„Hau-ab-Phantasien“
Brandenburgs Minister will „Ausreisezentren“ schaffen
Brandenburgs Innenminister Stübgen will ausreisepflichtige Flüchtlinge, bei deren Rückführung es Hindernisse gibt, in zentralen Unterkünften in Kommunen unterbringen. Das kommt bei den Koalitionspartnern ganz unterschiedlich an. Scharfe Kritik kommt vom Flüchtlingsrat.
Montag, 20.11.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.11.2023, 15:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das erste Ausreisezentrum für Flüchtlinge in Brandenburg könnte nach dem Willen von Innenminister Michael Stübgen (CDU) zügig an den Start gehen. „Die erste derartige Einrichtung könnte schon im Laufe des Jahres 2024 in Betrieb gehen“, sagte Ministeriumssprecher Andreas Carl der Deutschen Presse-Agentur. „Die derzeitigen Überlegungen gehen dahin, Ausreiseeinrichtungen nicht in die Erstaufnahmeeinrichtung zu integrieren, sondern eine Zusammenarbeit mit kommunalen Einrichtungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu favorisieren.“
Die Pläne sind in der rot-schwarz-grünen Koalition umstritten: Die Grünen halten kommunale Ausreisezentren aus mehreren Gründen für problematisch. Die oppositionelle Linke rief die Grünen zum Handeln auf.
Grüne: Rechtlich nicht möglich
Der Minister will die Rückführung ausreisepflichtiger Personen beschleunigen und drei Einrichtungen eröffnen. Er plant, Flüchtlinge mit Abschiebe-Hindernissen wie fehlenden Pass-Ersatzpapieren in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Damit will er nach eigenen Angaben auch verhindern, dass für die Rückführung angemeldete Menschen nur noch gelegentlich auftauchen, wenn sie Dinge mit Behörden erledigen müssen. Freiwillige Ausreisen sollen gefördert, aber Rückführungen gegen den Willen der Betroffenen forciert werden. Stübgen hatte als Vorbild für das Projekt Schleswig-Holstein genannt.
In Brandenburg gibt es derzeit nach Angaben des Ministeriums etwa 4.500 vollziehbar ausreisepflichtige Personen. Wenn man alle vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen, bei denen vorrangig eine freiwillige Ausreise in Betracht kommt, in einer solchen Einrichtung unterbringen wollte, würden rund 2.000 Plätze benötigt. Geprüft wird laut Ministerium in einem ersten Schritt aber die Etablierung einer Ausreiseeinrichtung mit einer deutlich geringeren Platzkapazität.
„Die Unterbringung von vollziehbar Ausreisepflichtigen in kommunalen Einrichtungen ist nach dem Landesaufnahmegesetz rechtlich nicht möglich“, sagte Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. „Ausreiseeinrichtungen kann nur das Land schaffen.“ Die Grünen-Politikerin kritisierte, dass Stübgen bisher noch kein Konzept vorgelegt habe.
SPD offen für Pläne
Der Vergleich mit Schleswig-Holstein trägt aus ihrer Sicht nicht. Dort gebe es nur einige wenige Plätze für Ausreisepflichtige in der Erstaufnahmeeinrichtung, sagte Budke. Sie kritisierte auch eine Begründung. „Rückführungen scheitern aus vielen Gründen, aber selten daran, dass die Personen nicht gefunden werden.“ Die Grünen-Landesvorsitzende Hanna Große Holtrup hatte die Pläne bereits nach der Vorstellung in der vergangenen Woche abgelehnt.
Die SPD-Fraktion zeigt sich offen für die Einrichtungen und sieht mögliche Vorteile. „Vom Ansatz können diese Zentren ein geeignetes Instrument sein, um Rückführungen zu beschleunigen und Kommunen zu entlasten“, sagte Innenpolitiker Uwe Adler. Der Minister müsse aber erstmal geeignete Standorte und Landkreise finden. „Ansonsten freuen wir uns als Koalitionspartner auch über die Vorlage eines schlüssigen Konzeptes zur Planung, Durchführung, Ausstattung und Kosten.“
Die Linksfraktion sieht den grünen Koalitionspartner der CDU am Zug. „Die kommunalen Ausreisezentren, die der Innenminister sich nun ausgedacht hat, gehen nur mit Zustimmung der Grünen“, sagte Linke-Innenpolitikerin Andrea Johlige. „Es wäre deshalb angebracht, wenn die Grünen endlich ihren Job in der Koalition machen anstatt ständig öffentlich die Sachen zu beklagen, die sie selbst mitentschieden haben.“
Flüchtlingsrat übt deutliche Kritik
Der Flüchtlingsrat Brandenburg indes kritisiert die geplanten Ausreisezentren für Geflüchtete scharf. Innenminister Michael Stübgen (CDU) sei mit der Idee „offenbar eifrig dabei, Mittel und Wege auszubrüten wie Menschen isoliert, ausgegrenzt, schikaniert und psychisch unter Druck gesetzt werden können, ohne brachiale Mittel wie verschlossene Türen und Mauern einsetzen zu müssen“, sagte Carla Regling, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrates, am Samstag. „Die gläserne Mauer der Residenzpflicht sowie die Androhung von Leistungsentzug und Fahndungsausschreibung erzielen diese Wirkung ja auch.“
In diesem Zusammenhang von „Gemeinschaftsunterkünften“ zu sprechen, sei „ignorant gegenüber dem gezielten Plan ein menschenfeindliches Abschottungssystem zu etablieren“, führte Regling aus. Die Pläne seien „Ausdruck rechter und menschenfeindlicher ‚Hau-ab‘-Phantasien“, mit denen der Minister am rechten Rand zu Punkten glaube. (dpa/mig) Aktuell Politik
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