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Nahost-Konflikt

Historiker Benz: Das ist kein Antisemitismus

Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz kritisiert Israels Politik in Nahost als "Freundespflicht". Der 82-jährige Historiker erklärt im Gespräch, warum Deutschland kein neuer Hort der Judenfeindschaft ist, wer am christlich-jüdischen Dialog fehlt und warum Antisemitismus ein unbesiegbares Phänomen zu sein scheint.

Von Sonntag, 12.11.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.11.2023, 6:19 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Herr Professor Benz, in Deutschland wird wieder der Judenhass öffentlich auf die Straßen getragen – wer ist dafür verantwortlich und wie muss man darauf reagieren?

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Wolfgang Benz: Gegen Judenhass muss man natürlich reagieren. Antisemitismus als Judenfeindschaft im weitesten Sinne ist nirgendwo so kriminalisiert und verpönt wie in Deutschland. Es ist vollkommen falsch, anzunehmen, Deutschland sei der Hort einer neuen Judenfeindschaft.

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Halten Sie Gewalttaten gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger hierzulande wieder für möglich – wie vor 85 Jahren in der Reichspogromnacht der Nationalsozialisten von 1938?

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Ich halte grundsätzlich alles, was geschehen ist, für wiederholbar. Aber es ist denkbar unwahrscheinlich, dass ein zweiter Holocaust von deutschem Boden ausgeht. Gewalttaten gegen Juden in Deutschland sind derzeit überwiegend hasserfüllte Übergriffe von jungen arabischen Muslimen – Palästinensern oder deren Sympathisanten. Diese richten sich gegen den Staat Israel. Die Novemberpogrome im November 1938 waren hingegen eine staatlich inszenierte Veranstaltung. Einen spontanen Volkszorn hat es damals nicht gegeben.

Sie haben den Judenhass als das älteste Ressentiment bezeichnet, das die Menschheit kennt. Warum scheint Antisemitismus ein unbesiegbares Phänomen zu sein?

Weil er das älteste ist. Er ist mit verschiedenen Wurzeln tief in das öffentliche Bewusstsein eingelassen. Religiöse Ressentiments wirken fort und erst recht die von den Nazis verbreiteten rassistischen. Der Holocaust hat keineswegs den Menschen die Augen geöffnet. Im Gegenteil wurden Schuldgefühle sublimiert. Man beschuldigt lieber die Opfer, als dass man das Wesen des Vorurteils hinterfragt.

Juden fühlen sich nicht mehr sicher in Deutschland, beklagt Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden. Politiker wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprechen von der Angst, die wieder umgehe. Ist die derzeitige Antisemitismus-Diskussion zu aufgeregt?

Ja natürlich! Das ist deren Pflicht, so zu sprechen. Die Formel von den gepackten Koffern, auf denen die jüdische Gemeinde in Deutschland sitzt, ist griffig, wird gerne geglaubt – stimmt aber nicht. Ich kann sehr gut verstehen, dass Juden, die in Deutschland leben, dieses Holocaust-Trauma verinnerlicht haben. Genauso, wie die Mehrheit der Deutschen das Bewusstsein von Schuld und Scham über dieses Ereignis verinnerlicht hat. Das entspricht aber nicht einer wirklichen Bedrohung.

Ist Kritik an der Politik Israels und seiner Offensive im Gaza-Streifen gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas legitim – trotz der vielen zivilen Opfer?

Da zitiere ich gerne den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, ein evangelischer Christ, der sagte, es sei eine ‚Freundespflicht‘, zu kritisieren. Es ist kein Antisemitismus, wenn ich sage, dass die Politik der Regierung Netanjahu nicht zu einer von der ganzen Welt gewünschten Zwei-Staaten-Lösung und bestimmt nicht zu einem Frieden in Nahost führen wird.

Wäre die Zwei-Staaten-Lösung also die Lösung für diesen Konflikt?

Wenn nicht alle Chancen inzwischen vertan sind, der Hass so stark ist, dass da nichts mehr geht. Es müsste auch jetzt noch energische Diplomatie möglich sein. Die Israelis könnten die Klügeren sein und Geld in die Hand nehmen und den Palästinensern zu einer friedlichen Koexistenz helfen und sagen: „Wir stehen Euch partnerschaftlich bei, bis ihr auf eigenen Füßen steht – aber um den Preis, dass ihr Frieden gebt.“ Durch den feigen Überfall der Hamas ist das auf längere Zeit unmöglich.

