Absicht oder Überlastung?
Senat fordert Aufklärung nicht bearbeiteter rechter Straftaten
Mehr als 300 Fälle sind beim Staatsschutz in Berlin liegen geblieben – alle aus dem rechten Spektrum. Jetzt ermittelt die Polizei gegen Kollegen in den eigenen Reihen. Die Polizei sieht kein politisches Motiv. Abgeordnete hingegen sprechen von einem Skandal.
Montag, 27.11.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.11.2023, 13:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Fall Hunderter liegen gebliebener Fälle beim Staatsschutz des Berliner Kriminalamtes (LKA) gibt es laut Polizeipräsidentin Barbara Slowik derzeit keine Hinweise auf eine politische Motivation. Es werde jedoch nach allen Seiten ermittelt, warum die mehr als 300 Verfahren nicht oder unzureichend bearbeitet worden seien, betonte Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Betroffen ist die Abteilung beim LKA, die Bearbeitung von Straftaten aus dem rechten Spektrum zuständig ist. „Jetzt wird alles getan, um schnellstmöglich die Bearbeitung oder Weiterbearbeitung zu gewährleisten“, saget Slowik.
Nach Polizeiangaben war erst bei einem routinemäßigen Führungswechsel in dem Kommissariat im Oktober aufgefallen, dass die Verfahren gar nicht oder unzureichend bearbeitet worden sind. Inzwischen wird nach Behördenangaben wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt. Im Fokus stehen dabei der frühere Kommissariatsleiter und ein Sachbearbeiter.
Senat verlangt zügige Aufklärung
„Es ist ein Missstand – das kann man nicht anders benennen“, räumte Slowik ein. Der Senat erwarte eine zügige Aufklärung in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft, sagte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe, der die erkrankte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) vertrat. Geprüft werde auch, ob eine Überlastung der Abteilung vorgelegen habe. Nach den Vorschriften hätte diese gemeldet werden müssen, um darauf reagieren zu können, so Slowik.
Nach Angaben der Polizeipräsidentin wurde die Dezernatsleitung am 20. Oktober über den Vorgang informiert. Diese habe am selben Tag die für Beamtendelikte zuständige Abteilung eingeschaltet. Alle Kommissariate des LKA hätten dann die liegen gebliebene Fälle bearbeitet. Inzwischen seien 364 Vorgänge aus dem Jahr 2022 und davor an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.
Offen, welche konkreten Straftaten aus rechtem Spektrum
Generell werden in der Abteilung (LKA 53 – Politisch motivierte Kriminalität -rechts- und Zentralstelle Hasskriminalität) laut Slowik pro Jahr etwa 2.000 Fälle bearbeitet. Die betroffenen Vorgänge stammten aus den vergangen drei Jahren, größtenteils aus den Jahren 2020 und 2021. Angaben dazu, um welche Straftaten es konkret aus dem rechten Spektrum geht, machte Slowik auch mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. In Betracht kommen unter anderem Ermittlungen gegen die Querdenker-Szene aus diesem Zeitraum.
Innenpolitiker von Linken und Grünen kritisierten, dass die Abgeordneten erst durch Medienberichte von dem Vorfall erfahren haben. Ario Mirzaie, Sprecher der Grünen-Fraktion für Strategien gegen Rechts, bezeichnete dies als „skandalös“. Es sei erschreckend, wie spät der Vorgang aufgedeckt worden sei, sagte Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion.
Auch Neukölln-Komplex betroffen?
Zudem befürchten sie, dass auch Vorfälle in Zusammenhang mit einer Serie rechtsextremer Straftaten in Berlin-Neukölln betroffen sein könnten. Nach Angaben der Polizeipräsidentin soll dies nicht der Fall sein. Diese Fälle würden in einem anderen Kommissariat zentral bearbeitet. Slowik konnte zunächst aber nicht sagen, ob einzelne Mitarbeiter möglicherweise doch mit solchen Fällen befasst waren.
Mit dem sogenannten Neukölln-Komplex befasst sich auch ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Dieser soll Ermittlungsfehler und mögliches Behördenversagen aufklären. Zwei vom Senat eingesetzte Sonderermittler hatten 2021 Fehler von Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz festgestellt.
Ende September wurde bekannt, dass ein Berliner Polizist im Verdacht steht, interne Informationen zu Ermittlungen im rechten Milieu weitergegeben zu haben. Dieser gehörte einer Ermittlungsgruppe an, die auch an der Bearbeitung der Anschlagsserie in Neukölln beteiligt war. Bei Durchsuchungen in der Wohnung und am Arbeitsplatz des Beamten wurden nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft Handy und sonstige Datenträger beschlagnahmt. Die Ermittlungen dauerten an, hieß es aktuell von der Staatsanwaltschaft. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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