vergleichsweise gering. Nigeria ist also eins der Länder, mit denen Scholz die Rückführung nicht anerkannter Asylbewerber über Abkommen erleichtern will. Darüber verhandelt die EU gerade mit dem Land.

Vor allem geht es Scholz aber um die Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Bei den Handelsbeziehungen zu Nigeria wird noch viel Luft nach oben gesehen, aber auch im Energiebereich. Rohöl macht derzeit 79 Prozent der deutschen Importe aus Nigeria aus. Bei seinen Gesprächen in Abuja und der Wirtschaftsmetropole Lagos will der Kanzle nun ausloten, ob man auch beim Erdgas ins Geschäft kommen kann. „Das ist eine Möglichkeit“, heißt es aus Scholz‘ Delegation.

Umfrage zur Afrika-Politik: Flüchtlingsfrage am wichtigsten

Der Kanzler ist nicht das einzige Regierungsmitglied, das in den nächsten Tagen in Afrika unterwegs ist. Innenministerinin Nancy Faeser (SPD) reist am Montag zusammen mit dem Sonderbeauftragten für die Migrationsabkommen, Joachim Stamp, nach Marokko. Auch dort wird es darum gehen, wie man eine Vereinbarung zustande bringen kann, die Zuwanderung von Fachkräften vereinfacht und gleichzeitig Abschiebungen erleichtert.

Der letzte Punkt hat nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur für die Menschen in Deutschland Priorität, wenn sie an Afrika denken. 32 Prozent sagen, für sie sei die Eindämmung der sogenannten „irregulären Migration“1 in den Beziehungen zu afrikanischen Ländern am wichtigsten. 22 Prozent halten die Lösung regionaler Konflikte und die Bekämpfung des Terrorismus für das wichtigste Thema. Erst knapp dahinter folgt die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit 21 Prozent. Für nur 9 Prozent hat die Erschließung von Rohstoffen Priorität.

In der Umfrage befürworten zudem 40 Prozent den Ausbau der Beziehungen zu afrikanischen Ländern. Fragt man nach der Bedeutung der Kontinente jenseits von Europa, landet Afrika im Mittelfeld. Die größte Aufmerksamkeit erhält Asien, knapp dahinter folgt Nordamerika mit 75 Prozent. Die Beziehungen zu afrikanischen Ländern werden von 56 Prozent als mindestens wichtig eingestuft. Bei Australien und der Pazifikregion liegt dieser Wert bei 52 Prozent, Schlusslicht ist Lateinamerika mit 51 Prozent.

Dunkles Kapitel deutscher Geschichte – Bundespräsident in Tansania

Ebenfalls am Montag startet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Afrika. Auch bei seiner Reise nach Sambia und Tansania geht es darum, bestehende Partnerschaften auszubauen und neue zu knüpfen. „Da ist sich der Bundespräsident ganz einig mit dem Bundeskanzler“, heißt es im Bundespräsidialamt.

Sambia hat noch nie ein Bundespräsident offiziell besucht. In Tansania wird Steinmeier auch mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte konfrontiert werden, wenn er mit Nachfahren von Opfern des Maji-Maji-Krieges spricht. Dieser war mit bis zu 300.000 Toten einer der blutigsten Kolonialkriege überhaupt. Das heutige Tansania war Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika, die von 1885 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 bestand. (dpa/mig)

  1. Gemeint sind Asylsuchende, die mangels legaler Fluchtwege ohne gültige Einreisedokumente Grenzen überqueren. Sie sind per Gesetz nicht „illegal“, sobald sie Asyl begehren. Die Bezeichnung „illegal“ wird in der Fachwelt kritisiert.
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