Was wäre die Rolle der Kirchen in diesem Versöhnungsprozess?

Aus dem viel beschworenen christlich-jüdischen Dialog heraus, der die Muslime überwiegend ausgrenzt, muss der christlich-jüdisch-muslimische Trialog gesucht werden. Die Kirche muss sich mit den friedlichen Muslimen solidarisch zeigen, dann kommen die vernünftigen jüdischen Partner schnell dazu.

Wie werten Sie es, dass manche junge Klimaaktivisten und Linke die Gewaltexzesse gegen Israel nicht offen verurteilt haben?

Sie verurteilen überwiegend die Gewalt, das hoffe ich doch auch. Der Terrorismus ist durch nichts zu entschuldigen. Trotzdem muss ich Empathie empfinden dürfen für die palästinensische Zivilbevölkerung, die schlicht ums Überleben kämpft.

Was kann man tun, um besonders junge Menschen davon abzuhalten, antisemitischen Scharfmachern hinterherzulaufen?

Man muss jungen Menschen sagen: Das geht euch sehr wohl etwas an. Eine rationale Wissensvermittlung durch Historiker, Politiker und Lehrer greift nachhaltiger als die emotionale durch Zeitzeugen. Man muss auch fragen, warum man andere Minderheiten wie die Muslime ausgrenzt. Und man soll Sprüche wie ein „Nie wieder“ lassen. Die hohen Worte bringen gar nichts, sie machen nur Langeweile oder verstärken das Ressentiment. Man muss alltäglich gegen Vorurteile einstehen.

In Bruchsal gibt es eine bundesweit wohl einmalige Situation: Auf dem Platz der 1938 abgebrannten Synagoge wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein Feuerwehrhaus errichtet. Nun gibt es Pläne der Stadtverwaltung, dort einen Gedenkort für Versöhnung und Demokratiebildung zu schaffen. Was halten Sie davon?

Wenn man einen Ort der Erinnerung errichtet wie in Berlin das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, braucht man dafür genug Personal – Historiker, eine Aufsicht. Es muss ein Programm mit spannenden Veranstaltungen geben, vom Konzert bis zur Ausstellung. Es darf aber keine leerstehende Kulisse für das eigene Wohlbefinden aufgestellt werden. (epd/mig) Aktuell Interview Panorama

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  1. Dennis against asteroid protection sagt:

    Die Interpretation dieses Beitrages ist sehr schwierig.
    Wären dieselben Fragen mehreren Experten gestellt worden, oder die Antworten von Prof. Benz in einen Kontext journalistisch eingeordnet worden, fiele dies leichter.
    Ich kann mich nicht gegen den Eindruck wehren, dass mit diesem Interview eine voreingenommene Betrachtungsweise bestätigt werden sollte.
    Allerdings entgeht mir völlig eine konsequente Stellungnahme in einer bestimmten Richtung, welche man konsequente Polemik nennen könnte.
    Mich erinnern die hier zitierten Aussagen des alten, weißen Professor Benz, an den verstorbenen Peter Scholl-Latour in hohem Alter, welcher bestimmten Zielgruppen z.B. ein Bild von „Afrika“ vermitteln wollte und als Argumente seine persönliche Autorität durch sein „Lebenswerk“ anführte (subjektive Beobachtungen und Erfahrungen)

    Ebenso fehlt den Antworten von Prof. Benz in diesem Beitrag eine Untermauerung, als ob dies auch gar nicht mehr nötig sei, denn der Professor spricht autoritär.
    Die ihm gestellten Fragen wirken in ihrer Reihenfolge und zum Teil durch Suggestion wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
    Unglücklich ist, dass dies alles nicht in die von Vielen beschriebene Realität passt.

    Ich wünsche mir, dass ich die Intention von Alexander Lang für diesen Beitrag missverstehe, und die im Titel vorkommende Aussage: „Dies ist kein Antisemitismus“ , als übergriffige, weiße, alte, maskuline und deutsche Überheblichkeit und Ignoranz verstehen darf.

    Seine Aussage: „Antisemitismus als Judenfeindschaft im weitesten Sinne ist nirgendwo so kriminalisiert und verpönt wie in Deutschland“, verleitet dazu, sich zu fragen, warum Israel nicht mehr dagegen tut, als höchstens Zweiter; oder anders gesagt, ist beim Prof. Benz noch alles so klar, wie dieses Interview vorgibt?

    Prof. Benz schreibt: „Es ist vollkommen falsch, anzunehmen, Deutschland sei der Hort einer neuen Judenfeindschaft.“
    Da kann man nur widersprechen, denn durch bekanntermaßen nicht vollständig vollzogene Entnazifizierung und durch den Beleg für die Masse antisemitischerStraftaten durch Deutsche mit Nazierbe, lässt sich dies widerlegen.

    Prof. Benz schreibt: „Gewalttaten gegen Juden in Deutschland sind derzeit überwiegend hasserfüllte Übergriffe von jungen arabischen Muslimen – Palästinensern oder deren Sympathisanten. Diese richten sich gegen den Staat Israel.“
    Mit dieser Antwort und Veröffentlichung hege ich wieder Hoffnung, dass Alexander Lang mit diesem Beitrag eine Entlarfung beabsichtigte.
    Erstens ist die erste Aussage falsch und zweitens ist die zweite Aussage falsch, oder warum mussten zu Zweitens, Juden in Deutschland oder z.B. in Frankreich sich um Schutz sorgen oder antisemitische Symbole in ihrem Wohnumfeld ertragen, allerdings auch schon lange vor der aktuellen Situation und wie oben schon geschrieben durch Nazi-Erbe-Deutsche.
    Dennoch ist antisemitische Gewalt auch von Deutschen, oder zu Deutschland Gehörenden ohne Nazi-Erbe real!

    Ich informierte mich vor meinem Kommentar zu Prof. Benz über seine Leistungen und Honorierungen, insbesondere durch Juden in Deutschland.
    Dennoch halte ich sein Interview auch im Weiteren für äußerst streitbar.

    Alexander Lang fragt: “
    Ist die derzeitige Antisemitismus-Diskussion zu aufgeregt?“
    Die Stimmung kippt wieder. Ich halte diese Art von Fragestellung für suggestiv.
    Möglich wäre gewesen: „Ist die derzeitige Antisemitismus-Diskussion aufgeregt oder angemessen?

    Prof. Benz schreibt: „Die Novemberpogrome im November 1938 waren hingegen eine staatlich inszenierte Veranstaltung. Einen spontanen Volkszorn hat es damals nicht gegeben.“
    Sie haben nichts gewusst und waren völlig überrascht! Kein Volkszorn!
    Im Gegensatz dazu impliziert Prof. Benz, dass der Volkszorn, wie vorher von ihm behauptet, von der Genannten Gruppe ausgeht. Fühlt sich so Integration an?

    Ermüdet kommentiere ich in meiner liebsten Form, der populistischen, nochmal den Rest des Interviews und den im Beitrag verlinkten anderen Beitrag von Prof. Benz.

    „Der christlich-jüdische-muslimische Dialog“:
    Vielleicht sollte man Nicht-Religiöse auch hören, oder aufhören mit solchen Forderungen die Lösung gegen menschliche Grausamkeit in Religion zu finden.

    Prof. Benz setzt sich auch stark gegen jede andere Diskriminierung, neben Antisemitismus ein.
    Dafür brenne ich, aber argumentativ neigt er dazu, alle Formen von Diskriminierung in ein Vorzeichen zu setzen, die Haltung des Täters in eine Form zum Nicht-mehr-Täter zu überführen. Der Täter soll keinen Unterschied zwischen allen diskrimierten Gruppen mehr machen, sondern sein Verhalten oder Gesinnung zu einer allgemein-nicht-mehr diskriminierenden ändern.

    Völlig auf der Strecke bleiben dabei die unterschiedliche Motivation von Diskriminierung, die Historie von Diskriminierung, sogar ihm vorgeworfen die Relativierung und Aufrechnung verschiedener Diskrimierung und Hassverbrechen.

    Viel Spaß mit eurer gefühlten Wahrheit